Ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl gibt es in Bremen keine Wechselstimmung. So viel lässt sich festhalten, wenn man das aktuelle politische Stimmungsbild studiert. Was die Meinungsforscher zusammengetragen haben, bewegt sich im Rahmen des Erwartbaren: Die Sozialdemokraten erholen sich von ihrem desaströsen Ergebnis aus dem Jahr 2019, aber die Bäume wachsen für sie nicht in den Himmel. Die prognostizierten 30 Prozent wären im Langzeitvergleich immer noch ein schwaches Ergebnis in der einstigen Hochburg. Doch mehr geht derzeit offenbar nicht, trotz der überragenden Beliebtheitswerte von Bürgermeister Andreas Bovenschulte.
Zugleich hängt die CDU bei gut 20 Prozent fest. Das dürfte ihre Kernwählerschaft sein. Aber natürlich lässt sich ein ernsthafter Anspruch auf die Regierungsbildung im nächsten Jahr nur erheben, wenn die Christdemokraten deutlich darüber hinaus mobilisieren können. Ob ihnen das gelingt, wird sehr stark von der Entwicklung der politischen Großwetterlage abhängen. Seit 2020 dominierte die Pandemiebekämpfung das Geschehen, und Bovenschulte verdankt ein Gutteil seiner Popularität den Krisenmanagerqualitäten, die er in dieser Zeit an den Tag legte.
Die Ukraine hat Corona inzwischen als Thema Nummer eins abgelöst. Aber in dem Maße, in dem diese Themen irgendwann in den Hintergrund treten, werden die eigentlichen Probleme des kleinsten Bundeslandes wieder auf die politische Tagesordnung drängen. Nach Corona und nach dem Ukraine-Krieg ist Bremen immer noch das ärmste Bundesland mit der höchsten Dichte an Hartz-IV-Bezug, schlechter Bildung und Nachholbedarf beim wirtschaftlichen Strukturwandel.
Auf diese Defizite aufmerksam zu machen und zugleich überzeugende Konzepte anzubieten, wird die Aufgabe des CDU-Spitzenkandidaten Frank Imhoff sein. Wenn er das schafft, könnte es im Mai 2023 spannender werden, als es die Momentaufnahme einer Meinungsumfrage erwarten lässt.