Der kleine unscheinbare Ort im Eichsfeld zählt etwas mehr als 1000 Einwohner. Dabei ist Krebeck im Landkreis Göttingen das geografische Zentrum Deutschlands. So steht es jedenfalls auf der Inschrift eines Steines, den die Krebecker aufgestellt haben, um ihren Anspruch auf den Titel zu untermauern. Denn die Mitte ist durchaus umstritten. Neben dem Dorf in Südniedersachsen gibt es noch mindestens sechs weitere Gemeinden, fünf in Thüringen und eine in Hessen, die da liegen wollen, wo sich die Krebecker schon sehen: im Mittelpunkt der Republik.
51°35‘26‘‘ nördliche Breite und 10°06‘22‘‘ östliche Länge: Das sind die Geodaten von Krebeck. „Wir sind der vermessungskundlich korrekt berechnete Mittelpunkt Deutschlands“, sagt Bürgermeister Frank Dittrich, „jedenfalls dann, wenn man die Inseln berücksichtigt.“ Er ist stolz auf den nicht offiziellen Titel, auch wenn er der Gemeinde touristisch bislang nichts gebracht habe. Schließlich hat nicht irgendein Hobby-Geograf Krebeck zum Mittelpunkt des wiedervereinigten Deutschlands gemacht, sondern das Deutsche Geodätische Forschungsinstitut München. Auch das ist auf dem Mittelpunkt-Stein nachzulesen. Zur Einweihung 1991 kam sogar die damalige Präsidentin des Deutschen Bundestages Rita Süssmuth, erzählt Dittrich.
„Es gibt keinen amtlichen Mittelpunkt“, sagt hingegen die Sprecherin des Bundesamtes für Kartografie und Geodäsie in Leipzig, Anja Niederhöfer. Tatsächlich sei die Frage nach dem Mittelpunkt Deutschlands gar nicht so einfach zu beantworten. „Das ist eine Frage der Berechnung.“ Je nachdem, ob man die Höhen und Tiefen einrechne, die vorgelagerten Inseln berücksichtige oder statt des geografischen Schwerpunkts den Schnittpunkt der Nord-Süd-Achse mit der Ost-West-Achse berechne, komme man zu einem anderen Ergebnis. „Da gibt es kein richtig und falsch. Jeder hat auf seine Weise recht“, betont Niederhöfer, ganz so, als wolle sie den Streit um die Mitte Deutschlands schlichten.
Eine Frage der Berechnung
Denn mindestens sieben Gemeinden wähnen sich im Mittelpunkt der Republik: In Thüringen sind dies Flinsberg, Niederdorla, Silberhausen und Landstreit. Zuletzt erhob der Ort Besse in Nordhessen, der zur Gemeinde Edermünde bei Kassel gehört, den Anspruch. Zuvor hatte das Bundesamt eine Berechnung veröffentlicht und machte Bischofroda im thüringischen Wartburgkreis zum Mittelpunkt Deutschlands. Naturgemäß liegen die sieben Titelverteidiger nicht weit voneinander entfernt.
Krebecks Bürgermeister Dittrich nimmt‘s gelassen: „Wir pochen nicht darauf, die alleinige, einzige Mittelpunktgemeinde zu sein.“ Denn es waren nicht die Krebecker selbst, die nach der Wiedervereinigung Nachforschungen über den neuen geografischen Mittelpunkt des vereinten Deutschlands anstellen ließen. Die regionale Bausparkasse hatte einen Wettbewerb ausgelobt, aus dem Krebeck als klarer Gewinner hervorging.
Im Grenzland zwischen Thüringen, Hessen und Niedersachsen zeigen Wegweiser Touristen den Weg zu den verschiedenen Mittelpunkt-Steinen, Mittelpunkt-Tafeln, Mittelpunkt-Bäumen und Mittelpunkt-Gaststätten. Vor allem Fahrradtouristen nutzen die verschiedenen Mittelpunkte als Etappenziel. Für Radsportler bietet sich denn auch die Mittelpunkt-Rundtour an. In Krebeck sieht man hin und wieder Ausflügler, die mit ihrem Smartphone ein Selfie am Mittelpunktstein machen. „Es ist ein beliebtes Ausflugsziel für Einheimische und Touristen“, sagt Dittrich. Tatsächlich aber sei das Eichsfeld eher für seine kulinarischen Spezialitäten bekannt. So wirbt die örtliche Fleischerei mit der original Eichsfelder Stracke. Die herzhafte Mettwurst ist beliebt, nicht nur als würzige Wegzehrung zum Mittelpunkt der Republik.