Die Energiekrise, sie kehrt längst getroffene Entscheidungen mit einer nicht für möglich gehaltenen Dynamik um. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung: verliert – trotz Klimakrise – an Tempo, damit weniger Gas für die Stromgewinnung eingesetzt werden muss. Das Ende der Atomkraft: könnte – trotz anhaltender Bedenken bei vielen Grünen – verschoben werden, um durch den zusätzlichen Strom besser über den Winter zu kommen. Ernsthaft nachgedacht wird über einen Streckbetrieb bei den drei noch aktiven AKW bis zum nächsten Sommer. Energiesicherheit hat Vorrang – man versteht es ja. Undenkbares ist denkbar. Kommt der Ausstieg aus dem Ausstieg? Es geht gerade wieder in diese Richtung.
Die erneute Kehrtwende
Wir erinnern uns an die Atomkatastrophe am 11. März 2011 in Fukushima. Drei Tage später verhängte Bundeskanzlerin Angela Merkel ein dreimonatiges Moratorium. In dieser Zeit sollten alle Atomanlagen einer Sicherheitsprüfung unterzogen werden. Es war der Anfang vom Ende der nur ein dreiviertel Jahr zuvor von Union und FDP verkündeten Laufzeitverlängerung für bestehende AKW. Damit kehrte die schwarz-gelbe Koalition zurück zum von der rot-grünen Vorgängerregierung 2001 beschlossenen Atomausstieg. Die erneute Kehrtwende. Politiker können manchmal schnell reagieren, quasi aus dem Bauch heraus.
Kippen jetzt wieder Grundsatzentscheidungen? Hoffentlich nicht, denn am generellen Aus sowohl von Kohleverstromung als auch Atomkraft sollte unbedingt festgehalten werden. Die Energiewende ist trotz Energiekrise so schnell wie möglich umzusetzen. Das Klima spielt schon verrückt genug.
Und dass Atomkraft keine Zukunft hat, ist gesellschaftlicher Konsens. Ja, es gibt eine große Mehrheit für einen Streckbetrieb. Der ist pragmatisch und vor allem auf wenige Monate begrenzt. Danach aber muss Schluss sein. Die mit Atomkraft verbundenen Gefahren zeigt das zwischen die Fronten geratene Kernkraftwerk im ukrainischen Saporitschschja. Wie zynisch: Sechs Reaktorblöcke als Kriegswaffe – käme es zur Kernschmelze, hätte das nicht auszudenkende Folgen.