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Bürgerschaft verankert Neuregelung in Landesverfassung Privatisierung nur mit Volksentscheid

Bremen. Die Bürgerschaft hat am Donnerstag die Landesverfassung mehrfach verändert. Unstrittig war, dass es der Bevölkerung erleichtert werden soll, mit einem Bürgerantrag für eine parlamentarische Debatte zu sorgen.
30.08.2013, 00:00 Uhr
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Privatisierung nur mit Volksentscheid
Von Wigbert Gerling

Bremen. Die Bürgerschaft hat am Donnerstag die Landesverfassung mehrfach verändert. Unstrittig war, dass es der Bevölkerung erleichtert werden soll, mit einem Bürgerantrag für eine parlamentarische Debatte zu sorgen. Unterschiedliche Ansichten gab es zur Frage, ob der Verkauf von wichtigen öffentlichen Unternehmen an einen Volksentscheid gekoppelt werden soll. SPD, Grüne und Linke sorgten schließlich für die nötige Zweidrittel-Mehrheit, um diese Privatisierungsbremse im bremischen „Grundgesetz“ zu verankern.

Nach langer Debatte, in der es im Vorfeld unterschiedliche Tendenzen im rot-grünen Regierungsbündnis gegeben hatte, wurde gestern in der Bürgerschaft mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken die Privatisierungsbremse in der Landesverfassung verankert. Demnach dürfen wichtige Unternehmen, bei denen Bremen „einen beherrschenden Einfluss“ hat, nur verkauft werden, wenn dazu auch das Votum der Bevölkerung eingeholt und eine Mehrheit dafür ist. Konkret betrifft dies in der Stadtgemeinde Bremen die Wohnungsbaugesellschaft Gewoba, den Klinikverbund Gesundheit Nord, die Bremer Straßenbahn AG, die Brepark, die BLG Logistics Group AG, Bremenports und die Theater Bremen GmbH. Für das Bundesland Bremen gilt dies für den Flughafen und die Fischereihafen-Betriebsgesellschaft.

SPD und Grünen waren zunächst unterschiedlicher Ansicht darüber, ob in allen Fällen verpflichtend ein Volksentscheid nötig sein soll. Nun ist es so geregelt, dass die Bevölkerung zwingend gefragt werden muss, wenn in der Bürgerschaft über einen Verkauf abgestimmt wird und keine Zweidrittelmehrheit für den Plan erreicht wird. Gibt es diese Mehrheit, können gleichwohl 20 Abgeordnete den Volksentscheid erzwingen. Den selben Effekt soll es haben, wenn sich ein Fünftel der gut 480000 stimmberechtigten Bremerinnen und Bremer zusammenfindet.

Mit Änderungen der Landesverfassung befasst sich, unterstützt auch von Beiträgen externer Fachleute, seit Langem ein Bürgerschaftsausschuss. Der Vorsitzende, SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe, berichtete gestern den neuen Sachstand, der Verfassungsrang bekommt: Demnach ist es künftig einfacher, mit einem Bürgerantrag dafür zu sorgen, dass sich das Parlament mit einem Thema befassen und darüber abstimmen muss. Bisher lautet die Anforderung: zwei Prozent der Einwohner im Alter von über 16 Jahren müssen einen solchen Antrag unterstützen. Dies entsprach etwa 10000 Unterschriften. Diese Schwelle wurde gestern deutlich niedriger gesetzt – künftig reiche, so Tschöpe, die Unterstützung von 5000 Einwohnern im Alter über 16 Jahren. Und um die Möglichkeit, Einfluss auf die Bürgerschaftsthemen zu nehmen, noch zu verbessern, könne, wie es in der Landesverfassung nun heißt, „die Schriftform der Unterschriften durch die elektronische Form ersetzt werden“.

Erste Rednerin in der folgenden Debatte war Marie Hoppe, Abgeordnete der Grünen. Sie richtete einen Appell an die Bevölkerung: „Wir erleichtern die direkte Demokratie in Bremen und ändern die Spielregeln zu Ihren Gunsten.“ Die Chancen seien gestiegen, sich direkt an demokratischen Prozessen zu beteiligen.

Thomas Röwekamp (CDU) betonte, seine Fraktion sei dafür, mehr Möglichkeiten zur politischen Beteiligung der Bevölkerung zu schaffen. Die Privatisierungsbremse allerdings lehne die CDU. Sein Rat: Die Bürgerschaft sollte einmal von sich aus einen Volksentscheid auf den Weg bringen, um ein Beispiel für direkte Demokratie zu liefern. Das Thema Privatisierungsbremse wäre eine Möglichkeit gewesen.

Kristina Vogt von den Linken erinnerte daran, dass im Bundesgebiet schlechte Erfahrungen gesammelt worden seien, nachdem Kommunen Wohnungseigentum an Private verkauft hätten. Der sozialdemokratische Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte, der die Diskussion über den Umgang mit öffentlichem Eigentum maßgeblich angeregt hatte, gab gestern nach dem Parlamentsbeschluss eine Erklärung ab: „Die Privatisierungsbremse stellt sicher, dass alle Familienmitglieder befragt werden, bevor das Tafelsilber verkauft wird.“

Die Abgeordneten verankerten gestern in der Verfassung zudem, dass sie in den kommenden beiden Jahren auf eine Diätenerhöhung verzichten.

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