Gleich hinterm Deich in Butjadingen stehen sie auf der Weide: Die Rinder von Hof Butenland. Soweit so normal. Doch die Rinder, die bei Karin Mück und Jan Gerdes genüsslich ihr Gras kauen, sind alles andere als normale Rinder. Die braunen und schwarz-weißen Tiere verbringen hier ihren Lebensabend. Einige von ihnen sind zwanzig Jahre alt.
Die Geschichten der Tiere sind unterschiedlich, viele sind ehemalige Hochleistungskühe, die mehr als 100.000 Liter Milch gegeben haben und eigentlich hätten geschlachtet werden sollen, andere kommen aus dem Zirkus oder aus dem Tierversuch, und wieder andere standen plötzlich bei den anderen Kühen auf der Weide. „Manche sind beim Nachbarn abgehauen“, erzählt Jan Gerdes.
Grundphilosophie von Hof Butenland ist, dass jedes Tier, das aus eigenem Antrieb den Weg auf die Wiesen hinterm Deich findet, bleiben darf. Die beiden Hofbetreiber haben einige dieser Rinder dann freigekauft. Jedes der Tiere auf dem Hof, zu denen auch Schweine, Hühner, Pferde, Gänse, Enten und zwei Pekinesen gehören, sei ein Charakter für sich. „Mal sind sie scheu, mal forsch, mal verschmust“, sagt Mück. Den meisten Tieren kann sie sich problemlos nähern, sich sogar neben sie setzen und sich an sie schmiegen. Ole, das Jersey-Rind, mag beispielsweise besonders Krauleinheiten am Kinn. Und Anna, eine braune Kuh, schleckt Mück genüsslich über die Schulter. „Sie liebt es, mich zu waschen“, sagt sie und lacht.
Durch die Erfahrungen und Beobachtungen habe sie gesehen, dass Kühe sehr soziale Wesen sind, sie hätten enge Bindungen zueinander und trauerten auch gemeinsam, wenn eine Kuh stirbt. „Die Tiere können uns zeigen, wie wir sein wollen, uns aber nicht trauen“, meint Mück.
Jan Gerdes und Karin Mück sind so etwas wie Landwirtschaftsrebellen. Sie praktizierten das, was das System der modernen Landwirtschaft nicht vorsieht, nämlich dass Tiere alt werden dürfen, ohne permanent gemolken oder am Ende ihrer Leistungsfähigkeit geschlachtet zu werden. Dabei war der Hof, den Jan Gerdes Anfang der 1980er-Jahre von seinen Eltern übernommen hat, einst selbst Teil dieses Systems. Gerdes hat bis 2001 Rinder als Nutztiere gehalten, sich dann aber entschieden, dies zu beenden. Er hat einen Großteil der Tiere zum Schlachten verkauft, die Verbliebenen sollten aber ihr Gnadenbrot auf Hof Butenland finden.
Es sei ein Irrglaube, dass Kühe immer Milch geben, erklärt Gerdes. „Eine Kuh gibt Milch, wenn sie ein Kalb hat. Gleichzeitig ist sie schon wieder schwanger, das hält doch kein Körper aus“, sagt Karin Mück. Mit dem Konzept von Hof Butenland – und auch mit dem 2021 erschienenen Kinofilm – hätten sie sich bei einigen Landwirten unbeliebt gemacht. „Weil wir Alternativen aufzeigen und zeigen, dass diese Tiere keine Maschinen sind.“