Theater ist immer noch ein Medium, das alle Sinne berührt. Theaterbesuch heißt auch heute noch, mit allen Sinnen erleben, Emotionen fühlen und natürlich auch teilen. Besucher erfahren nicht nur eine Identifikation mit der Rolle auf der Bühne, sondern erleben das Spektakel vor allem gemeinsam, als Kollektiv und im Kleinen mit dem Menschen, der direkt nebenan sitzt. Ein kollektives Erleben, in dem man zum Mit-Schauer und -Macher wird.
Besucher des Theaters schauen nicht nur zu, sie beeinflussen auch, was auf der Bühne passiert. Eine atmosphärische Komponente, eine Aura, wie die des Theaters, haben die „flachen Medien“, die Bildschirmmedien nicht. Reize springen über – von der Bühne ins Publikum und vom Publikum zu den Schauspielern.
Besucher sehen nicht nur zu, sie können das Geschehen auf der Bühne auch durch ihre Reaktionen beeinflussen. Buh-Rufe können Schauspieler zum Beispiel aus dem Konzept bringen, Jubel oder Pfeifen kann sie bewegen, für einen Moment aus ihrer Rolle zu fallen und zu lachen, sich zu versprechen oder aber einen Witz fernab vom Skript zu machen. Selbst Aufregung wird vom Publikum erspürt. Pheromone liegen in der Luft, wenn sich Spannung aufbaut.
Mehr Nähe in kleinen Theatern
Der Mensch ist dazu veranlagt, Reize aufzunehmen. Je vielfältiger Reize geboten werden, desto intensiver ist ein Erlebnis. Das moderne Theater lebt davon. Natürlich geht es beim Theater auch um Inhalte. Auf der Bühne ist tabufrei möglich, neue Gedanken zu wagen und mit Gesellschaftsmodellen zu experimentieren. Inhalt und Reiz sollten sich aber immer auch ergänzen. So gibt es Schreck- und Überraschungsmomente auf der Bühne. Solche Momente lassen nicht zu, dass man sich – wie bei den Bildschirmmedien – einfach nur berieseln lässt. Ein lauter Schrei oder ein Schauspieler, der auf einen Besucher zugeht oder sich zu ihm setzt – Theater fesselt sein Publikum. Es fesselt vor allem durch seine Unmittelbarkeit.
Kleinere Theater wie zum Beispiel das Hafen-Revue-Theater, das Schnürschuh-Theater oder das Bremer Kriminal-Theater haben eine besondere Nähe zu ihrem Publikum. Alle finanzieren sich ausschließlich privat und haben damit besondere Möglichkeiten, ein unkonventionelles und auch unabhängiges Programm zu bieten. Aus diesem Gedanken heraus ist im Jahre 2015, national einzigartig, der Verbund der Bremer Privattheater entstanden. Alle zusammen engagieren sich für mehr Vielfalt innerhalb der Bremer Theaterlandschaft und mehr kreative Kooperation. Jeder einzelne Zuschauer trägt mit seinem Besuch dazu bei, dass es Theater weiter gibt.
Über den Gastautor:
Ulrich Möllmann ist studierter Chemieingenieur und hat gemeinsam mit Claudia Geerken 2001 das Musik-Ensemble „Vocalartisten“ und 2013 das Hafen-Revue-Theater in der Überseestadt gegründet.