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Autotest Parlez-vous japonais? Der Renault R5 wird zum Nissan Micra

Dieser Kleinwagen hat einen großen Namen: Ab 1982 verkaufte Nissan bei uns den Micra. Nach drei Jahren Pause kommt der Charakterkopf jetzt zurück. Zwar mit Elektroantrieb, aber mit weniger Eigensinn.
10.09.2025, 00:05 Uhr
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Von dpa

Ein Klassiker unter den Kleinwagen feiert sein Comeback. Denn nach drei Jahren Pause bringt Nissan im letzten Quartal wieder einen Micra in den Handel und wechselt dafür ins Akku-Zeitalter.

War das Einstiegsmodell früher allerdings ein eigensinniger Charakterkopf, beugt er sich jetzt angesichts der teuren Elektrifizierung dem Kostendruck und der Konzernhierarchie - und kommt deshalb als Klon des Renault R5 zurück. An dem sollen sich auch die Preise orientieren, heißt es beim Hersteller, sodass mit einem Einstieg bei etwa 28.000 Euro zu rechnen ist.

Verwechslung ausgeschlossen

Dafür gibt es einen handlichen Viertürer von 3,97 Metern Länge, der genauso knackig vorfährt wie sein französischer Cousin. Zwar hat sich der Micra über die Jahre zu sehr verändert, als dass der neue anders als der R5 allzu konkret zurückblicken könnte. Außerdem waren die Abmessungen und die Proportionen bereits vorgegeben. Doch haben die Japaner zumindest so viel Eigensinn bewiesen, neben den Markenlogos auch ein paar Bleche auszutauschen.

Mit runden Tagfahrleuchten um die eckigen Scheinwerfer, eigenen Rücklichtern, neuen Schürzen und Schwellern und eigenständigen 18-Zoll-Rädern ist zumindest außen die Verwechslungsgefahr ausgeschlossen.

Und damit trotz deutlich geringerer Modifikationen im Interieur auch drinnen keiner den Japaner für einen Franzosen hält, prangt etwa auf der Gummimatte in der Mittelkonsole die Silhouette des Fuji. So verfrachten die Designer den Kleinwagen vollends von Frankreich nach Japan.

Nichts auszusetzen am Innenraum

Natürlich hätte dem Micra etwas mehr Eigenständigkeit gut gestanden. Doch nachdem die Renault-Entwickler bei der Ergonomie, beim Infotainment mit digitalen Instrumenten und großem Touchscreen, bei den Assistenzsystemen mit Spurhaltehilfe und Rundum-Kamera sowie bei der Raumaufteilung einen guten Job gemacht haben, kann man faktisch wenig aussetzen am Micra.

Ein Raumwunder ist bei 2,54 Metern Radstand natürlich nicht zu erwarten. Aber vorn kneift und zwickt es nirgends und selbst hinten können es zwei Erwachsene zumindest auf Kurzstrecken bequem aushalten. Und der Kofferraum ist für einen Kleinwagen mit 326 Litern vergleichsweise groß. Erst recht, wenn die Rücksitze umlegt und so 1.106 Liter einladen kann.

Plötzlich ein kleiner Kraftmeier

Was bei der ersten Ausfahrt mit dem Micra aber am meisten überrascht, ist der große Spaß, den der Kleinwagen machen kann. Während solche Stadtflitzer als Verbrenner meist ein bisschen müde wirken und erst unter gehöriger Anstrengung ein gewisses Temperament entwickeln, macht der E-Antrieb dem Bonsai mächtig Beine: Das sofort verfügbare Drehmoment verbessert die Beschleunigung, und der schwere Akku im Wagenboden die Straßenlage.

Früher kaum mehr als ein vernünftiges Transportmittel, wird aus dem Kleinwagen so ganz nebenbei ein Kurvenräuber, der eher in einer Liga mit Mini oder Abarth fährt als mit Kia Piccanto, Hyundai i10 oder Hyundai Toyota Aygo.

Nur an der eher gefühllosen Lenkung dürfen sie dafür gerne noch ein wenig feilen. Wobei der Spaß beim Blick ins Datenblatt auch schnell wieder vorbei ist. Denn so wild und wuselig sich der Micra auch anfühlen mag, braucht er für den Sprint von 0 auf 100 km/h trotzdem 8,0 Sekunden und wird bei 150 km/h wieder eingebremst.

Powerbank mit langer Leitung

Dabei nutzt der Micra – wenig überraschend – die identische Technik wie der R5: Es gibt also zwei Motorvarianten mit 90 kW/122 PS oder 110 kW/150 PS und zwei Akkus, die Kapazitäten von 40 oder 52 kWh haben. Einen kleinen Vorteil haben sich die Japaner allerdings gesichert: Weil ihre Karosserie etwas windschnittiger ist, kommt der Micra mit einer Akku-Ladung ein paar wenige Kilometer weiter als der R5 und schafft 319 oder 419 Kilometer.

Danach wird es wie so oft in dieser Klasse allerdings etwas zäh: Laden kann der Micra selbst mit dem größeren und teureren Akku nur mit maximal 11 und 100 kW. Aber immerhin gehört er zu den wenigen Autos, die ihre Energie auch wieder abgeben können und so zur mobilen Powerbank werden. Und auch eine serienmäßige Wärmepumpe ist in dieser Liga selten Standard.

Fazit: Mit großem Namen und guten Genen

Bis auf ein paar Retuschen an Front und Heck sowie der Silhouette des Mount Fuji etwa in der Mittelkonsole ist zwar nicht mehr viel übrig vom früher mal so charakterstarken Kleinwagen aus Japan. Doch immerhin hat sich Nissan gute Gene gesichert und einen starken Partner gesucht. Der R5 ist bei seinem Debüt schließlich nicht umsonst zum Auto des Jahres gekürt worden.

Und selbst wenn der Nissan keine ganz so lange Geschichte hat wie der Renault, haben genügend Fans auf ein Comeback gewartet – und werden von der sechsten Generation sicher nicht enttäuscht. Datenblatt: Nissan Micra

 

 

 

 

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