Aufregung liegt in der Luft, nervöse Stimmung, Vorfreude. "Es riecht nach Neuanfang", hieß es am Freitag im Bremer Kriminal-Theater. So zumindest beschrieb es Theaterleiter Ralf Knapp, als er sichtlich fröhlich sein Publikum begrüßte. Lange hatte sein neues Stück "Der Tatortreiniger" in der Schublade gelegen, bevor es nun endlich seine Premiere vor Zuschauern feiern konnte.
Dieses Mal also kein ganz typisches Kriminal-Theater mit Stoff von Patricia Highsmith, Alfred Hitchcock oder Agatha Christie. Dieses Mal begibt sich das Publikum nicht gemeinsam mit den Schauspielern auf Mördersuche. Die Handlung setzt da ein, wo eigentlich schon alles vorbei ist: Der Mord wurde begangen, die Polizei hat ermitteln, die Spurensicherung hat Spuren gesichert. Genau dann aber beginnt der Einsatz der Spurenbeseitigung, in Insiderkreisen liebevoll "Spube" genannt, und somit von Tatortreiniger Heiko Schotte, genannt Schotty. Er ist dafür zuständig, dass dort, wo Blut vergossen wurde, am Ende alles wieder glänzt. Oder wie Schotty selbst gerne sagt: "Meine Arbeit fängt da an, wo andere sich vor Entsetzen übergeben."
TV-Serie als Vorlage
Das Stück im Bremer Kriminal-Theater basiert auf der gleichnamigen TV-Serie von Mizzi Meyer mit Bjarne Mädel in der Hauptrolle. Die Serie begleitet mit viel Humor und Situationskomik den Tatortreiniger Heiko Schotte bei der Arbeit. Sie lief von 2011 bis 2018 im NDR. Nachdem erst nur vier Folgen produziert wurden, legte der NDR nach dem überraschenden Erfolg der Serie und einer Grimme-Preis-Nominierung 2012 nach. Nach 31 Folgen und sieben Staffeln war dann Schluss.
Das Kriminal-Theater hat sich die ersten drei Episoden der Serie herausgepickt und sie als Vorlage für sein dreigeteiltes Stück genommen. Beim ersten Tatort, an den Schotty (wunderbar: Mateng Pollkläsener) gerufen wird, erwartet ihn eine blutverschmierte Wohnung (Bühnenbild: Gisela Brünker, Ralf Knapp, Heiko Windrath), in der es einiges zu reinigen gibt. Doch bevor er sich an die Arbeit macht, guckt Schotty Fußball und isst in Ruhe sein Wurstbrot. Bis ein Anruf seines Chefs (sein Klingelton ist die "Tatort"-Melodie) ihn aus der Pause reißt und er beginnt, sich an die Arbeit zu machen. Doch ihn unterbricht unerwarteter Besuch: Die Prostituierte Maja (Janina Zamani) steht in der Wohnung und braucht auf den Schreck, dass ihr Kunde tot ist, erst einmal einen Sekt.
Toter Einbrecher
Anschließend wird Schotty zum Haus der betagten und sehr wohlhabenden Frau Hellenkamp gerufen. Diese wurde in der Nacht von einem Einbrecher überrascht, der nach kurzem Gerangel die Treppe hinuntergefallen ist und den Sturz nicht überlebt hat. Zum großen Ärger von Frau Hellenkamp hat der Einbrecher ihre sich seit mehr als 180 Jahren in Familienbesitz befindliche Couch aufgeschlitzt. Dass ein Mensch in ihrer Wohnung gestorben ist, scheint die offensichtlich politisch nach rechts tendierende Dame dafür weniger zu stören.
Und schließlich muss der Tatortreiniger noch die Sauerei beseitigen, die nach einer Explosion mit Todesopfer in der Wohnung einer Schriftstellerin zurückgeblieben ist. Diese steht am Rande eines Nervenzusammenbruchs, was durch Schottys Anwesenheit noch schlimmer wird. Zumindest bis zu dem Punkt, an dem sie merkt, dass er ihr als Inspirationsquelle dienen kann.
Skurriles Kammerspiel
"Der Tatortreiniger" ist ein Kammerspiel, bei dem Spannung und Action eher eine Nebenrolle spielen. Im Zentrum stehen die absurden, fast schon Loriot-artigen Situationen, die entstehen, wenn der eher einfach gestrickte Schotty auf flüchtige Bekannte und Hinterbliebene der Todesopfer trifft, deren Lebenswelten oft weit von seiner eigenen entfernt liegen. Mateng Pollkläsener steht Bjarne Mädel in der Rolle des trockenhumorigen, tiefenentspannten und überaus aufgeschlossenen Tatortreinigers in nichts nach. Janina Zamani schlüpft in alle drei Frauenrollen und überzeugt dabei vor allem als intellektuell-versnobte Schriftstellerin. Musikalisch begleitet wird das Geschehen von Denis Fischer, der als Straßenmusiker mit Gitarre (adrett gekleidet in einem weißen, mit Blut gesprenkelten Anzug und mit einem Lampenschirm auf dem Kopf) auch ins Stück mit eingebunden wird. Insgesamt ist "Der Tatortreiniger" ein gelungener Einstieg nach der Corona-Zwangspause, der wieder einmal bewusst macht, wie sehr er gefehlt hat, der Theaterabend.