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Bierkistenrennen: Ein Selbstversuch im sportlichen Kampftrinken am Unisee Laufen und gleichzeitig saufen

Unzählige Bierkisten, aufgeregte Sportler, letzte Taktikbesprechungen – im Bus der Linie 22, der viele Teams zum Schauplatz chauffiert: zum Bierkistenrennen am Unisee. Letzte Vorbereitungen für den Wettbewerb werden getroffen. Im Vierersitz vorn präpariert eine Gruppe noch schnell eine Bierkiste mit Toilettenpapier – für den Tragekomfort.
16.05.2013, 05:00 Uhr
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Von Sandra Eichhorn

Unzählige Bierkisten, aufgeregte Sportler, letzte Taktikbesprechungen – im Bus der Linie 22, der viele Teams zum Schauplatz chauffiert: zum Bierkistenrennen am Unisee. Letzte Vorbereitungen für den Wettbewerb werden getroffen. Im Vierersitz vorn präpariert eine Gruppe noch schnell eine Bierkiste mit Toilettenpapier – für den Tragekomfort.

Horn-Lehe. Das Bierkistenrennen am Unisee ist seit Jahren ein großes Happening. Dort stellen sich Viererteams einem knallharten Wettbewerb. Jede Mannschaft muss eine volle Bierkiste mit 30 Flaschen à 0,33 Liter um den Unisee tragen. Unterwegs darf kein Bier verschüttet werden, aber beim Überschreiten der Ziellinie muss der Kasten leergetrunken sein, und die Kronkorken müssen wegen des Umweltschutzes vorgezeigt werden.

Gewonnen hat am Ende die Mannschaft, die als erste im Ziel angekommen und mit einer leeren Kiste drei Runden um eine Eiche gelaufen ist. Die Regeln hören sich einfach an – also mal los, auf in den Selbstversuch!

Doch vielleicht sollte ich mir vorm Mitmachen Tipps von Teilnehmern holen. "Wir haben versucht, erst mal richtig zu frühstücken", erzählt die 23-jährige Nele aus Horn. "Eine Strategie war Sardinen essen, das fand ich aber eklig. Es wurde auch Käse mit Remoulade gegessen", sagt sie. "Und es wurde geraten, vorher Wasser zu trinken."

Plötzlich kommen mir Zweifel. Ohne jegliche Vorbereitung zu starten, war vielleicht doch nicht so eine gute Idee. Andererseits halten viele die Vorbereitung für überbewertet: "Entweder kann man trinken oder man kann nicht trinken!", sagt der 21-jährige Martin aus Horn. Und von Taktik kann bei einem spontan gebildeten Team schon gar nicht die Rede sein. Spontan bietet sich nur noch die Nachfrage bei Patrick an. Der 27-jährige Horner hat es im vergangenen Jahr mit seiner Mannschaft immerhin auf Platz drei geschafft. "Die Taktik ist, die Gegner einzuschüchtern", verrät er. "Man ruft immer wieder ganz laut ,Bier!’. Damit hat man die anderen unter Druck gesetzt, weil sie denken, man hätte schon wieder ein neues geöffnet. Dann überstürzen die alles! Und wenn sie das überstürzen, fallen sie irgendwann um."

Nun ja, klingt logisch. Zumal ein Team ausscheidet, sobald sich jemand übergeben muss. Diese Regel kostete schon einige den sicher geglaubten vorderen Platz. Unterwegs darf jede Mannschaft so oft sie mag, eine Pause einlegen. Auch futtern zwischendurch ist erlaubt.

Unser Spontan-Team beschließt, das Ganze doch etwas ruhiger angehen zu lassen. Schon stehen wir am Startpunkt. Position einnehmen, Bier in die Hand, Kronkorken ab – 15 Uhr – startklar!

Upps, schon nach wenigen Minuten sind die Teams vom Gerülpse der Gegner eingehüllt. Dabei wird einem das erste Hindernis überhaupt erst bewusst: Wohin mit der ganzen Luft im Bauch? Das schnelle Laufen und dabei trinken scheint eine ungesunde Mischung zu sein. Das Bier schwappt im Magen hin und her. Trotzdem geht es gut voran. Unter den 21 Teams sind außer dem ständigen Rülpsen auch fröhliche Lieder und Kampfgebrüll zu hören. Plötzlich kommt ein Tandem vorbeigefahren. In seinem Anhänger werden eine Gummipuppe und Musikanlage befördert, die dröhnende Beats verstreut. Das soll motivieren.

Auf dem etwa 2,5 Kilometer langen Weg passieren die Teilnehmer ein Café. Einige Gäste beobachten den Trubel völlig erstaunt. Aber vollkommen unbeeindruckt von den irritierten Gästen am Wegesrand lautet das Credo unserer Mannschaft weiterhin: höchste Konzentration. Obwohl, zugegebenermaßen, das Konzentrationsvermögen nach dem zweiten Bier innerhalb von zehn Minuten langsam nachlässt.

Als die Runde um den See geschafft ist, ist etwa eine halbe Stunde vergangen. Der Rekord beim Bremer Bierkistenrennen liegt bei 19,5 Minuten. Die Rekordhalter hatten in dieser Zeitspanne sogar schon all ihren Gerstensaft aus, unsere spontane Wettkampftruppe hingegen hat noch eine halbe Kiste vor sich.Beruhigend zu beobachten, dass die meisten anderen auch vorm Ziel angekommen sind und weitertrinken müssen. Eine gute Gelegenheit, sich umzusehen. Bei diesem als Jux gedachten Wettbewerb, den Studenten aus dem Horner Wohnheim Vorstraße ursprünglich am Himmelfahrtstag 2007 ins Leben gerufen haben sollen, lassen viele der weiblichen Teilnehmer ihre männliche Konkurrenz dumm aus der Wäsche gucken: "Lorenz habe ich abgezogen im Biertrinken", prahlt die 22-jährige Jules aus der Neustadt – und meint damit ihren Freund.

Das schnellste Frauen-Team ist diesmal das von Julia (24) aus Horn. Es ist als fünftes dreimal um den Baum gelaufen. Wie sie das geschafft haben? "Wir sind schneller gelaufen als alle anderen", stellt die 24-Jährige fest. "Wir haben geschwitzt ohne Ende, aber es war nicht so schlimm wie ich dachte. Jetzt bin ich satt."

Das Bierkistenrennen gilt durchaus als sportliche Herausforderung. Körperliche Fitness ist nicht unwichtig. "Ich muss sagen, im nächsten Jahr ist mehr Training nötig, vor allem konditionell", gibt die Hornerin Nele nach dem Wettkampf zu. Da helfe auch keine Sardine. Das Grübeln darüber, was einem zum Sieg verhelfen könnte, führt zwangsläufig zu einem Gespräch mit dem diesjährigen Sieger-Quartett, das die Aufgabe in 22 Minuten bewältigt hat.

Die Mannschaft war erst in der Nacht vorm Bremer Bierkistenrennen gegründet worden. Ihre Taktik war folgende: "Wir gehen los, trinken ganz doll dieses Bier aus und sind schneller als alle anderen", verrät der 26-jährige Robert.

Diese Auskunft hilft Teilnehmern mit Siegesambitionen nicht wirklich weiter. Also bohrt der Neuling weiter und bekommt zu hören: "Egal, wer euch euren Elan nehmen will, lasst euch nicht davon abhalten, professionell Bier zu trinken!", sagt der 26-jährige "Bongo" aus Petershagen. Sein Team hat demzufolge also Kampfgeist zum Sieg geführt. Ob dieser Erkenntnis ist der Griff zu den letzten vollen Flaschen im eigenen Kasten naheliegend. Kurz darauf endet der "Jux" mit der dritten Runde um die Eiche. Geschafft! Platz 19!

"Als wir unterwegs waren, dachte ich, wir wären einer der letzten gewesen", erzählt Jörg (31) aus Findorff, der ebenfalls gerade eintrudelt. "Aber im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass die Leute, die am Anfang Gas gegeben haben, um mit ihrer Kiste so schnell wie möglich um den See zu kommen, hier viel mehr Zeit verbracht haben, um ihre Kiste leer zu bekommen."

Mittlerweile haben es alle Teams ins Ziel geschafft. Endlich entspannen lautet das Motto für das gesamte Teilnehmerfeld. Es gibt nur ein Problem: Das Bier ist alle!

Laufen und gleichzeitig saufen

Bierkistenrennen: Ein Selbstversuch im sportlichen Kampftrinken am Unisee

Zitat:

"Wir haben geschwitzt ohne Ende, aber es war nicht so schlimm wie ich dachte. "

Teilnehmerin Julia (24)

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