Eine Saison, die mit kleinen Fortschritten begann und mit großen Rückschritten endete, brachte den zweiten Bundesliga-Abstieg der Vereinsgeschichte. Wir blicken zurück auf den Saisonverlauf des SV Werder Bremen.
Hoffnung, Rückschläge und dann der Abstieg So lief die Saison 2020/21 für Werder
Vieles sollte besser werden nach dem Fast-Abstieg, doch daraus wurde nichts. Werder Bremen stieg zum zweiten Mal nach 1981 aus der Bundesliga ab. Wie konnte es so weit kommen? Der Saisonverlauf im Überblick.
Bevor der Blick auf die neue Spielzeit gerichtet wird, muss erst einmal die abgelaufene Katastrophen-Saison aufgearbeitet werden. Werder bittet im Juli 2020 zur Pressekonferenz mit der gesamten Führungsriege und verkündet, dass es an der Spitze keine personellen Veränderungen gibt. Sportchef Frank Baumann betont: "Was wir versprechen können, ist, dass wir viel aus dieser Saison gelernt haben und alles für diesen Verein tun werden."

Vor dem ersten Bundesliga-Spiel der Saison formuliert Florian Kohfeldt das Bremer Saisonziel: "Wir standen für zielgerichteten, dominanten Ballbesitzfußball und konnten dadurch einige Spieler für uns begeistern. Ein halbes Jahr lang haben wir diesen Fußball verloren, jetzt wollen wir ihn wiederfinden.“ Zum Auftakt gegen Hertha BSC - vor rund 8500 Zuschauern im Weserstadion - ist von begeisterndem Werder-Fußball allerdings gar nichts zu sehen. Die Bremer gehen mit 1:4 unter, und viele Fans fragen sich: "Geht die ganze Misere von vorne los?"

Nach dem verpatzten Auftakt gegen Hertha kriegt Werder erst einmal die Kurve und schlägt Schalke (3:1) sowie Bielefeld (1:0). Der Bremer Fußball ist nicht schön, aber zweckmäßig. Die Partie gegen die Arminia ist zugleich das Abschiedsspiel von Davy Klaassen. Werder braucht dringend Geld in der leeren Kasse und verkauft seinen Vize-Kapitän für eine fixe Ablöse von elf Millionen Euro plus Bonuszahlungen an Ajax Amsterdam. Das Werder-Mittelfeld war ohnehin schon eine Baustelle, mit Klaassen verabschiedet sich nun auch noch der Bauleiter.

Mit vier Toren aus den ersten fünf Ligaspielen ist Niclas Füllkrug Werders Toptorjäger, doch dann trifft den Stürmer wieder einmal das Verletzungspech. Beim 1:1 gegen Hoffenheim muss er Ende Oktober 2020 mit einer Wadenverletzung ausgewechselt werden. Wegen eines Kreuzbandrisses hatte Füllkrug schon den Großteil der vorherigen Saison verpasst, dieses Mal soll er aber nicht allzu lange ausfallen, heißt es anfangs. Letztlich fehlt Füllkrug doch mehr als zwei Monate lang, spielt dann kurzzeitig wieder, muss erneut wegen einer Sprunggelenksverletzung pausieren, spielt wieder, erleidet einen Zehenbruch und ist erst seit Kurzem wieder einsatzbereit.

22 Pflichtspiel-Niederlagen in Folge kassierte Werder gegen den FC Bayern, doch nun schaffen es die Bremer endlich mal wieder, gegen den Rekordmeister nicht zu verlieren. Mit einer starken Leistung erkämpfen sie sich dank eines Treffers von Maximilian Eggestein ein 1:1 in München. Es ist Werders fünftes 1:1 in Serie, das schaffte in der Bundesliga-Historie sonst nur Leverkusen. Durch das fleißige Punktesammeln steht Werder auf Platz neun und ist erst einmal zufrieden. Florian Kohfeldt hält nach dem Remis bei den Bayern fest: "Wenn wir den Weg weiter gehen, werden wir eine sehr stabile Saison spielen, auch wenn wir mal einen Rückschlag erleiden.“

Mitte Dezember verliert Werder mit 0:2 in Leipzig. Das kommt nicht überraschend. Gegen die beste Abwehr der Bundesliga wird aber überdeutlich, woran es bei Werder mangelt: an einem kreativen, planvollen Offensivspiel. Immer wieder prallen die Bremer Angreifer an der Leipziger Defensive einfach ab. Das Herausspielen von Torchancen sei "halt die Königsdisziplin im Fußball, dafür werden wir noch etwas Zeit brauchen", räumt Kohfeldt nach der Partie ein, verspricht aber: "Diese Mannschaft wird sich entwickeln."

Die von Kohfeldt prognostizierten Rückschläge kommen prompt. Auf das Remis gegen die Bayern folgen vier Niederlagen in Serie gegen die Topteams Wolfsburg, Leipzig und Dortmund sowie den Aufsteiger Stuttgart. Die Bremer rutschen in der Tabelle auf den 14. Platz ab, der Relegationsrang ist nur noch vier Punkte entfernt. Sportchef Frank Baumann sagt: "Natürlich war bei vielen die Hoffnung nach dem guten Saisonstart da, dass wir eine deutlich stabilere Saison spielen. Aber die Leistungen sind trotz aller Probleme, die wir verbessern müssen, stabiler als zu diesem Zeitpunkt der vergangenen Saison."

Im letzten Ligaspiel des Jahres 2020 muss Werder nach neun sieglosen Partien in Folge endlich mal wieder punkten, um ruhige Weihnachten feiern zu können. Youngster Eren Dinkci köpft die Bremer zum erlösenden 1:0-Erfolg in Mainz. Vier Tage später zieht Werder durch einen souveränen 3:0-Sieg gegen den Zweitligisten Hannover ins DFB-Pokal-Achtelfinale ein und kann ohne große Sorgen in die kurze Winterpause gehen.

Der Start ins Jahr 2021 verläuft für Werder ernüchternd: Vor der Partie gegen Union Berlin wähnten sich die Bremer auf Augenhöhe mit dem Gegner, doch bei der 0:2-Niederlage sind sie weitestgehend chancenlos. Kohfeldt beschreibt seinen Gemütszustand nach dem Spiel als "bocksauer" und stellt sich, anders als sonst, nicht vor die Mannschaft: "Wir haben zum ersten Mal seit dem Hertha-Spiel am ersten Spieltag eine Leistung abgeliefert, mit der wir nicht im Ansatz eine Chance hatten, ein Bundesligaspiel zu gewinnen. Und das geht nicht."

Nach dem Dämpfer gegen Union Berlin fängt sich Werder. Von den folgenden sieben Spielen geht nur eines verloren. Die Bremer spielen nicht attraktiv, aber punkten zuverlässig. Nach dem 2:0 im Nachholspiel in Bielefeld am 10. März (Tore: Josh Sargent und Kevin Möhwald) scheint der Klassenerhalt zum Greifen nahe. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt elf Punkte. "Es ist noch nicht vorbei, wir brauchen schon noch Punkte für den Klassenerhalt", betont Kohfeldt, um dann auch ein neues Ziel zu formulieren: "Jetzt geht es darum, in der nächsten Zeit besseren Fußball zu spielen."

Zwischenzeitliche Rückschläge muss man bei Werder immer einkalkulieren, das zeigt sich im gesamten Verlauf der Saison. Im Februar kassieren die Bremer beim direkten Konkurrenten Hoffenheim eine unerwartet deutliche 0:4-Klatsche. „Wir haben einfach gesehen, wo wir stehen, wenn wir nicht in allen Belangen ans Limit kommen. Das war eine realistische Einordnung unserer Leistungsfähigkeit“, lautet Kohfeldts Bilanz

Werder schlägt Frankfurt überraschend mit 2:1 und steht danach in Köln kurz vor dem Sieg. In der Schlussphase schafft der FC durch Jonas Hector noch den 1:1-Ausgleich. Die Bremer beschweren sich, dass ihr Torwart Jiri Pavlenka im Vorfeld beim Luftduell mit Emmanuel Dennis gefoult worden sei, doch der Treffer zählt. Werder steht tabellarisch immer noch gut da und hat weiterhin elf Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz.

Die 1:3-Niederlage gegen den übermächtigen FC Bayern nehmen sie bei Werder relativ gelassen. "Wir haben es probiert, und diesen Weg müssen wir gehen", sagt Florian Kohfeldt nach dem Abpfiff. In der Tabelle sind es scheinbar beruhigende neun Punkte bis zum Relegationsplatz. Was zu diesem Zeitpunkt keiner ahnt: Die durchaus einkalkulierte Niederlage gegen die Bayern Mitte März ist nur der Anfang einer Niederlagenserie, die Werder brutal zurück in den Abstiegskampf reißt.

Yuya Osako hat gut lachen. Der oft kritisierte Offensivspieler schießt Werder Anfang April zum 1:0-Sieg beim Zweitligisten Jahn Regensburg und damit ins finanziell lukrative DFB-Pokal-Halbfinale. Die Bremer treffen dort am 30. April (20.30 Uhr) auf den Favoriten RB Leipzig und dürfen ganz vorsichtig vom Finale in Berlin träumen. Die Niederlagenserie in der Liga tritt kurzzeitig in den Hintergrund.

Der Absturz in der Bundesliga nimmt nun sogar historische Ausmaße an. Werder verliert mit 1:3 bei Union Berlin, kassiert die siebte Niederlage in Serie und stellt einen negativen Vereinsrekord auf. Die Mannschaft wirkt vollkommen verunsichert. „Ich bin für diese Leistung verantwortlich", sagt Kohfeldt, der einen Rücktritt jedoch ausschließt.

Werder wollte eine Saison ohne Abstiegssorgen spielen. Zwischenzeitlich sah es sogar danach aus, doch nun ist klar: Die Sorgen sind groß, mindestens so groß wie in der katastrophalen Vorsaison. Nur einen Punkt Vorsprung hat Werder noch auf den Relegationsplatz, und die Mannschaft macht nicht den Eindruck, als könnte sie in den verbleibenden drei Ligapartien viele Zähler holen. Nach der Niederlage gegen Union Berlin sagt Frank Baumann erstmals öffentlich, dass Trainer Kohfeldt zumindest zur Diskussion stehe. Aufsichtsrat und Geschäftsführung sprechen mit und über den Chefcoach. Am Ende steht die Entscheidung, dass es erst einmal mit Kohfeldt weitergeht. Sportchef Baumann: "Es ging uns um die größte Wahrscheinlichkeit, mit wem wir die Klasse halten können. Das war unser Anker."

Werder bietet RB Leipzig im Pokal-Halbfinale einen großen Kampf und verliert erst durch ein Gegentor in der Nachspielzeit der Verlängerung unglücklich mit 1:2. Nach dieser Leistung bleibt Florian Kohfeldt Werder-Trainer. Die Mannschaft habe die geforderte Reaktion gezeigt, sagt Sportchef Frank Baumann.

Im Bundesliga-Heimspiel gegen Leverkusen kämpft Werder erneut vorbildlich und verteidigt kompakt. Der starke Torwart Jiri Pavlenka bleibt ohne Gegentor, und die Partie endet 0:0. Was der eine Punkt im Abstiegskampf wert ist, wird sich noch zeigen. Immerhin endet die Serie von sieben Niederlagen in Folge.

Im Keller-Duell gegen den FC Augsburg am 33. Spieltag spielt Werder lange in Überzahl, bleibt aber einmal mehr in der Offensive erschreckend harmlos.

Weil Christian Groß mit Gelb-Rot vom Platz fliegt und Augsburg danach mutiger spielt, steht am Ende eine 0:2-Niederlage. Damit belegt Werder vor dem letzten Spieltag der Saison den Relegationsplatz.

Nach dem 0:2 in Augsburg stellt Werder doch noch Florian Kohfeldt frei. Thomas Schaaf übernimmt als Interimstrainer für den Rest der Saison die Verantwortung.

Thomas Schaaf bei seiner Ankunft in Werders Quarantäne-Trainingslager in Barsinghausen.

Schaaf soll Werder auf das entscheidende Spiel gegen Gladbach vorbereiten und auch über eine mögliche Relegation den Klassenerhalt sichern.

Gegen Borussia Mönchengladbach ist Werder am letzten Spieltag von Anfang an chancenlos. Die Bremer geraten mit 0:4 in Rückstand, erst in der Schlussphase betreiben sie Ergebniskosmetik. Die 2:4-Niederlage bedeutet für Werder letztlich den Abstieg, weil Köln parallel mit 1:0 gegen Schalke gewinnt.

Rund ums Weserstadion erleben Tausende Fans den Abstieg mit. Sie sind traurig, enttäuscht und teilweise wütend. Ein Teil von ihnen findet sich nach dem Abpfiff an Tor 1 des Stadions ein und fordert lautstark: "Vorstand raus".