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Von Hackern und Technikjüngern Ein Besuch beim Chaos Computer Club Bremen

Der Chaos Computer Club Bremen bietet Computerinteressierten und Tüftlern eine Plattform zum Austausch und Basteln an eigenen Projekten. Wer sich Hacker nur als böse Buben vorstellt, liegt falsch.
01.02.2017, 00:00 Uhr
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Von Thomas Walbröhl

Der Chaos Computer Club Bremen bietet Computerinteressierten und Tüftlern eine Plattform zum Austausch und Basteln an eigenen Projekten. Wer sich Hacker nur als böse Buben vorstellt, liegt falsch.

Der Verein Chaos Computer Club Bremen bietet Computerinteressierten, Tüftlern und interessierten Laien eine Plattform zum Austausch und Basteln an eigenen Projekten. Im Fab Lab könnten die Technikenthusiasten bald eine neue physische Heimat gefunden haben.

20 Uhr im Alten Postamt 5 am Hauptbahnhof. In der ersten Etage befinden sich die Räume des Fablab. Vis-a-vis dem Eingang einer Fitnessstudiokette. Dass er einmal gegenüber von einem Fitnessstudio seinem Hobby nachgehen würde, hätte Alexander Noack nicht gedacht, sagt er. Es ist Dienstagabend und Zeit für den offenen Treff des Chaos Computer Clubs (CCC) Bremen.

Fachinformatiker und Hacker

Noack ist im Vorstand und übernimmt die Pressearbeit. Er ist 43 Jahre, hat die Haare zu einem Zopf gebunden, trägt schwarze Hose, dunkle Schuhe und Kapuzenpulli. Er ist Fachinformatiker und Hacker, auch wenn er sich selbst so nicht nennen würde. „Entgegen der landläufigen Darstellung in einigen Medien tragen wir keine Skimasken, wenn wir vor dem Computer sitzen“, sagt er. „Das wäre unpraktisch und auch einfach zu warm.“

Wer sich Hacker nur als böse Buben vorstelle, die in Systeme einbrechen und übers Internet Geld stehlen, liege falsch. Solche Cyberkriminellen gebe es, allerdings nicht im Bremer CCC. Vielmehr sei Hackern eine Ethik gemein und dass sie sich immer zwei Fragen stellten, wenn sie ein neues technisches Gerät oder System vor sich haben: „Wie funktioniert es und was kann man damit noch machen, was nicht in der Gebrauchsanweisung des Produktes steht“, sagt Noack. Schon wenn jemand die Kaffeemaschine als Wasserkocherersatz nehme, könne man von einem Hack sprechen.

„Chaos macht Schule”

Der Verein beschäftigt sich, wie auch andere CCC Gruppen, die es in vielen deutschen Städten gibt, mit Themen wie Cybersicherheit, Programmieren, Computersysteme, Soft- und Hardware und IT-Sicherheitslücken. Im Chaoswiki, das als Vereinshomepage funktioniert, finden sich zahlreiche Aktionen und Programme, darunter abwegiges wie „Tanz in den Mai mit Weihnachtsliedern” oder „Experimente mit Kornextrakt”, aber auch Bildungsprojekte wie die Initiative „Chaos macht Schule”, bei der Technikfreunde des CCC an Schulen gehen, um dort digitales Wissen zu vermitteln.

Die Förderung der Bildung hat sich der Verein auch in die Vereinssatzung geschrieben. Die Vermittlung von teilweise ziemlich speziellem Wissen sei allerdings nicht immer leicht, sagt Noack. Was er meint, wird klar, wenn auf der Empore einzelne Hacker über einen Krieg in der Linuxwelt sinnieren, die Funktionsweise von Hintergrunddiensten diskutieren, die auch Dämonen genannt werden, oder über blamable „committete Bugfixes” fachsimpeln.

Hier spricht man dieselbe Sprache

Für Jan-Peter Arndt ist genau das einer der Gründe, zu den CCC-Treffen zu gehen. „Hier spricht man dieselbe Sprache und muss sich nicht dauernd erklären”, sagt der 39-Jährige. Er trägt einen langen Kinnbart, den er manchmal mit einer Hand zwirbelt, Brille und ist hochgewachsen. Auch er hat beruflich einen IT-Hintergrund.

Er ist Admin, Technischer Angestellter, und im Vorstand des Vereins. Er versucht gerade, das Display eines kleinen Touchscreens, den er an den Rechner angeschlossen hat, so zu programmieren, dass die Anzeige sich um 90 Grad zur Seite kippen lässt. „Seit dem Update klappt es nicht mehr. Das hat wohl mit dem Treiber zu tun“, sagt er und widmet sich weiter seinem Projekt.

Noack setzt sich an einen der Tische. Erster Handgriff: Getränk abstellen, zweiter: Computer aus der Tasche ziehen. „Die meisten glauben, da ist ein Computer, damit mache ich was und da kommt was raus und dazwischen passiert Magie. Viele neigen auch dazu, Computern ein Vertrauen und eine Autorität einzuräumen, die diese nicht verdient haben. Das wollen wir ändern. Denn Computer sind entsetzlich dumm. Sie machen genau das, was du ihnen mit der Software vorgibst, auch wenn es keinen Sinn ergibt.“

Projekt zum Thema Hasskommentare

Noack selbst bastelt gerade an einem Projekt zum Thema Hasskommentare im Netz, für das er die Programmierschnittstelle von Facebook nutzt. Er sammelt zunächst die Rohdaten. Später möchte er analysieren, wo die Kommentare herkommen und mit welcher Wahrscheinlichkeit jemand Hasskommentare unter Artikel postet. Entstanden war das Ganze im Rahmen der Masterarbeit einer Bekannten.

Der CCC HB existiert seit über zwölf Jahren. „Es begann mit einem losen Treffen. Irgendwann haben wir entschieden, dass es sinnvoll wäre, einen Verein zu gründen”, sagt Noack. 30 Mitglieder habe man derzeit. Wie bei anderen Vereinen auch, sei nur ein Drittel von ihnen sehr aktiv. „Wir sind altersmäßig am oberen Ende”, sagt Arndt.

Unterhalb der Empore haben sich um und auf den Tischen einige Jüngere versammelt, die zu CCC-Treffen, zum Hackerspace in der Bahnhofsvorstadt und zum Fablab gehen. Ein zierlicher Rothaariger macht Matheaufgaben für sein Studium, ein Physikstudent mit langen braunen Haare beschäftigt sich mit der Freifunkbewegung in Bremen, die offenes WLAN in der Stadt etablieren will. Ein kräftiger Kerl mit weinrotem Kapuzenpulli sitzt auf dem Tisch, den Laptop auf dem Schoß. Er hat einen zotteligen Vollbart und bezeichnet sich als Hobbyist.

Im CCC gibt es das richtige Werkzeug für Projekte

Er zeigt eine Skizze von einem Schaltplan für eine Computerplatine, die er entwirft. Darauf wolle er dann Kupferkontakte verlöten. „Wenn ich mal ein größeres Projekt machen will, ist es gut, wenn ich vorher ausprobiert habe, wie die Technik funktioniert. Hier gibt es das richtige Werkzeug dazu.” Daneben steht ein blonder Schlaks, der sich als Pyropeter vorstellt. „Hier kann ich auch über Inhalte meines Studiums sprechen“, sagt der Informatikstudent. Noch drei Veranstaltungen, dann habe er seinen Bachelor.

„Als ich 13 war“, sagt der 22 Jährige, „wollte ich Hacker werden, so wie man es aus den Filmen kennt, rumrennen und Dinge hacken. Aber das ist natürlich Quatsch. Heute habe ich einen klareren Blick für die Technik und eine Idee von politischen Zusammenhängen bekommen.” Gerade wenn man digital arbeite, sei es gut, wenn man sich auch physisch mal dazu austauschen könne.

Neben der Arbeit an Projekten stehen beim CCC auch Treffen mit anderen Gruppen, sogenannten Erfa-Kreisen, auf der Agenda, sogenannte Geekends. Höhepunkt des Jahres, da sind sich hier viele einig, ist der Chaos Communication Congress, der im Dezember in Hamburg stattfand. Diese Kongresse werden mit hohem Aufwand und Engagement der Freunde und Mitglieder des CCC organisiert. „Dort wurde schon GSM-Netz aufgebaut, ein Rohrpostsystem, ein sicheres Telefonnetz”, schwärmt Alexander Noack.

180 Gigabit für 12.000 Leute

Auch installierten die Hacker dort ihr eigenes Netzwerk, natürlich mit Breitbandverbindung. „Vor einigen Jahren hatten wir dort mehr Bandbreite als ganz Afrika”, berichtet Noack. Im vergangenen Jahr seien es 180 Gigabit für 12.000 Leute gewesen. Aber es sei nicht nur die Technik, die die Leute anziehe. „Es gibt wohl nur wenige Orte, an denen man spürt, dass dir dein Gegenüber erst mal sympathisch ist. Da rennen viele außergewöhnliche Leute rum und jeder akzeptiert den anderen. Auch ist der Frauenanteil mittlerweile auf etwa 30 Prozent gestiegen”, sagt Noack.

Frauen gebe es in Bremer CCC noch zu wenig, sagt Noack. Dafür kann der Verein mit einem 3D-Drucker und mehreren Lötstationen aufwarten. Diese sind gerade in einem Lagerraum untergebracht. Denn der alte Mietvertrag in der Weberstraße im Viertel in der „Embassy of Nerdistan” war ausgelaufen. Nicht das erste Mal, dass sie umziehen mussten, sagt Noack. So waren die Technikfreunde unter anderem schon im Loft, einer Garage oder einem „Datengarten” untergebracht.

Das Fablab als neue Heimat

Bald könnte das Fablab die neue physische Heimat des CCC Bremen werden. „Wir sind derzeit hier zu Gast”, sagt Noack. „Aber wir hoffen, dass wir vielleicht einziehen können.“ Das wäre praktisch, denn es gebe einige personelle Schnittmengen. „Wir haben auch einiges an Werkzeug, das man hier auch gebrauchen könnte. Wenn man dann gegenseitig die Dinge mitbenutzen kann, wäre das für alle Seiten ein Gewinn”, sagt Noack.

Nur am Tisch unterhalb der Empore sitzt einer, der nicht ganz zufrieden ist. Das WLAN ist ihm gerade zu langsam. Zumindest das dürfte, wenn es nach den Computerfreunden geht, künftig schneller gehen.

Info

Der Chaos Computer Club Bremen ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Zweck die Förderung der Bildung und Volksbildung auf dem Gebiet der Informationstechnologien, des Informationsrechts und verwandten Themen ist. Dazu organisieren die Mitglieder regelmäßig Veranstaltungen zu Themen wie Computersicherheit, Informationsrecht und künstlerischem Umgang mit neuen Technologien und deren Anwendungen. Nach eigenen Angaben nimmt der CCC Bremen keine Sponsorengelder oder andere Zuwendungen an, um unabhängig zu bleiben.
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