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Stefan Wintels im Interview "Stabile Seitenlage": Das sagt der KfW-Chef zu Werders Investoren-Deal

Stefan Wintels ist KfW-Chef und bekennender Werder-Fan. Im Interview mit unserer Deichstube spricht Wintels über den jüngsten Investoren-Deal, Proteste in den Kurven und innerfamiliäre Rivalitäten.
08.02.2024, 16:30 Uhr
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Von Malte Bürger

Mit großen Summen kennt sich Stefan Wintels aus, schließlich ist der 57-Jährige Vorstandsvorsitzender der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Doch wenn sich der gebürtige Nordhorner einmal nicht um die Geschicke der deutschen Förderbank kümmert, genießt er seine Liebe zum Fußball: genauer gesagt zum SV Werder Bremen. Im Interview mit unserer Deichstube spricht Wintels über sein Fan-Dasein, Werders jüngsten Investoren-Deal, Proteste in den Kurven und innerfamiliäre Rivalitäten.

Herr Wintels, Ihnen als ehemaliger Investment-Banker muss es doch total skurril vorkommen, wenn jemand eine große Summe Geld investiert, bei diesem Vorhaben aber überhaupt keine Rendite erzielen kann, oder?

(lacht) In der Tat. Man sollte dann immerhin ein paar Fragen stellen, die im Falle von Werder Bremen – und darauf spielen Sie sicherlich an – aber auch gut zu beantworten sind. Ein Investment in einen Fußballverein ist häufig eine Herzenssache und man bringt dann Renditeerwartungen mit einer guten Governance sowie anderen Dingen, vor allem Emotionen und Herzblut, in eine Balance.

Wie bewerten Sie Werders Investoren-Deal? Ist er auch für Sie so außergewöhnlich, wie er für viele Menschen wirkt?

Ja und nein. Nein deshalb, weil die Verantwortlichen schon seit geraumer Zeit dieses Zielbild vor Augen hatten. Und ja, weil es am Ende tatsächlich geklappt hat. Es ging darum, dass Werder zu fairen sowie vertretbaren Konditionen einen strategischen und somit langfristigen Finanzpartner gewinnt, dass dieser aus der Region kommt, die Werte des Vereins teilt und eine Rollenverteilung akzeptiert, bei der der Verein die operative Verantwortung hat. Und wenn ich das Ergebnis an all diesen Zielen messe, dann ist das eine sehr gute Lösung.

Konnte es für Werder letztlich nur solch eine Lösung geben?

Es wird häufig vom Werder-Weg gesprochen, aber es ist auch immer wichtig, dass sich die Verantwortlichen fragen, wohin dieser Weg führen soll. Ich glaube, dass Einigkeit darüber bestand, dass wenn man weiterhin Ambitionen im Profifußball hat, bei den Herren wie auch Damen weiterhin in der Bundesliga spielen und zukunftsfähig bleiben möchte, die Grundlage eine finanzielle Solidität sein muss. Man braucht diese finanziellen Spielräume, um Zukunftsinvestitionen in Beine und Steine zu tätigen.

Sie sollen, so ist zu hören, die gesamte Suche nach Geldgebern und die Realisierung des späteren Konstruktes aktiv begleitet haben. Wie genau lief dieser Prozess ab?

Ich habe keine formale Rolle gehabt, sondern stehe zur Verfügung, wenn die Verantwortlichen vielleicht mal einen Ratschlag haben möchten. Das habe ich in der Vergangenheit immer mal wieder gern getan. Ich bin da also völlig unabhängig – außer, dass ich auch Mitglied im Verein bin.

Sind Sie denn um Rat gebeten worden?

(schmunzelt) Wenn ich um Rat gebeten werde, dann tue ich das immer vertraulich.

Sie sind selbst Werder-Fan. War das jetzige Investoren-Thema ein Stückweit auch eine Herzensangelegenheit für Sie?

Ja, denn ich identifiziere mich sehr mit Werder und den Werten des Vereins. Als Fan und Mitglied habe ich mir eine Lösung wie diese gewünscht. Gleichwohl müssen wir zur Kenntnis nehmen – und als Fußball-Romantiker wird das gern verdrängt –, dass der Profifußball auch ein Business wie jedes andere ist. Und dabei gibt es nicht den einen Weg, sondern wir haben in der Bundesliga verschiedene Modelle. Es gibt eine breite Palette von Lösungen, die Vereine wählen, um sich finanzielle Spielräume zu erarbeiten. Werder hat aus meiner Sicht jetzt einen weiteren Weg aufgezeigt, der obendrein sehr gut zum Verein, der Stadt und den Fans passt.

Taugt dieses Modell als Blaupause für andere Clubs?

Ich kann mir das durchaus vorstellen. Es gibt viele wertebasierte Traditionsvereine in Deutschland. Mir fällt da die Eintracht aus Frankfurt ein, die ebenfalls schon eine regionale Lösung gefunden hat und sehr werteorientiert in der Öffentlichkeit auftritt.

Müssen diese klassischen Traditionsvereine sogar zwingend die Region mit ins Boot holen, um perspektivisch wegen anderer Modelle in der Liga wirtschaftlich überleben zu können?

Es gibt definitiv nicht die eine Lösung. Ähnlich wie bei einem Unternehmen muss man sich immer fragen, wer die Stakeholder sind. In einem Fußballverein sind das zweifelsfrei die Mitglieder, die Fans und die Stadt beziehungsweise Region. Wenn man nachhaltig stabile Lösungen anstrebt, die aber auch ambitioniert sein sollten, dann ist man gut beraten, diese wichtigen Stakeholder-Gruppen mit an Bord zu holen, aber auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen.

Wo Sie die Fans besprechen: Nun spielen im Fußball auch immer Emotionen eine große Rolle. Wie sehr darf man diese ausblenden? Oder muss man es sogar tun, wenn über das liebe Geld gesprochen wird?

Ich würde Emotionen in der Entscheidungsfindung zulassen und in der Definition des Weges, den man geht. Bei der endgültigen Entscheidung sollte man diese Dinge aber ausblenden und ganz nüchtern auf die Fakten schauen. Bei wirtschaftlichen Entscheidungen dieser Tragweite sind Emotionen kein guter Ratgeber. Und auch das ist den Verantwortlichen bei Werder in meinen Augen sehr gut gelungen.

Viele Fans wehren sich aktuell gegen einen Investoren-Einstieg bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Halten Sie es für realistisch, dass sich in gewisser Hinsicht auch die Anhänger von den Emotionen entfernen und es den handelnden Personen überlassen, einen Weg zu finden, der allen gefällt?

Ich bin sehr weit von der DFL entfernt, weshalb es schwierig ist, gewisse Dinge zu beurteilen. Ich nehme natürlich die Proteste in den Stadien wahr, aber auch da gehört es zur Wahrheit dazu, dass viele der Fans auch eine international wettbewerbsfähige Bundesliga möchten. Damit wir den Anschluss an die Top-Ligen aus England, Spanien oder auch Italien künftig nicht verlieren, muss genau geschaut werden, wie finanzielle Mittel mobilisiert werden können. Die Fan-Proteste sind deutlich und laut – deshalb ist es sehr wichtig, dass man auch da genauestens zuhört und über den richtigen Weg streitet. Aber am Ende auch entscheidet.

Ist die Diskrepanz zum englischen Fußball überhaupt aufzuholen?

Wir gehen in Deutschland unseren eigenen Weg. Ich als Fußball-Fan und Privatperson identifiziere mich sehr mit der 50+1-Regel und den deutschen Besonderheiten. Insofern wird unter rein kommerziellen Aspekten das strukturelle Defizit bleiben. Damit kann ich persönlich auch gut leben. Wir sollten uns trotzdem die Frage stellen, wie wir die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga und des deutschen Fußballs allgemein langfristig sicherstellen können.

Kommen wir noch etwas mehr zur Privatperson Stefan Wintels: Wie groß waren Ihre Sorgen um Werder, als der Verein die Folgen des Abstiegs und der Pandemie wirtschaftlich immer mehr zu spüren bekommen hat?

Die Pandemie war für alle Wirtschaftsunternehmen eine besondere Erfahrung und für viele Wirtschaftszweige auch eine existenzielle Situation. Werders zusätzlicher Abstieg war eine tiefe Zäsur, die allerdings für einen Neuanfang genutzt wurde. Man kann da allen Verantwortlichen wirklich nur Respekt zollen und gratulieren, denn es ist absolut nicht selbstverständlich, in solch einer Situation Verantwortung zu übernehmen und den gewählten Weg erfolgreich zu gehen. Anderen Traditionsvereinen ist es nicht so gut ergangen. Der sofortige Wiederaufstieg war für Werder extrem wichtig. Jetzt hat man wieder eine stabile Seitenlage, die das Ergebnis einer selbstkritischen Bestandsaufnahme und anschließender Umsetzung ist.

Die KfW, deren Chef Sie sind, hat Ihren Sitz in Frankfurt. Wie schwer ist das Leben im Banken-Kosmos als Werder-Fan?

Ich habe mich hier immer sehr wohlgefühlt. Werder genießt über Bremen hinaus sehr viele Sympathien und viele Menschen, die ich kenne, bezeichnen Werder als ihren Zweitverein. Das geht mir ganz ähnlich mit Eintracht Frankfurt, und ich finde, dass man das im Fußball auch zulassen darf. So wie ich es auch in meiner Familie zulasse. (lacht)

Das heißt, dass bei Ihnen am Frühstückstisch stets rege diskutiert wird, wer besser ist?

Es gibt einen gesunden Wettbewerb, aber Sympathien für beide Vereine. Problematisch wird es nur, wenn beide Clubs gegeneinander spielen. Nach all den Erfahrungen und Tränen bei den Spielen in den letzten zehn Jahren verständigen wir uns in der Regel auf ein attraktives Spiel mit einem verdienten Unentschieden.

Was war denn dann im Mai 2016 bei Ihnen im Hause los, als Werder sein legendäres Abstiegsfinale erlebte, gegen Frankfurt gewann und die Eintracht in die Relegation musste?

(schmunzelt) Das behalte ich lieber für mich. Die Freude überwog bei mir natürlich – insbesondere aber auch deshalb, weil sich die Eintracht später gegen Nürnberg in der Relegation durchgesetzt hat. Im Nachhinein war das der Beginn einer Ära, insofern war diese Scheintoderfahrung sehr wichtig für die Eintracht, um den beeindruckenden Weg der Folgejahre zu gehen.

Sie stammen aus Nordhorn, wo es einige Fußball-Bundesligisten in nicht allzu weiter Entfernung gibt. Wie haben Sie Ihre Liebe zum SV Werder entdeckt?

Zunächst gab es für mich vor allem einen anderen Traditionsverein, nämlich Eintracht Nordhorn, wo ich auch selbst gespielt habe. Aber Nordhorn liegt nun einmal zwischen Bremen und dem Ruhrgebiet – und irgendwann muss man sich dann für eine Richtung entscheiden. Bei mir ist das Pendel zu Werder vor allem während meiner Bundeswehr-Zeit in Achim und Oldenburg ausgeschlagen.

Wie oft sind Sie in Bremen? Finden Sie überhaupt Zeit, um mal im Weserstadion vorbeizuschauen?

Ich hoffe zu Beginn jeder Saison, dass ich zwei, drei Heimspiele sehen kann. Ebenso wie zwei Auswärtsspiele. Darüber hinaus haben wir Dauerkarten bei der Eintracht, die in der Familie herumgehen. Sie sehen also, dass der Fußball wirklich eine große Rolle im Hause Wintels spielt.

Passend zu Werders 125. Geburtstag noch ein kurzer Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie Werder in zehn Jahren?

Eine Prognose über zehn Jahre traue ich mir nicht zu. Aber ich wünsche mir, dass sich der Verein nachhaltig in der Bundesliga etabliert, in seinen Grundfesten Werder bleibt und immer mal wieder an die europäische Tür klopft. Die Sehnsucht, wieder Europapokalnächte in Bremen erleben zu dürfen, ist, glaube ich, schon sehr ausgeprägt. Das hätten die Stadt, der Verein und die Fans auch einfach verdient.

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