Frau Winter, Sie haben gemeinsam mit anderen CDU-Mitgliedern die Klima-Union gegründet. Rundheraus gefragt: Wozu braucht Ihre Partei diesen Verein?
Wiebke Winter: Ich setze mich dafür ein, dass die CDU eine ehrgeizigere Klimapolitik verfolgt. Und ich denke, dass man das am besten mit anderen kann. Mit Menschen, die unterschiedliche Themen und Profile haben, die aber gemeinsam dafür kämpfen, dass sich die CDU eindeutig zum 1,5-Grad-Ziel und zur Klimaneutralität bis spätestens 2040 bekennt.
Dem 1,5-Grad-Ziel hat sich Deutschland bereits 2015 beim Pariser Klimaabkommen verpflichtet. Sehen wir hier den Versuch, der Union im Wahljahr ein Greenwashing zu verpassen?
Definitiv nicht. Das ist schlicht die richtige und notwendige Position. Der momentane Plan der Bundesregierung sieht vor, dass wir erst 2050 treibhausgasneutral werden. So können wir das globale 1,5-Grad-Ziel nicht einhalten.
Das Wahlprogramm der Union liegt noch nicht vor. Können Sie als Mitglied des CDU-Bundesvorstandes sagen, welche Rolle der Klimaschutz spielen soll und wird?
Das Wahlprogramm wird aktuell geschrieben. Und das ist auch der Grund, warum wir uns gerade jetzt gründen. Wir wollen Einfluss nehmen.
Zufrieden scheinen Sie mit der bisherigen Klimapolitik der Union nicht zu sein. In Ihrer Satzung steht, dass die eingeleiteten Maßnahmen „bei Weitem noch nicht ausreichen“.
Ich wünsche mir sehr, dass die Politik der Bundesregierung deutlich ehrgeiziger wird. Es macht schließlich einen Riesenunterschied, ob sich das Klima um anderthalb oder zwei Grad erwärmt. Die Schäden steigen exponentiell an. Bei zwei Grad zum Beispiel sterben 99 Prozent der Korallenriffe ab, bei anderthalb sind es 70.
Korallenriffe sind natürlich beeindruckend. Aber wenn Sie mal nach Bremen-Nord und Bremerhaven schauen, wo Sie für den Bundestag antreten – was bedeutet der Klimawandel für die Menschen dort?
So fern ist das gar nicht. Denn wenn die Korallenriffe sterben, stirbt die Kinderstube der Fische – den wir ja alle gern essen. Aber klar, blicken wir nach Norddeutschland. Wenn die Menschen früher, vor der Treibhausemittierung, alle 500 Jahre mit einer richtig heftigen Sturmflut rechnen mussten, dann kommt die beim 1,5-Grad-Ziel alle hundert Jahre vor. Bei einer Steigerung auf zwei Grad schon alle 33 Jahre. Wir werden also ganz konkret bedroht sein. Der Meeresspiegel der Nordsee steigt voraussichtlich um 53 statt um 34 Zentimeter an, und es wird verdammt teuer, die Deiche zu halten.
Umwelt und Klimaschutz werden inhaltlich eher mit den Grünen verbunden. Was macht denn den Unterschied zur Klimapolitik der Union?
Armin Laschet sagt ganz klar: Wir müssen Klimapolitik und Industriepolitik zusammen denken. Das unterstützen wir als Klima-Union. Wir müssen aus der Kohlekraft raus und erneuerbare Energien massiv ausbauen. Als Norddeutsche denke ich da natürlich an Offshore-Windenergie. Aber auch an Fotovoltaik. Dazu gehört aber auch unsere Klima-Außen- und -Entwicklungspolitik. Und schließlich der Netzausbau. Daran scheitert es aktuell zu oft: Ein einzelner Hamster kann verhindern, dass Strommasten gesetzt werden. Gefährdete Arten sind wichtig. Aber auch der Hamster hat nichts davon, wenn wir in 40 Jahren überschwemmt sind.
Was ist Ihr persönlicher Antrieb?
Das erste Mal, dass ich politisch aktiv geworden bin, war die Teilnahme an einer Anti-AKW-Demo – mit 13 Jahren. Mir geht es um eine Umwelt, in der meine Generation und die uns folgenden gut leben können. Mir macht das enorme Sorgen. Die aktuelle Politikergeneration wird nicht so stark betroffen sein von den Folgen ihrer Klimapolitik. Unsere Generation, der auch Fridays-for-Future angehört, muss das nun auskämpfen. Wenn ich allein an meine norddeutsche Heimat denke, ist das auch eine große wirtschaftliche Chance – wir wollen doch alle lieber Wind vom Deich als Öl vom Scheich.
Als vor Corona Fridays-for-Future-Demonstranten durch das Berliner Regierungsviertel zogen, twitterten Unionsabgeordnete, sie sollten zurück in die Schule gehen. Sind Sie jetzt auch eine Art konservatives FFF?
Ich war anfangs sehr skeptisch gegenüber Fridays for Future – und mittlerweile dankbar. Ohne die stünde nämlich das Klimathema nicht so groß auf dem Plan. Was uns trennt, ist indes die ultralinke Kapitalismuskritik. Für mich bedeutet die Klimakrise gerade, dass wir eine funktionierende Wirtschaft brauchen, um mit den Steuereinnahmen den Wandel zu finanzieren. Die ganze Angelegenheit wird nämlich nicht billig.
Ihr Ziel ist es, mit der Klima-Union eine der wenigen, aber wichtigen Vereinigungen in der CDU zu werden. Welche Vorteile hätte das?
Die Klima-Union soll in der Mitte wachsen und nicht von außen reindrücken. Wir wollen Menschen eine Plattform geben, die sich für eine ehrgeizigere Klimapolitik einsetzen und zugleich das Ziel verfolgen, erfolgreiche Industrienation zu bleiben.
Sollte trotz aller aktuellen Probleme die Union einen Regierungsauftrag von der Wählerschaft erhalten – mit welcher Partei können Sie sich eine konsequente Umwelt- und Klimapolitik vorstellen?
Natürlich wünsche ich uns vor allem ein gutes Ergebnis. Und dann sind da sicher die Grünen der Partner, mit dem man reden sollte. Aber auch die FDP ist spannend. Ob es dafür allerdings reichen wird, ist fraglich. Also, wenn Sie mich fragen: Schwarz-Grün.
Das Gespräch führte Anja Maier.