Lilienthal. Als Werder Bremen regelmäßig auf europäischer Bühne im Einsatz war, drängten sich die Zuschauer in Kneipen und Sportbars vor den Leinwänden und Fernsehgeräten, um die Liveübertragungen zu verfolgen. Der Andrang hat enorm nachgelassen, was einerseits mit dem Niedergang der einst erfolgreichen Kicker, vor allem aber mit der Preispolitik des Bezahlsenders Sky zu tun hat. Viele Wirte sind jedenfalls sauer und haben ihre Verträge mit dem einzigen Anbieter Sky gekündigt, andere denken über einen Ausstieg nach.
Uwe Senkowski betreibt das Bocadillo am Schoofmoor-Sportzentrum und bietet seit mehreren Jahren Liveübertragungen des Bezahlfernsehens an. Dass der Anbieter seine Gebühren immer wieder angehoben hat, daran hat sich Senkowski wie viele seiner Kollegen in der Region gewöhnt. Die neuerliche Ankündigung einer Erhöhung um rund 25 Prozent hat den Gastronomen allerdings aus der Fassung gebracht. Bisher hat er 340 Euro pro Monat an Sky überwiesen, zur neuen Saison sollen es 425 Euro sein. "Die neue Erhöhung ist eine Frechheit," so der Wirt.
Senkowski sieht schon längst keinen Spielraum mehr, um die Steigerung über die Preise aufzufangen. Zudem sei der Umsatz generell zurückgegangen, weil Werder keinen attraktiven Fußball mehr spielt. Senkowski sieht sich zudem in einer schlechten Verhandlungsposition. Von der Tariferhöhung habe er erst auf eigene, hartnäckige Nachfrage erfahren. Weil die Kündigungsfrist darüber inzwischen verstrichen sei, werde sich sein Vertrag verlängern.
Der Hüttenbuscher Gastronom Jürgen Bohling war mehr als zehn Jahre lang Kunde bei Premiere und Sky. Zu D-Mark-Zeiten musste er für das Angebot der Bezahlsender noch rund 200 Mark pro Monat bezahlen, jetzt hätte er mehr als 3000 Euro pro Jahr auf den Tisch legen müssen. Der Inhaber des Schützenhofes hat reagiert und seinen Vertrag mit Sky gekündigt. Der Gastwirt ist zudem über die Geschäftspraktiken des Anbieters sauer. Früher hätte man mit den Außendienstlern über die Konditionen im Zweifel sprechen können, jetzt würden die Gespräche über ein Call-Center geleitet. Die Folge: Man bekomme keinen Entscheider mehr an die Strippe.
"Nichts für den ländlichen Raum"
Der Grasberger Johann Lütjen hat das Thema Bezahlfernsehen längst zu den Akten gelegt. Der Wirt des Grasberger Hofs sieht schon lange keine entsprechende Nachfrage und hat "keine Lust, noch drauf zu zahlen". Früher habe sich das gerechnet, heute nicht mehr, so der Chef des Grasberger Hofes. "Im ländlichen Raum wird das Angebot eh’ nicht so gut angenommen", stellt Kollege Ingo Lüpke vom Tarmstedter Hof fest. Viele Gäste würden privat gucken, und grundsätzlich sei klar, dass Wirte steigende Gebühren nicht unbegrenzt auf die Getränkepreise umlegen könnten. "Irgendwann ist dann Schluss damit", sagt Lüpke.
Sauer ist auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Wolfgang Diekmann vom Kreisverband Osterholz bewertet die neuerliche Gebührenerhöhung als eine Unverschämtheit und Abzocke. Auch der Geschäftsführer unterstellt dem Bezahlsender, dass er seine Monopolstellung ausnutzt. Daran ändere der jüngste Richterspruch aus Berlin nichts, dass Fußballländerspiele oder internationale Begegnungen von öffentlichem Interessen seien und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt werden müssten. Was Sky mache, erinnere ihn an die Geschäftspraxis von Banken, die vor 30 oder 40 Jahren keine Gebühren für Girokonten erhoben hätten. Dies sei jetzt bekanntlich anders, so der Lilienthaler Wolfgang Diekmann.
Die Gebührenpolitik wird in der Branche heftig und emotional diskutiert. Dies bestätigt Rainer Balke, Hauptgeschäftsführer des Dehoga-Landesverbands. Er bezeichnet es als Obskurität, dass Sky kein transparentes und damit vergleichbares Gebührensystem auf den Tisch lege. "Das suchen Sie vergeblich", meinte der Verbandsfunktionär. Es gebe deutliche Unterschiede zwischen Stadt und Land, aber auch in der Größe der Gaststätten. Zudem würden Tarife offenbar voneinander abweichen.
In Hannover hat sich Widerstand geregt. Eine Runde von Wirten und Verbandsmitarbeitern hat mit einem Vertreter von Sky nachverhandelt. Ein konkretes Ergebnis sei laut Balke nicht erzielt worden. Im Gegenteil – einige Wirte hätten ihre Kündigung spontan auf den Tisch gelegt. Leise Hoffnungen setzt der Hauptgeschäftsführer auf Bundesverhandlungen. Die sollen in der kommenden Woche in großer Runde mit Sky stattfinden. Ob es was bringen wird? "Der Ausgang ist völlig offen", so Balke.
Sky hatte das Wettbieten um die Fußball-Bundesligarechte von 2013 bis 2017 für die Rekordsumme von 1,9 Milliarden gewonnen. Auf die Saison umgerechnet sind das knapp 470 Millionen Euro.