Herr von Salzen, Sie sind in Lilienthal aufgewachsen und haben Ihre Karriere bei Coca-Cola im Werk Bremen in Hemelingen begonnen, das 2016 geschlossen wurde. Wie sehen Sie diese Entscheidung rückblickend?
In dem Werk habe ich tatsächlich im Oktober 2005 als Trainee begonnen, und im August 2016 – das weiß ich natürlich auch noch ganz genau – haben wir es geschlossen. Die Entscheidung hatte damals damit zu tun, wettbewerbsfähig zu bleiben, unsere Logistik und Produktion effizienter zu gestalten. 320 Mitarbeitende waren davon betroffen, davon sind heute noch knapp 80 bei uns beschäftigt, an unserem Logistikstandort Achim und im Außendienst.
Der Investor, der das Grundstück entwickeln sollte, ist gerade pleite gegangen, das ehemalige Werksgelände immer noch eine Brache. Verfolgen Sie die Entwicklung noch aus der Ferne?
Klar, natürlich bleibe ich als "Lokalpatriot" – meine Eltern leben noch in Lilienthal – an den Ereignissen interessiert. Wir haben die Liegenschaft im Oktober 2019 verkauft und ich finde es schade, dass das Gelände noch nicht weiterentwickelt wurde.
Coca-Cola ist eine Weltmarke, an der sich die Geister scheiden – für manche ein unverzichtbares Lifestyle-Produkt, für andere ungesundes Zuckerwasser. Was macht für Sie den Reiz der Marke aus?
Ich bin jetzt seit etwas über 18 Jahren bei Coca-Cola – daran kann man sehen, dass ich ein totaler Fan der Marke bin. Ich spüre das jetzt gerade wieder, wo die Fußball-Europameisterschaft vor der Tür steht: Wir sind dort Werbepartner. Solch ein Event ist für mich Lebensfreude, man erlebt gemeinsame Momente – und das strahlt diese Marke aus.
Der Trend geht bei Lebensmitteln in Richtung gesunde Ernährung – mehr Bio, mehr regionale Produkte. Wie passt da ein Getränk rein, das in einer 0,33-Liter-Dose 35 Gramm Zucker enthält – zwölf Würfel?
Wir sehen auch den Trend in Richtung zuckerfrei oder zumindest zuckerreduziert. Und das ist auch gut so. 32 Prozent unseres Geschäftes machen bereits kalorienreduzierte oder kalorienfreie Getränke aus – etwa jede dritte verkaufte Coke ist eine Coke Zero oder Coke light. Und diesen Anteil wollen wir ausbauen, Richtung 50 Prozent. Wir finden es aber auch wichtig, den Konsumenten nicht zu bevormunden. Am Ende entscheidet immer der Geschmack.
Wenn die Wahlfreiheit der Verbraucher aber zu Schäden führt, die die Allgemeinheit über das Gesundheitssystem mittragen muss – haben Sie als Hersteller da nicht auch eine Verantwortung?
Als größtes Getränkeunternehmen in Deutschland sehen wir uns da in der Verantwortung, ja. Deshalb stellen wir zum Beispiel im Marketing zur Uefa Euro 2024 Coke Zero in den Mittelpunkt. Auch Aufklärung ist uns wichtig: Auf all unseren Produkten finden Sie die notwendigen Angaben zu den Inhaltsstoffen und Nährwerten. Auf der anderen Seite kommt es im Leben immer auf die richtige Balance an, meine ich: Bewegung, Sport, Ernährung – das gehört für mich alles zusammen.

Der gebürtige Lilienthaler Florian von Salzen ist seit dem 1. Januar 2023 Geschäftsführer Commercial bei Coca-Cola Europacific Partners Deutschland (CCEP DE).
Coca-Cola hat im vergangenen Jahr kaum mehr Getränke in Europa verkauft als im Jahr zuvor, aber bei Umsatz und Gewinn trotzdem ordentlich zulegen können – operativer Gewinn: plus 14 Prozent. Heißt das: Die Verbraucher zahlen jetzt deutlich mehr für Cola, Fanta und Sprite?
In Deutschland haben wir im vergangenen Jahr mehr Getränke verkauft – über vier Milliarden Liter waren es insgesamt – und auch unseren Umsatz um 12,5 Prozent gesteigert. Das ist ein sehr gutes Ergebnis, auf das wir stolz sind. Und ja, das hat auch mit Preiserhöhungen zu tun, die wir in den letzten Jahren vorgenommen haben, das stimmt. Die Inflation ist auch in unserem Unternehmen angekommen; die erhöhten Kosten haben wir in Teilen weitergegeben, nicht eins zu eins. Wir benötigen diese Steigerungen auch, um weiter in unsere Marken und unsere Standorte investieren zu können. Dieses Jahr planen wir Investitionen von 170 Millionen Euro, unter anderem in eine neue Glasmehrweganlage in Lüneburg.
Sie haben sich heftige Auseinandersetzungen mit dem Handel geliefert: Die Preisverhandlungen werden generell härter, hat man den Eindruck: Auf einmal fehlen bekannte Markenartikel in den Regalen; bei Ihnen ging der Streit mit Edeka bis vors Gericht. Woran liegt das?
Die leeren Regale fallen natürlich auf – aber wir befördern das nicht. Uns ist eine permanente Verfügbarkeit unserer Produkte am liebsten. Die Preiserhöhungen, die wir vornehmen mussten, lagen unterhalb der Inflationsrate bei Nahrungsmitteln.
Der Handel, vor allem die Discounter, setzen Ihrem Markenprodukt eigene Handelsmarken entgegen – Aldi die River Cola, Lidl die Freeway Cola. Die Dose kostet 39 Cent, Ihre daneben 95 Cent. Was ist an Ihrem Produkt besser als an dem von Lidl?
Auch viele Handelsmarken haben eine gute Qualität, da wollen wir gar nicht gegen an argumentieren. Aber unsere Marke bringt Menschen in den Markt, sorgt für Top-Umsätze und Marge beim Händler. Coke-Shopper haben beispielsweise überdurchschnittlich viele andere Artikel auf dem Bon – wer unsere Getränke kauft, sorgt also für zusätzlichen Umsatz beim Händler.
Aber ärgert es Sie nicht, wenn da ein fast gleich aussehendes Produkt – gleiche Farbe, ähnlicher Schriftzug – neben Ihrem steht und nicht einmal die Hälfte kostet?
Wenn es zu ähnlich wird, ist das zu besprechen; da sind wir sehr aufmerksam und versuchen das partnerschaftlich zu klären. Nach den Zahlen der Marktforscher gewinnen wir Marktanteile, die Handelsmarken nicht.
Das Bundeskartellamt hat ein Missbrauchsverfahren gegen Coca-Cola eingeleitet. Sie sollen Ihre marktbeherrschende Stellung dafür missbraucht haben, durch Rabatte auf ihre gesamte Produktpalette andere Hersteller im Handel aus den Regalen zu verdrängen. Was sagen Sie dazu?
Wir kooperieren da vollumfänglich mit der Behörde und beantworten alle Fragen. Wir sind der Auffassung, dass wir bereits sehr lange ein bewährtes Konzept für Preise und Konditionen etabliert haben, zu dem es keine Beanstandungen gegeben hat. Weiter kann ich das nicht kommentieren, weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt.
Kratzt so ein Verfahren am guten Image, das Sie als Markenartikler brauchen?
Wir gehen in den Gesprächen mit unseren Partnern und Kunden da sehr offen mit um und haben nicht das Gefühl, dass das zu einem Imageschaden geführt hat.
Sprechen wir noch kurz über das Thema Mehrwegverpackungen: Die Glasflasche ist wieder da – mittlerweile in mehreren Größen und für mehrere Ihrer Produkte. In den 1990er Jahren hatten die leichteren PET-Flaschen das Glas fast vom Markt verdrängt, jetzt die Kehrtwende. Warum?
Wir hatten immer unsere "Ikone", die 0,2-Liter-Glasflasche, auch 0,33-Liter gab es immer in Glas – aber die 1-Liter-Glasflasche, die ist seit einiger Zeit wieder im Handel. Unser Mehrweganteil liegt bei über einem Drittel – und damit deutlich über dem Durchschnitt für alkoholfreie Erfrischungsgetränke. Wir beobachten, dass Glas bei den Shoppern wieder an Zuspruch gewinnt: Man schafft sich sozusagen sein "Gastronomie-Erlebnis" zu Hause, mit Freunden und gutem Essen.
Das macht die Sache für Sie aber komplizierter: Mehr unterschiedliche Verpackungen – Glas, Dose, PET – in unterschiedlichen Größen und Formen bedeuten mehr Aufwand, oder?
Das stimmt. Wir haben 14 Produktionsstandorte in Deutschland und können sowohl Mehrweg- und als auch Einwegverpackungen befüllen. Aber Komplexität muss man managen: Wir haben deshalb zum Beispiel die Form der 1-Liter-PET-Flasche für unsere verschiedenen Marken vereinheitlicht, auch die neuen 1-Liter-Glasflaschen haben eine einheitliche Form, um den Aufwand zu reduzieren – auch beim Sortieren.
Und zum Schluss verraten Sie uns noch das geheime und angeblich nie veränderte Originalrezept der Coca-Cola. Was ist denn nun drin?
Die geheime Formel ist für mich auch nach 18 Jahren im Unternehmen genauso geheim wie für Sie und Ihre Leser und Leserinnen. Und ich habe das Gefühl, dass das auch so bleiben wird.
Das Gespräch führte Christoph Barth.