Sozusagen traurig, aber wahrhaftig sind jene Geschichten, die der hessische Schriftsteller Andreas Maier, Jahrgang 1967, in seinen autobiografisch unterfütterten Büchern erzählt. In Büchern, die so wundersam konkrete Namen wie „Das Zimmer“, „Das Haus“, „Die Straße“, „Der Ort“ und „Der Kreis“ tragen – und die Beklemmungen, Ängste, aber auch Hoffnungen eines Heranwachsenden in der Provinz in penibel beobachtete Prosa gießen. Zur Tristesse, die Maiers Moritaten aus dem Wetteraukreis durchgängig grundiert, kommt freilich ein ums andere Mal hohe Komik. Die entsteht zuverlässig immer dann, wenn die Sozialisationsgeschichte des überreflektierten Ich-Erzählers eine – in der Regel aberwitzig anmutende – Schnittmenge mit der deutschen Geistesgeschichte bildet.
So verhält es sich in besonderer Weise in dem Roman „Die Universität“, der jüngsten Hervorbringung seiner grandiosen Reihe mit dem Arbeitstitel „Ortsumgehung“. Maier schildert mit einer zugleich akribischen und sardonischen Insistenz, die an seinen Hausgott (und Promotionsgegenstand) Thomas Bernhard gemahnt, das Gebaren avancierter Frankfurter Philosophiestudenten Ende der 1980er-Jahre. Vor allem die Rekonstruktion der vom Diskurethiker Karl Otto Apel (1922-2017) veranstalteten Seminare über, sagen wir mal, Transzendentalpragmatik gerät überaus gewitzt: "Die Karl-Otto-Apel-Adepten bekamen runde Augen, mit denen sie immerfort stechend blickten und die sie in seltsamen Windungen beim Reden nach hier und dort richteten. Dabei zogen sie unentwegt eine Augenbraue nach oben, weil der Blick möglichst funkelnd aussehen sollte, wie bei Apel."
Auch sehr gelungen: Maiers Schilderung eines Pflegejobs, der Gretel Adorno (1902-1993) gilt, der geistig hinfälligen Witwe eines Protagonisten der Frankfurter Schule. Die hatte nach dem Tod ihres Mannes, 1969, einen Suizidversuch mit Gift unternommen, der auf so unglückliche Weise scheiterte, dass diese einst so kluge, zugewandte und milde Frau – aber lesen Sie selbst.
Empfindsam lesen sich dagegen neue Reminiszenzen des Romanciers an eine gewisse Buchhändlertochter, der die Erzählerfigur lieber nachsteigt, als ins Sehnsuchtsland Südtirol zu reisen. Am Ende des Buches kommt es gar zu einer Art Gipfel der beiden Königskinder – Cliffhanger inbegriffen. Apropos: Gefeiert werden darf bei der Lektüre auch das Gipfelfest der auf zwölf Bände konzipierten Romanreihe. Die Vorfreude bleibt groß.
Andreas Maier: Die Universität. Suhrkamp, Berlin. 147 Seiten, 20 €.
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Andreas Maier: Die Universität.
Suhrkamp, Berlin.
147 Seiten, 20 €.