Nein, keine Leichen im Keller. Dort nicht und nirgendwo. Alle weg, schon lange. Die Pathologie liegt leer und verlassen. Es spukt auch nicht im Totenhaus, jedenfalls nicht am helllichten Tage, wenn die Sonne durch große Fenster ins Haus flutet. Ein wenig unheimlich zumute kann einem nur werden, wenn sich die Vorstellungen und Gedanken verselbstständigen, entfacht zum Beispiel durch den Anblick der Leichenfächer hinter den blanken Stahlklappen im Erdgeschoss oder der Seziersäle ein Stockwerk höher.
Die Tische in den verfliesten Sälen waren aus Metall und in den Boden verschraubt. Unbeweglich, und doch aus den Räumen verschwunden, weil fast alles von Wert seinen Abnehmer gefunden hat. Vor einem Jahr ist die Pathologie ausgezogen – und jetzt wird auch das Gebäude verkauft.
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Rundgang durch ein Haus mit 110-jähriger Geschichte. Vom Dachboden bis zum Keller, wo es zwar keine Leichen gibt, bestimmt nicht, wohl aber etwas anderes, was damit zu tun hat. Zwei große Kunststofftanks schimmern milchig in der Dunkelheit. Drumherum ein Keramikbecken, um den gefährlichen Inhalt der Tanks sicher aufzufangen, falls beim Abfüllen mal etwa danebengeht. In den Behältern, die jetzt leer sind, schwappte Formalin, eine Mischung aus Wasser und Formaldehyd. Mit dem Mittel wurde an den Leichen zur Beweissicherung Gewebe haltbar gemacht. Formalin ist nicht ohne, schon wegen seines beißenden und stechenden Geruchs, vor allem aber, weil es Krebs auslösen kann. Vorsicht also, selbst jetzt noch.
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Vor einem der Seziersäle ist auf dem breiten Flur eine Notdusche installiert. Für den Fall der Fälle, wenn es schnell gehen musste, um die Gesundheit der Pathologen zu schützen. Der Mensch stirbt auf die unterschiedlichste Weise und manchmal eben auch so, dass sein toter Körper kontaminiert ist und beim Öffnen der Leiche Giftstoffe freigesetzt werden.
Der Hörsaal der alten Bremer Pathologie ist ein Schmuckstück
Der Anatomie-Hörsaal ist putzig. So klein, dass allenfalls 50, vielleicht 60 Personen auf den Klappstühlen Platz fanden. Ein Auditorium minimum, sozusagen. Die Sitzreihen vor den braunen Holzpulten steigen nach hinten an, ganz so, wie es sich für einen Hörsaal gehört. Der Raum ist ein Schmuckstück und steht mit seiner Einrichtung unter Denkmalschutz. Einen Daumen drauf hat die Behörde auch bei dem Gebäude insgesamt, es darf, wenn überhaupt, nur mit Zustimmung der Landesdenkmalpflege leicht verändert werden.

Der kleine Hörsaal in der alten Pathologie – ein Schmuckstück, das wie das Gebäude unter Denkmalschutz steht.
Zur Pathologie gehörte eine Kapelle. Davon zeugt unter anderem das Glockentürmchen mit Uhr und aufgesetztem Kreuz auf dem Dach des Hauses. Es gibt ein Foto aus frühen Zeiten, das die Kapelle mit aufgebahrtem Sarg zeigt – der Raum war schlicht und voller Anmut. In dieser Gestalt gibt es ihn nicht mehr, er wurde 1979 aus Gründen der Wirtschaftlichkeit in zwei Geschosse geteilt. Von außen betrachtet ist die Kapelle mit Türmchen und großem Chorfenster aber noch da.
Zuletzt das Treppenhaus. Im Bericht der Denkmalpfleger findet es wie der kleine Anatomie-Hörsaal besondere Erwähnung: „das schöne bauzeitliche Haupttreppenhaus mit aufwendiger und origineller Gestaltung der elektrischen Beleuchtung (Leuchtampel auf verziertem Gitterpfeiler im Treppenauge)“. Einzig, dass die Stufen später mit Kunststoff belegt wurden und der schöne Terrazzoboden seitdem verborgen bleibt.

Das Treppenhaus im Originalzustand.
Es gibt vieles, was im Gebäude nicht mehr dem Original entspricht; mit der Hülle verhält es sich anders, davon ist das allermeiste erhalten geblieben: „Das alles ist mit großem Geschick in Szene gesetzt und macht die Pathologie zu einem der baukünstlerisch auffälligsten Bauten des Krankenhausgeländes“, resümieren die Denkmalpfleger.