Das Leben an sich steckt ja schon voller Unwägbarkeiten, das automobile Leben dazu noch voller Unwegsamkeiten. Der Verdacht drängt sich jedenfalls beim Blick auf die Zulassungsstatistiken auf, in denen seit Jahren in unerschütterlicher Beständigkeit die SUV dominieren. Von ganz groß bis hinunter zu ziemlich klein, immer geht es mit den Karosserien höher hinaus, beflügelt von der Idee, dass man ja könnte man, wenn man nur wollte. Etwa ins Gelände.
Nur will – von eher spärlich besetzten Interessengruppen wie Jägern, Förstern oder Waldarbeitern abgesehen – im echten Leben dort eigentlich niemand hin. Weshalb es unter praktischen Gesichtspunkten eigentlich auch ein Kombi, in Deutschland der langjährige Meister aller praktischen Gesichtspunkte, tun würde. Womöglich noch mit Allradantrieb garniert, damit man könnte, sofern man mal müsste. So einer wie der Audi A6 allroad eben.
Er ist ganz sicher nicht die Antwort auf die Frage, weshalb SUV eigentlich eine ziemliche Verschwendung von viel Material, das mit beachtlicher Stirnfläche gegen den Fahrtwind bewegt werden will, sind. Aber als in Maßen hochgesetzter Oberklasse-Transporter reduziert er die Argumentationskette der SUV-Befürworter im Prinzip auf die höhere Sitzposition. Alles andere indes kann er auch; vieles davon sowieso besser als der Q5 und das meiste fast so gut wie der nochmals deutlich mächtigere Q7 aus dem entsprechenden SUV-Angebot der Ingolstädter.
Ein Auto für alle Straßen
Denn das, was der A6 allroad schon im Namen trägt, ist ja das, worauf es ankommt: die Eignung für jede Art von Straße. Das Ganze verpackt er in eine auch nicht eben bescheidene Kombikarosserie von bald fünf Metern Länge, kombiniert es mit einem permanenten Allradantriebssystem und einem großvolumigen Diesel. Dessen sechs Zylinder sind in V-Form konstruiert, weisen in Summe drei Liter Hubraum auf – und geben einmal mehr Grund zu der Klage, dass das Verbrennungsprinzip nach Rudolf Diesel schnurstracks auf dem Weg in die Geschichtsbücher ist. Als 55 TDI begnügt sich das Aggregat bei Audi mit einem einzigen Turbolader und wird nunmehr von einem Riemenstartergenerator unterstützt. Der steuert im Bedarfsfall 60 zu den insgesamt 700 Nm Drehmoment bei – und deren Wirkmacht wissen nicht nur Gespannfahrer zu schätzen.
Vielmehr mildert das System auch jene bestürzende Anfahrschwäche ab, die Audi seit Jahren um die Ohren gehauen wird. Zwar fühlt sich auch der A6 allroad nicht nach 253 kW (344 PS) an, wenn er – etwa beim Einbiegen aus einer Straßeneinmündung in den fließenden Verkehr – fix aus dem Block kommen soll. Aber die ehemalige, überaus ärgerliche Gedenksekunde bis zum Einsetzen des Schubs ist nunmehr eher zum Gedenksekündchen geworden.
So gilt in allen Lebenslagen: Am wohlsten fühlen sich Fahrzeug, Fahrer und Achtgangautomatik ohnehin, wenn die Fuhre rollt. Den theoretischen Sprint auf Tempo 100 innerhalb von wenig mehr als fünf Sekunden? Soll jemand anders ausprobieren. Viel faszinierender ist die Leichtigkeit, mit der der Audi im Bedarfsfall auf der Autobahn an Tempo zulegt. Dann kommt der ansonsten allenfalls sonore V6-Diesel, besonders im Sportmodus, grollend aus dem Schmollwinkel heraus, schießt den A6 vorwärts und begegnet Steigungen, großen wie kleinen, mit bemerkenswerter Ignoranz. War das was? Nö.
Der Vorwärtsdrang nach Art eines begabten Reisewagens wird indes durch den Nachschubbedarf an Leichtöl etwas gebremst. Ja, der Tank fasst beachtliche 73 Liter. Andererseits aber ist auch hier der Durchschnittsverbrauch nach WLTP-Norm eine sehr theoretische Größe. Vom Gedanken an die siebeneinhalb Liter Diesel pro 100 Kilometer sollt man sich jedenfalls leichten Herzens verabschieden – und im Alltagsbetrieb mit knapp unter zehn Litern kalkulieren. Was aber immer noch für eine Reichweite von mehr als 700 Kilometern langt, von der die elektrifizierte Gesellschaft – Stand heute – nur träumen kann.
Auch in Sachen Fahrdynamik muss sich der A6 alter Schule nicht hinter den modernen Batteriedynamikern mit ihren tiefen Schwerpunkten verstecken. Wobei hier Details ins Spiel kommen, die nicht naturgegeben, sondern nur gegen Aufpreis zu haben sind: Unser A6 allroad profitierte von einem Paket aus Allradlenkung (plus 1900 Euro), Sportdifferenzial (1500 Euro) sowie dicken 20-Zöllern (2200 Euro). Was in Summe bedeutete, dass er auch bei engagierter Kurvenhatz mit einer Sturheit der Linie folgte, die eigentlich uns Norddeutschen nachgesagt wird. Was der Audi bei allem Dynamikwillen nicht zu verhindern mag: Unebenheiten gröberer Art schicken gerne auch mal über die Lenkung einen Gruß an die Hände des Fahrers.
Viel Display, viel Touch
Die sind ansonsten mit der Bedienung des A6 gut beschäftigt. Im digitalen Zeitalter will hier nahezu alles ertoucht, getippt und -wischt werden, was nur geht. Und zwar nicht nur über den großen Zentralmonitor, sondern gleich auch noch eine zweite Displayeinheit im Untergeschoss. Im Normalfall ist sie für die Klimatisierung zuständig, übernimmt im Bedarfsfall aber auch die Eingabe des Navigationsziels, wenn nötig auch per Handschrift. Liebe Audi-Leute: Das alles ist technisch extrem ausgefeilt und sieht auch super aus. Aber am Ende lenkt es vor allem ab – weshalb weniger tatsächlich mehr gewesen wäre.
Über Materialien und Verarbeitungsqualität würden wir das niemals sagen wollen; sie sind nach Art des Hauses auf unangefochtenem Spitzenniveau. So und nicht anders will man das in einem Premiumauto haben.
Der Preis für all das allerdings berührt nicht nur die Schmerzgrenze, sondern reißt sie nieder. Dass sich der Testwagen, hochbegabt als geländegängiger Familientransporter und Reisewagen, mit allen Extras hart der 100.000-Euro-Grenze näherte, aber dennoch so etwas wie ein Head-up-Display vermissen ließ? Das gehört wohl auch zu den Unwägbarkeiten des Lebens.