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Serie "Digga, beweg Dich!" "Eine gute Stulle ist schon was Anständiges"

Teil 4 unserer Serie: Ernährungs-Expertin Anna Hüsing gibt Tipps für eine gesunde Kinderernährung. Sie erklärt, wie Eltern ihre Kinder unterstützen können und warum eine ausgewogene Ernährung so wichtig ist.
12.09.2025, 11:54 Uhr
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Von Jean-Julien Beer

Zur Person

Anna Hüsing (27)
hat Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften in Bonn studiert. Seit viereinhalb Jahren arbeitet sie als Tutorin und Dozentin am IST-Studieninstitut.

Frau Hüsing, beginnen wir mit einem Alltags-Klassiker: Das Kind kommt aus der Schule und in zwei Stunden ist Training. Sollen die Eltern ihm jetzt noch was zu essen machen? Und wenn ja, was?

Anna Hüsing: Wenn es noch zwei Stunden bis zum Sport sind, dann könnte eine kleine Mahlzeit noch funktionieren, die nicht übermäßig fettig und auch nicht zu ballaststoffhaltig ist. Nudeln mit Tomatensoße wären zum Beispiel gut, oder ein nicht zu dunkles Brot mit Käse, Aufschnitt oder Aufstrich. Wenn es knapper vor dem Training wird, aber das Kind noch Hunger hat – dann könnte ein kleiner Snack guttun, wie eine Banane oderein Müsliriegel, auch ein Joghurt mit ein paar Beeren oder Haferflocken drin. Den Hunger vor dem Training zu ignorieren ist kein guter Plan – weder als Kind noch als Erwachsener.

In vielen Familien gibt es Diskussionen: Sollte das Kind frühstücken – oder ist das verzichtbar?

Rein theoretisch ist es verzichtbar. Allerdings kommt der Biorhythmus durch ein Frühstück besser in Gang. Über Nacht werden die Glukosespeicher aus unseren Muskeln geleert und das Gehirn braucht unbedingt Glukose, um zu funktionieren. Deswegen hilft ein kleiner Snack beim Start in den Tag schon sehr. Wenn das Kind aber partout keinen Hunger hat, sollte man es nicht zwingen. Besser ist es, ein kleines Stück Obst mitzugeben oder einen Smoothie zum Trinken, damit der Körper wenigstens ein bisschen auf Touren kommt. Das hilft auch, wenn keine Zeit für ein Frühstück ist. Die Hektik am Morgen kann man vermeiden, indem man die Snacks am Vorabend zubereitet. Das kann auch eine Stulle mit Käse sein, die man gut auf die Hand nehmen kann.

Eine schlechte Ernährung bleibt aber eine schlechte Ernährung, ob das Kind sich jetzt bewegt oder nicht.

Viele Kinder hängen oft am Handy oder an der Konsole, sitzend oder liegend. Ist dann eine schlechte Ernährung noch schädlicher?

Das auf jeden Fall. Aber es ist noch komplexer. Es gibt derzeit eine große wissenschaftliche Diskussion darüber, was der Haupttreiber für Übergewicht ist. In diesem Zuge wurden aktuelle Studien veröffentlicht, nach denen die Ernährung einen ganz wesentlichen Beitrag leistet, wahrscheinlich sogar mehr als die Bewegung. Eine schlechte Ernährung bleibt aber eine schlechte Ernährung, ob das Kind sich jetzt bewegt oder nicht. Und auch wenn wir heute alle ganz gut mit Kalorien versorgt sind, können sich Mängel einzelner Nährstoffe ergeben, wenn wir zu einseitig essen. Das kann die Entwicklung eines Kindes hemmen.

Wenn ein übergewichtiges Kind abnehmen möchte – wie kann man es dabei unterstützen?

Tatsächlich lernt das Kind am ehesten durchs Abgucken. Das kann man sich bei der Ernährung super zunutze machen und mit gutem Beispiel vorangehen. Eine regelmäßige Mahlzeitenstruktur ist so wichtig wie eine ausgewogene Ernährung. Das bezieht Obst, Gemüse und unterschiedliche Vollkornprodukte mit ein, aber eben auch den richtigen oder toleranten Umgang mit Süßwaren. Grundsätzlich ist es aber so, dass Kinder, die nicht stark übergewichtig sind, nicht unbedingt abnehmen müssen, einfach weil sie noch in einer Wachstums- und Entwicklungsphase stecken und sich dabei das Höhen- und Längenwachstum mit dem Breitenwachstum immer mal wieder abwechselt.

Was kann man tun, wenn das Kind kein Obst oder Gemüse anrühren möchte?

Was oft hilft, ist einen gewissen Spaß zu integrieren. Eine Kiwi zum Beispiel so zu schneiden, dass sie kleine Zähnchen hat. Manche Eltern nehmen auch Ausstechformen von Plätzchen, um zum Beispiel aus Kohlrabi einen Dino auszustechen. Das kann schon helfen, um überhaupt Interesse zu wecken. Wichtig ist, immer wieder etwas anzubieten. Das Kind muss es gar nicht essen, sondern einfach immer wieder gezeigt und vielleicht auch vorgegessen bekommen. Das prägt sich ein und macht neugierig. Man kann das Gemüse auch in Pürees oder in einer Tomatensoße verstecken, wenn man es klein genug schneidet. Manchmal denken Kinder, dass sie etwas ganz doll nicht mögen – und dann versteckt man es in einer Mahlzeit und schon haben sie es doch gegessen.

Wenn die Kinder sich verausgaben, müssen sie mehr essen.

Wie ist es bei Kindern und Jugendlichen, die sportlich sehr aktiv sind – was ist da bei der Ernährung wichtig?

Erst einmal ist es dann wichtig, die Kalorien an den Mehrbedarf anzupassen. Wenn die Kinder sich verausgaben, aber nicht mehr essen oder nicht nahrhafter essen als vorher, können sie einen Kalorienmangel oder sogar einen Nährstoffmangel bekommen. Sie müssen also mehr essen. Da hilft ein Snack vor oder nach dem Sport, damit der Körper gut versorgt ist, oder eine zusätzliche Mahlzeit. Je nach Sportart können wir die Regeneration mit ein bisschen Eiweiß oder Vitaminen und ein bisschen mehr Kohlenhydraten unterstützen. Das ist auch wichtig, damit die Muskeln sich gut erholen. Man muss auch darauf achten, während und nach der Belastung ausreichend zu trinken. Eiweißpulver ist in der Regel nicht notwendig, auch wenn viele Jugendliche das inzwischen gerne nehmen. Wenn die Ernährung ausgewogen ist, braucht es das aber nicht wirklich.

Welche Ernährungsfehler können in der Pubertät gemacht werden?

Klar ist, dass Süßigkeiten und Energydrinks dann ein größeres Problem werden, wenn die Jugendlichen mit Altersgenossen unterwegs sind. Neben den sichtbaren Veränderungen der Haut können hier auch Karies, Übergewicht und Kreislaufbeschwerden eine Folge sein – besonders bei den Energydrinks, deren Säure die Zähne angreifen und die den Puls hochtreiben können. Nicht ohne Grund sind die erst ab 16 verkäuflich. Was in der Jugendlichkeit oder in der Pubertät auch vorkommt, ist das Auslassen von Mahlzeiten, um einem entsprechenden Schönheitsideal nachzueifern. Das kann aber zu Energie- und Nährstoffmangel führen – und daraus resultieren mindestens Konzentrationsprobleme bis hin zur Apathie. Oft entsteht zudem eine Fast-Food-Dominanz, weil die Mitschüler gerne zu McDonalds oder zu anderen Ketten gehen und man dazugehören will. Hier ist das Risiko, zu viel Fett, zu viel Salz und zu viel Zucker, aber zu wenige Vitamine aufzunehmen, wodurch der Körper nicht mehr gut versorgt ist mit dem, was er alles braucht – oder dass er gar nicht mehr weiß, wohin mit den Kalorien und dem Fett. Es gibt viele Fallen, in die man da tappen kann.

Was halten Sie von Shakes, zu denen gerade Mädchen gerne greifen?

Die Werbeversprechen oder Wundermittel aus den Social-Media-Kanälen sind verlockend. Aber es könnte die Entwicklung hemmen, wenn man noch jung in der Pubertät ist. Gerade da muss man aufpassen, dass man sich nicht zu einseitig ernährt. Woran man auch denken muss, ist dieses jugendliche „Die Eltern haben nie recht“. Nach dem Motto: Die haben mir immer gesagt, ich soll Obst und Gemüse essen – und deshalb esse ich jetzt erst recht kein Obst oder Gemüse mehr. Das könnte zu Vitamin- und Nährstoffmangel führen.

Was ist von den Protein- oder Eiweißpulvern zu halten, auf die viele Jugendliche schwören?

Wenn die Proteinshakes oder Ersatzlebensmittel andere natürliche Lebensmittel vom Speiseplan verdrängen, besteht auch hier die Gefahr einer einseitigen Ernährung. Es gibt Formula-Diäten, die sind auch als Shake aufgebaut und hier braucht man sogar eine ärztliche Begleitung. Wenn man da selbst rangeht und Mahlzeiten durch Shakes ersetzt, muss man auf jeden Fall vorsichtig sein. Man sollte darauf achten, dass die Ernährung weiterhin ausgewogen und bunt bleibt. Was dazukommt, und hier gehen wir in die psychologische Richtung, ist ein Adonis-Komplex.

Eltern sollten darauf achten, dass es kein totales Reinsteigern in diese Fitness-Bubble wird.

Was meinen Sie damit?

Mit dem Einkauf von Proteinmitteln geht ja der Wunsch einher, einem entsprechenden Körperbild nachzukommen. Für die Jungs ist das der Wunsch, möglichst viele Muskeln aufzubauen. Für die Mädels geht es meist darum, Muskeln aufzubauen und sehr wenig Körperfett zu haben. Hier sollten Eltern darauf achten, dass es kein totales Reinsteigern in diese Fitness-Bubble wird. Außerdem sind diese Mittel oft sehr teuer. Eigentlich gibt es aber keinen Grund, auf diese Pulver oder auf Proteinlebensmittel umzusteigen, wenn die Ernährung ausgewogen ist. Proteine kann man ja auch in Form von Fisch, Käse, Quark oder Eiern aufnehmen oder eben pflanzliche Proteine in Form von Hülsenfrüchten, Obst, Gemüsen oder Vollkornprodukten. Damit ist man schon gut aufgestellt.

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Was ist das perfekte Pausenbrot?

Sich auf nur ein bestimmtes Pausenbrot festzulegen, spricht irgendwie gegen die abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung. Man sollte das immer mal wieder variieren. Ich persönlich fand, besonders in meiner Uni-Zeit, einen Wrap immer gut. Den kann man super austauschen, mal mit Feta-Käse oder mit einer Bohnenpaste oder Sonstigem. Grundsätzlich ist das typische Vollkornbrot mit Aufschnitt echt gut zum Mitnehmen. Ob mit Käse, Aufschnitt oder Aufstrich: So eine gute Stulle auf die Hand ist schon was Anständiges. Dazu Obst und Gemüse, oder auch mal Cracker mit Dip. Ganz wichtig ist es dabei aber, die Vorlieben der Kinder und Jugendlichen mit einzubeziehen. Sonst landet das gut gemeinte Pausenbrot im Mülleimer – und damit ist keinem geholfen.

Das Gespräch führte Jean-Julien Beer.

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