Können sich die Bremer Kliniken freiwillig auf eine Neuordnung ihrer medizinischen Angebote verständigen? Gesprochen wird über dieses Thema seit dem Frühjahr, doch der Dialog ist ins Stocken geraten. Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) hofft, die Krankenhauschefs für ein Bündel von Tauschgeschäften gewinnen zu können, die im Ergebnis zu starken örtlichen Kompetenzzentren auf den verschiedenen medizinischen Fachgebieten führen sollen.
Gestartet war der bundesweit einzigartige Prozess im Frühjahr. Hintergrund: Sowohl aus Kostengründen als auch im Sinne höherer Behandlungsqualität will die Gesundheitsbehörde erreichen, dass Bremens Kliniken besser kooperieren. Das Motto für die einzelnen Häuser lautet dabei: weg vom medizinischen Gemischtwarenladen, hin zu mehr Spezialisierung auf bestimmten Gebieten. Im April starteten die Klinikträger ihre Gespräche mit ersten Workshops, wobei man sich auch gegenseitig Einblicke in die wirtschaftlichen Leistungsdaten gewährte – ein bisher einmaliger Akt der Transparenz. Grundlage des Dialogs war ein wissenschaftliches Gutachten des Institute for Health Care Business (HCB) in Essen, ein spezialisiertes Beratungsunternehmen für den Kliniksektor. Darin steckten schon erste konkrete Ideen für den Neuzuschnitt des medizinischen Leistungsspektrums der Bremer Kliniken bis zum Jahr 2030.
Die Euphorie verflog jedoch, als die Dinge konkret wurden. Im Sommer stand die Frage im Raum: Wer ist bereit, tatsächlich etwas vom eigenen Besitzstand abzugeben und dafür bestimmte Kompensationen zu erhalten? Nach Informationen des WESER-KURIER sieht das HCB-Gutachten zum Beispiel vor, dass Krebsbehandlungen nur noch am Klinikum Mitte sowie am Diako in Gröpelingen stattfinden sollen. Dagegen gab es Vorbehalte vonseiten des St.-Joseph-Stifts. Umgekehrt hielt man am Diako nichts davon, auf die erst vor wenigen Jahren aufgebaute Urologie zu verzichten. Eine weitere Strukturveränderung sollte darin bestehen, die Behandlung von Augenkrankheiten am Klinikum Mitte zu konzentrieren. Das St.-Joseph-Stift hätte auch hier etwas abgeben müssen.
Zuletzt hat sich an der Tauschbörse nichts mehr bewegt – was zum Teil auch daran liegt, dass die Klinikgeschäftsführer gerade "keinen Kopf" für langfristige Projekte haben. Die meisten von ihnen müssen wegen Erlösausfällen und rasanter Kostensteigerungen wirtschaftlich richtig kämpfen. Senatorin Bernhard will nun Anfang November erneut mit den Klinikchefs beraten und dabei den Handlungsdruck unterstreichen. Ihr Argument: Gerade weil die Kliniken so große finanzielle Probleme hätten, seien in der stationären Gesundheitsversorgung leistungsfähigere Strukturen notwendig. "Wir müssen einen Zahn zulegen, es geht nicht anders", sagt Bernhard. Sie kündigt an, im November einen neuen Vorschlag auf den Tisch zu legen und diesen dann auch mit den Krankenkassen zu beraten, die ja als Kostenträger im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle haben.
Wie schlecht es – nicht nur in Bremen – um die Kliniken steht, zeigen aktuelle kaufmännische Daten der städtischen Krankenhausgesellschaft Gesundheit Nord (Geno), die mit ihren vier Häusern in Mitte, Nord, Ost und Links der Weser für mehr als die Hälfte der Klinikkapazitäten im Stadtgebiet steht. Demnach würde die Geno bereits im März nächsten Jahres ihre Kreditlinie überschreiten, sofern Bremen als Alleineigentümer keine neuerlichen Hilfen gewährt. Bei den freigemeinnützigen Kliniken sehen die Zahlen zwar nicht ganz so düster aus, doch auch sie rauschen gerade ins Defizit, wie die allermeisten deutschen Krankenhäuser.
Vor diesem Hintergrund appelliert Bernhard dringend an den Bund, bei aller notwendigen Konzentration auf die Rettung von Unternehmen und die Entlastung der Privathaushalte den Kliniksektor nicht aus den Augen zu verlieren. Angesichts niedriger Erlöse und gleichzeitiger Kostenexplosion bei Energie und anderen Verbrauchsgütern drohe vielen Krankenhäusern die Insolvenz. "Die Lage besorgniserregend zu nennen, ist eine Untertreibung", so Bernhard. Der Bund müsse schnell und konkret Hilfen auf den Weg bringen, "sonst wird kaum eine Klinik in der Lage sein, einen belastbaren Wirtschaftsplan für 2023 aufzustellen".
Ganz ähnlich sieht es der Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft (HBKG), Uwe Zimmer. Er wirft Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Untätigkeit vor. Dieser unternehme nichts, um den absehbaren großen Crash in der deutschen Krankenhauslandschaft noch abzuwenden. Zimmer: "Es muss etwas geschehen, und es muss bald geschehen."