Dass Bremen nicht immer zu den Ersten gehört, muss nichts Schlechtes bedeuten – zum Beispiel bei der Vermüllung öffentlicher Orte. Leipzig zum Beispiel hat innerhalb von vier Jahren eine Verdoppelung der Menge wild abgelagerten Sperrmülls verzeichnet. 2021 waren es laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" 2500 Tonnen. Stuttgart, Frankfurt und München melden demnach ebenfalls eine spürbare Zunahme. In Hannover stieg die Menge in den vergangenen vier Jahren um knapp die Hälfte. Neuere Daten aus Bremen zeigen: In der Hansestadt ist der Trend gegenläufig. Die Zahl der sogenannten Ablagerungen sank laut Stadtreinigung von 8334 im Jahr 2021 auf 6769 im Jahr 2022.
Müll ist ein Problem, seine Auswirkungen sind ein anderes, und dabei kommt es nicht nur auf die Menge an: "Der Müll auf den Straßen löst in Teilen der Bevölkerung starke Unzufriedenheit und auch Unsicherheit aus", sagt Karen Stroink, Sprecherin der Innenbehörde. "Die Anwohnerinnen und Anwohner erhalten den Eindruck, dass sich niemand für ihren Stadtteil verantwortlich fühlt." Das führe dazu, dass Plätze gemieden werden. Dadurch gebe es weniger soziale Kontrolle: "Verursacher reden sich ein, dass andere ja auch ihren Müll auf den Plätzen abladen." Das setze eine Negativspirale in Gang, etwa in Gröpelingen und am Hauptbahnhof. Sogenannte Sicherheitspartnerschaften sollen dazu beitragen, die Aufenthaltsqualität wieder zu erhöhen.
Die Ursachen für illegale Müllablagerungen sind so banal wie vielfältig. Häufig gehe es nur um Achtlosigkeit, etwa bei der weggeschnippten Zigarettenkippe. Das Innenressort spricht aber auch von fehlendem Unrechtsbewusstsein, Ignoranz und Unkenntnis, was Themen wie Mülltrennung und -entsorgung betrifft. "Fest steht, dass der illegal abgelegte Müll sich wie von Geisterhand vermehrt, sobald er einmal im Straßenbild zu sehen ist."
Dieses Phänomen benennt auch die jahrzehntealte Broken-Windows-Theorie: Sie geht von einem Nachahmungseffekt bei Regelverstößen aus, wie er in vernachlässigten Quartieren vorkomme, und sieht klar Zusammenhänge zur Kriminalitätsentwicklung. Neuere Forschungen, etwa des Nürnberger Wirtschaftssoziologen Tobias Wolbring, legen jedoch nahe, dass sich der Effekt auf "kleinere Normbrüche" beschränkt.
Auch Karen Stroink bleibt zurückhaltend: "Die Mutmaßung, dass weggeworfene Mülltüten letztlich auch zu mehr Straftaten führen, ist zu kurz gesprungen, denn die Probleme sind vielfältiger." Die Beseitigung der illegal entsorgten Abfälle kostet nach Angaben von Antje von Horn, Sprecherin der Bremer Stadtreinigung (DBS), jedes Jahr circa eine Million Euro.
Zu den Gegenmitteln, die der Vermüllung vorzubeugen helfen sollen, zählt beispielsweise die Müllsammelkampagne Mission Orange der Stadtreinigung Bremen (DBS) und ihrer Aktionspartner an diesem Freitag und Sonnabend. Etwa 18.500 Kinder und Erwachsene haben sich dazu angemeldet – unter ihnen Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) und Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Über solche Aktionen hinaus setzt die DBS auf kürzere Leerungsintervalle der gut 4000 öffentlichen Abfallbehälter, unterstützt ehrenamtliche Sammelinitiativen und reinigt häufiger Hotspots wie Containerplätze und bestimmte Stadtteilecken. Außerdem gibt es einen Online-Müll-Mängelmelder. Und die Stadtreinigung ist im Austausch mit dem Ordnungsamt, "um Müllsünder auch zu bestrafen".
Der Ordnungsdienst darf an Ort und Stelle Bußgelder erheben, hat aber das Problem, der Verursacher von Müllablagerungen oft nicht habhaft zu werden. Entsprechende Zahlen, so die Auskunft der Behörde, würden nicht elektronisch erhoben und lagen kurzfristig nicht vor. Der Umweltbußgeldkatalog wurde im vergangenen Jahr angepasst und sieht in vielen Fällen nun deutlich erhöhte Beträge vor: Weggeworfene Zigarettenreste und ausgespuckte Kaugummis kosten beispielsweise 50 Euro (zuvor 20 Euro), Hundekot liegenzulassen, mindestens 50 Euro (im Wiederholungsfall 100 Euro), und wer mehr als einen Kubikmeter Sperrmüll illegal ablädt und überführt wird, ist mit bis zu 2500 Euro dabei.
Dass Plätze, an denen es dreckig ist und stinkt, von Anwohnern aufgegeben werden, kommt vor. Aber es geht auch anders: Mit einer Petition an den Bürgerschaftsausschuss proben 64 Unterzeichnende die friedliche Rückeroberung des Mecklenburger Platzes im Steintorviertel, der aus ihrer Sicht als Toilette, Drogenkonsumzone, Freiluftkneipe und Müllplatz missbraucht wird.