Der lachende Krämer hält in der einen Hand einen Korb, in dem sich Äpfel türmen, in der anderen einen mit Zwiebeln gefüllten Korb. Beide stellt er auf den Boden und setzt sich auf einen Holzstuhl. Der Krämer schaut zu der Touristengruppe, die vor ihm sitzt. Dann fängt er an zu erzählen, von dem Schicksal der armen Frau Gottfried: So viele Menschen hat sie schon verloren, „aber sie hat niemals aufgegeben“. Sie kümmerte sich aufopfernd um die Todkranken. Alle litten an einem Mageninfekt. Vielleicht lag es an Problemen in der Küche, denn sie kaufte öfters Rattengift, mutmaßt der Krämer. „Oh …“, brummt er und kratzt sich am Arm. Er schüttelt den Kopf, als ob er einen Gedanken beiseiteschieben will. Abrupt steht er auf und sagt: „Das Hotel Amsterdam wartet auf die Äpfel und Zwiebeln.“ Dann verlässt der Krämer den Saal.
Im Bremer Geschichtenhaus inszenieren Schauspieler, was sich in Bremen von der Mitte des 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert ereignete. Die Besucher durchlaufen sechs von insgesamt 17 Stationen. An einer gibt der Krämer einen Einblick in die Verbrechen der Giftmischerin Gesche Gottfried. Die Bremerin brachte 15 Menschen um und wurde 1831 geköpft.
Improvisierte Stücke
„Wir zeigen hier Schlüssellochperspektiven“, erläutert die Betriebsleiterin und Regisseurin Sara Fruchtmann. Der Krämer zeigt, wie die Stadtbevölkerung die Wahrheit um Gesche Gottfried nicht sehen wollte. An einer anderen Station können Besucher die Serienmörderin persönlich kennenlernen. Welche Charaktere sich in dem Haus zeigen, variiert je nach Führung. Kein Rundgang gleiche dem anderen. „Wir entwickeln die Stücke aus der Improvisation heraus“, sagt Fruchtmann. Sie hat im Jahr 2006 das bundesweit einmalige Konzept für dieses Haus gemeinsam mit dem Verein Bras entworfen: Langzeitarbeitslose verantworten maßgeblich den Betrieb.
Nach monatelangem professionellem Training treten sie als Schauspieler auf. Bis dahin packen sie bei anderen Aufgaben mit an, etwa im Büro oder in der Schneiderei. Mit neu gewonnenem Selbstvertrauen fühlen sich die meisten bereit, in die Rolle der Giftmischerin, des Böttchermeisters, des Heini Holtenbeen, des Seemanns Jux und vieler weiterer zu schlüpfen – und zwar so authentisch, dass manche Besucher wirklich in frühere Zeiten reisen. Fruchtmann: „Wenn sie das Haus verlassen, müssen einige Besucher erst mal blinzeln.“