Mehr Raubdelikte, starker Anstieg bei den Körperverletzungen sowie bei häuslicher Gewalt und nicht zuletzt ein enormer Anstieg bei den Diebstählen um etwa 40 Prozent, was rund 10.000 zusätzlichen Fällen entspricht: Das ist das Bild der polizeilichen Kriminalstatistik 2023 für die Stadt Bremen, die diesen Donnerstag von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) vorgestellt wurde. "Das ist keine überraschende Entwicklung", sagte er mit Blick auf die schon bekannten und ebenfalls gestiegenen Zahlen aus Niedersachsen und Hamburg.
Der Entwicklung liegen offenbar verschiedene Ursachen zugrunde. Dazu gehört auch der Umstand, dass die Polizei mit hohem Personalaufwand zahlreiche liegengebliebene Fälle aus den Vorjahren abschließen konnte. Allein das betreffe laut Innenbehörde über alle Delikte hinweg eine "niedrige fünfstellige Zahl".
Statistik dokumentiert in erster Linie die Arbeit der Polizei
Grundsätzlich dokumentiert die polizeiliche Kriminalstatistik in erster Linie die Arbeit der Polizei und nur indirekt die tatsächliche Entwicklung der Kriminalität. "Dies darf uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir besonders in einigen Bereichen wie Raub, Körperverletzung und Diebstahl hohe Fallzahlen zu bearbeiten hatten, die uns Sorgen bereiten müssen", kommentierte Mäurer.

Die Grafik zeigt, wie sich die Zahl der Straftaten in unterschiedlichen Kategorien entwickelt hat.
So habe es bei den Raubdelikten einen steilen Anstieg um rund 70 Prozent gegenüber 2022 gegeben. Auch bei Raub auf Straßen, Wegen und Plätzen, stiegen die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr erheblich an. Der Sprung von 360 auf 587 Fälle in 2023 entspricht einem Plus von 63 Prozent. Bei den um insgesamt 38 Prozent gestiegenen Diebstählen fallen insbesondere die Diebstähle aus oder an Fahrzeugen ins Auge: Sie legten um knapp 67 Prozent zu.
Mäurer: Soko "Junge Räuber" zeigt Wirkung
Mäurer verwies aber auch auf den Erfolg der Soko "Junge Räuber" in der Stadt Bremen, die seit September 2023 270 ihrer 410 bearbeiteten Straftaten aufgeklärt hat und 28 Haftbefehle erwirken konnte. "Der aktuelle Blick auf das Tatgeschehen zeigt bereits einen deutlichen Rückgang", sagte der Innensenator. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bewertet in einer ersten Stellungnahme zu der Statistik solche interdisziplinären Ermittlungsgruppen als hocheffektive Maßnahme, weist aber auch auf die insgesamt knappe Personaldecke der Bremer Polizei hin. Sonderkommissionen und Ermittlungsgruppen führten zu Lücken bei der Bereitschaftspolizei und in der Kriminalpolizei sowie im Landeskriminalamt, warnt Nils Winter, Landesvorsitzender der GdP. Ähnlich bewertet es Bernard Soika von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Insgesamt über 10.000 zusätzliche Vorgänge im Jahr 2023 seien für die personell unterbesetzte Bremer Polizei nicht mehr in Gänze abzuarbeiten.
Viele reisende, nichtdeutsche Täter
Hinsichtlich der Täter fällt laut Mäurer bei Delikten wie Raub und Diebstahl der hohe Anteil von nichtdeutschen Tatverdächtigen in der Stadt Bremen ins Auge. Bei Diebstahl liegt der Anteil demnach bei 55 Prozent und bei Raub bei 60 Prozent. "Es ist kein Geheimnis, dass rund die Hälfte der von der Soko ermittelten 135 Tatverdächtigen aus Marokko und Algerien stammen", sagte er. Laut Polizeipräsident Dirk Fasse wisse man auch, dass es sich zum Teil um reisende Täter handele, die zuvor in Spanien und Frankreich Taten begangen haben. "Jetzt war einfach die Stadt Bremen ihr Hotspot." Volker Ortgies, Direktor der Ortspolizeibehörde Bremerhaven, betont denn auch, dass es in der Seestadt keine auffälligen Zahlen oder Entwicklungen beim Straßenraub gebe, weil diese Tätergruppe dort schlicht nicht vorhanden sei.
Wirtschaftliche Krise als Treiber der Kriminalität
Als weiteren Treiber für steigende Fallzahlen hatte laut Mäurer der Chef des Bundeskriminalamtes Holger Münch schon im Herbst 2023 die wirtschaftliche Entwicklung ausgemacht, hier vor allem die Inflation. Besonders augenfällig werde dies beim Ladendiebstahl oder bei dem sogenannten Tankbetrug. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der Fälle in der Stadt Bremen, in denen Tatverdächtige ihr Fahrzeug auftankten, aber hierfür nicht bezahlten, mit 850 mehr als verdoppelt.
Die hohe Zahl von Autoaufbrüchen – ein Anstieg von 3919 Fällen im Jahr auf 6541 Fälle in 2023 – erklärt die Polizei hingegen mit der ebenfalls von der Inflation beeinflussten Beschaffungskriminalität. Tatorte seien oftmals nicht ausreichend gesicherte Parkhäuser gewesen.
Opposition sieht Bremen "im Würgegriff der Gewalt"
Die Oppositionsparteien CDU, FDP und Bündnis Deutschland bewerten die Kriminalstatistik mit unterschiedlichen Akzenten als "Bilanz des Scheiterns von Innensenator Mäurer", wie es Marco Lübke formuliert, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Bei der FDP fasst es der innenpolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion Bremen Marcel Schröder so zusammen: "Wir müssen konstatieren, dass sich Bremen mittlerweile im Würgegriff der Gewalt befindet."
Er fordert eine effektive Strategie gegen das "Drogen-Elend am Hauptbahnhof" mit Konsumräumen sowie einer konsequenten Verfolgung und Bestrafung der Dealer. Für die Opfer von häuslicher Gewalt fordert er mehr Anlaufstellen und Hilfs-Angebote. Mit Blick auf die hohe Zahl nichtdeutscher Straftäter müsse Bremen zudem endlich konsequenter abschieben.
Einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und steigender Kriminalität sieht auch Jan Timke, von Bündnis Deutschland. "Wenn von 135 ermittelten Tatverdächtigen knapp die Hälfte aus Marokko und Algerien stammt, aus Ländern also, in denen kein Krieg herrscht und es kaum akzeptable Fluchtgründe geben kann, führt Migrationsdynamik zur Kriminalitätsdynamik", sagte Timke
Michael Labetzke, der innen- und rechtspolitische Sprecher der Grünen in der Bürgerschaft, warnt dagegen vor voreiligen Schlüssen. "Welche Schwerpunkte in der Kriminalitätsbekämpfung gut funktioniere und in welchen Bereichen wir nachlegen und nachschärfen müssen, ist jetzt auch anhand der neuen Zahlen zu analysieren und zu beraten“, sagte er. Die anstehende Veröffentlichung des ersten Periodischen Sicherheitsberichts, der die Sicherheitslage in Bremen umfassend wissenschaftlich analysiert, werde dabei helfen.