Nicht einfach, vier Jahre ehrenamtliche Tätigkeit als Schöffin oder Schöffe am Landgericht in einem Wort zusammenzufassen. "Beeindruckend", sagt Sibylle Maxis-Gehrke. "Hochinteressant", findet Gerald Bellmer. "Bewegend", sagt Nilgün Uzun-Wulfmeier. Auf jeden Fall aber "bereichernd" – da sind die drei sich einig. Ein Jahr als Schöffe haben sie noch vor sich, dann können sie aufhören. Oder sich erneut für eine Amtszeit bewerben. Der Justizbehörde wäre dies nur recht, denn Bremen sucht für den Zeitraum ab 2024 nicht weniger als 812 neue Schöffen.
Ende Januar und Anfang Februar will die Justizbehörde allen Interessierten das Ehrenamt eines Laienrichters mit Informationsveranstaltungen näher bringen. So hat es für die drei Schöffen am Landgericht vor etwa fünf Jahren auch begonnen. "Das waren zwei Stunden, in denen alles sehr genau erklärt wurde und man Fragen stellen konnte", erinnert sich Sibylle Maxis-Gehrke.
Im Namen des Volkes
Er sei damals als Pfarrer in den Ruhestand gegangen und habe sich überlegt, was er nun machen könne, sagt Gerald Bellmer. Lehrerin Sybille Maxis-Gehrke war dagegen noch berufstätig, als sie sich bewarb. Im Übergang zum Ruhestand habe sie nach mehr als 40 Jahren Schule einfach mal ein anderes System kennenlernen wollen, lautete ihre Motivation, Schöffin zu werden.
Geurteilt werde ja stets im Namen des Volkes, sagt Nilgün Uzun-Wulfmeier an einen Grundsatz der deutschen Rechtsprechung. Dafür stünden im Gerichtssaal die Schöffen. Sozusagen als Hilfestellung von außen für die Berufsrichter. Menschen, die aus einer anderen Perspektive heraus urteilten und ohne jede Berufsblindheit. Für die gelernte Personaldienstleistungs-Kauffrau ist dies ein wichtiger Punkt: "Wir sollen die Vielfalt unserer Gesellschaft darstellen." Das könne aber durchaus mit zeitlicher Belastung einhergehen und sei nicht immer so einfach mit Privat- und Berufsleben zu koordinieren, sagen die beiden Frauen.
Anders als an den Amtsgerichten, wo Prozesse meist an einem Tag beendet werden, ziehen sich Verfahren am Landgericht mit etlichen Verhandlungstagen auch mal über Monate hin. Gerade in den ersten Jahren, als sie noch als Lehrerin arbeitete, habe sie deshalb häufiger absagen müssen, erzählt Maxis-Gehrke. Was allerdings kein Problem gewesen sei, solange ein Prozess noch nicht begonnen habe. "Ist man aber erst in einem Verfahren drin, dann kann man nicht mehr aussetzen." Das komme bei Arbeitgebern in der freien Wirtschaft trotz gesetzlicher Pflicht zur Freistellung nicht immer gut an, sagt Uzun-Wulfmeier aus eigener Erfahrung. "Das Schöffenamt ist etwas für zeitreiche Menschen", sagt auch Gerald Bellmer.
Bereut hat die Entscheidung für das Schöffenamt trotzdem keiner aus dem Trio. "Das ist total spannend, oft tief beeindruckend und manchmal auch ganz großes Kino", beschreibt Bellmer seine Eindrücke. Und, mit Blick auf die zahlreichen Drogenprozesse in Bremen oder Verfahren, bei denen es um Gewaltdelikte ging: "Wie eine Begegnung mit dem wirklichen Leben."
Ein Punkt, den alle drei Schöffen hervorheben, ist die Professionalität mit denen Richter, Staatsanwälte, aber auch Verteidiger vorgingen. Ihr gefalle auch die gute Zusammenarbeit mit den Berufsrichtern, sagt Uzun-Wulfmeier. Man müsse keineswegs einer Meinung mit ihnen sein, sondern könne sich als Schöffe einbringen und alles ansprechen. Immer wieder beeindruckend sei für sie, mit welcher Geduld die Richter ihre Befragungen durchführen, sagt die Schöffin, "während ich schon längst kochte, bei alldem, was uns da verkauft werden sollte."
Bemühen um faires Verfahren
Ihr sei vorher nicht so klar gewesen, wie umfassend und sorgfältig der Staat sich um ein faires Verfahren für seine Bürger bemühe, sagt Maxis-Gehrke. "Das ist ein anderes Segment von Demokratie: Wir sind Teile eines demokratisch geführten Rechtsstaats." Sein Respekt vor der Justiz sei auf jeden Fall gewachsen, ergänzt Gerald Bellmer. "Seither verteidige ich die Justiz gegen Kritik von Freunden und Bekannten."
Probleme mit der Verurteilung der Angeklagten hat der ehemalige Pastor nicht. Die Straftaten würden im Laufe eines Prozesses sauber herausgearbeitet und gingen dann mit einem bestimmten Strafmaß einher. "Damit kann ich gut leben, ich hatte deswegen eigentlich wenig schlaflose Nächte." Mehr mitnehmen würde einen, was man vor Gericht zu hören oder manchmal auch in Form von Beweisfotos zu sehen bekäme, sagt Uzun-Wulfmeier. "Das lässt mich hin und wieder nicht los, da konnte ich manchmal die Nacht drauf schon nicht so gut schlafen."
Von besonderer Bedeutung sei im Zusammenhang mit der Verurteilung von Angeklagten der Besuch der Schöffen im Gefängnis in Oslebshausen gewesen, sagt Sibylle Maxis-Gehrke. "Auch diese Seite zu sehen, war sehr sehr wichtig." Für Nilgün Uzun-Wulfmeier schließt sich hier der Kreis: "Schöffe zu sein, erfordert viel Herzblut. Von unserem Engagement hängen Schicksale ab."