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Trainingsgast beim Bremer Kegler-Verein Pumpe, Pudel oder Ratte

Bremen. In unserer Serie "Trainingsgast bei... " gibt Redakteur Frank Büter mit Erfahrungsberichten Einblicke ins Bremer Vereinsleben. Den Anfang macht er beim Bremer Kegler-Verein.
06.06.2011, 05:00 Uhr
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Pumpe, Pudel oder Ratte
Von Frank Büter

Bremen. "Locker bleiben - auch in der Seele." Der gut gemeinte Ratschlag hallt in meinem Kopf nach. Es ist nämlich gar nicht so leicht, die Lockerheit zu bewahren. 23,5 Meter plus Anlauf trennen mich von den neun Kegeln am Ende der Bohlebahn. Über diese nur 35 Zentimeter breite Bahn soll die Kugel also ins Ziel rollen - waren die Bahnen früher nicht breiter? Es ist lange her, dass ich gekegelt habe - bestimmt schon acht oder neun Jahre. "Fuchsjagd", "Tannenbaum", "Hausnummern" - das waren beliebte Spiele in geselligen Runden. Und die geforderte Lockerheit war stets mein Partner. Doch heute...?

Heute bin ich Trainingsgast beim Bremer Kegler-Verein (BKV), dem Dachverband, dem 21 Bremer Klubs mit insgesamt etwa 300 aktiven und rund 100 passiven Sportkeglern angeschlossen sind. Das vereinseigene Freizeit- und Kegelsportcenter in der Duckwitzstraße ist an diesem Vormittag zunächst nur spärlich besucht. Obwohl: Eigentlich öffnet die Zwölf-Bahnen-Anlage an den Werktagen erst um 16 Uhr. Dass der Betrieb an diesem Tag bereits um 10 Uhr begonnen hat, liegt an einer bundesweiten Aktion des Deutschen Keglerbundes (DKB), an der sich auch der Bremer Verband beteiligt. Sechs Tage lang haben Sport- und Hobbykegler die Gelegenheit, das Bundeskegelsportabzeichen (BKSA) in Bronze, Silber oder Gold zu erwerben beziehungsweise die x-te Wiederholung abzulegen.

Pumpe, Pudel oder Ratte

Und genau deshalb bin ich hier. Nix mit "Oh Tannenbaum" und hohem Spaßfaktor - ich will dieses Breitensport-Angebot nutzen, um das Sportkegeln kennenzulernen. Als persönliche Betreuer stehen mir BKV-Pressewart Wolfgang Merdes - von wegen: "Locker bleiben, auch in der Seele" - und die beiden BKV-Sportwarte Günter Dökel und Heinz-Otto Grunst zur Seite. Allesamt sehr erfahrene Kegler, die mich fachkundig anleiten und mir wertvolle Tipps mit auf die Bahn geben.

Das A und O beim Sportkegeln, höre ich, ist der Ansatzpunkt. Es gilt, die richtige Stelle zu finden, wo man die Kugel auf die Bahn setzt. Der Anlauf muss natürlich passen, ebenso der Druck, den man der Kugel mitgibt. "Ist die Kugel erstmal aus der Hand, kann man nichts mehr machen", sagt Günter Dökel - und grinst. Ach ne.

Dann geht's los. Ich habe für mich vorab ein paar (wirklich nur ein paar) mehr als die obligatorischen fünf Probewürfe ausgehandelt. Drei Schritte Anlauf. Links, rechts, links. Das rechte Knie geht runter, der rechte Arm führt die Kugel lang am Körper vorbei. Die Kugel setzt exakt am vorher auserkorenen Punkt auf, verlässt die Hand - und rotiert nach wenigen Metern links in die Gasse. In der Theorie eine Eins, in der Ausführung eine Null. So etwas nennt der Volksmund "Pudel" oder "Pumpe", in Berlin heißt es auch "Ratte".

"Davon darf ich mir nicht allzu viele erlauben", denke ich. Denn als Hobbykegler (der ich ja nicht mal bin) muss ich in meiner Altersklasse (bis 45 Jahre) mit 100 Wurf mindestens 620 Holz erzielen, um das Abzeichen in Bronze zu schaffen. 100 Wurf am Stück, 50 auf dieser Bahn, die anderen 50 nebenan. Während echte Sportkegler dabei nach 25 Wurf auch noch den Ansatz (links/rechts) wechseln müssen, habe ich als Freizeitsportler die freie Wahl. Welch ein Glück. Ich bleibe also dabei, die Kugel rechts auf die Bahn zu schicken, einige Zentimeter neben der Kante. Wolfgang Merdes hat sich inzwischen etwa mittig der Bohlebahn positioniert. Sein Fuß (und später dann ein Bierdeckel) soll mir signalisieren, wie groß der Bogen der Kugel von rechts über links sein muss, damit die Kugel am Ende möglichst ideal zwischen dem (vom Betrachter aus rechts) zweiten und dritten Kegel einschlägt. Ich ertappe mich dabei, dass ich die Kugel im letzten Moment noch etwas mehr in Richtung eben dieser Fußspitze lenken will - die Drehbewegung des Handgelenks hat dann aber eine enorme Rotation zur Folge - hallo "Pudel".

Ein letztes Mal befeuchte ich mit dem bereitliegenden Wasserschwamm meine Hände, damit die Kugel griffig bleibt - "nachher macht das dann der Schweiß", sagt Wolfgang Merdes - und grinst. Das könnte hier also noch eine schweißtreibende Angelegenheit werden. Nun denn: Gut Holz - Totalisator auf null, ab jetzt zählt jeder Wurf.

"Sportkegeln ist zwar nicht so bewegungsintensiv wie Fußball oder Handball, doch es stellt höchste Anforderungen an Kondition und Konzentration", hat Günter Dökel beim Kennenlerngespräch gesagt. Eine absolut treffende Formulierung - das wird mir mit zunehmender Dauer bewusst. Und es ist am Ende auch an den Holzzahlen der vier 25er-Serien ablesbar.

"Mensch Junge, reiß' dich zusammen - konzentriere dich!" Nein, ich führe kein Selbstgespräch. Der Zwischenruf kommt von Wolfgang Merdes, der auf der Nebenbahn mit stoischer Ruhe und Sicherheit seinem Motto - "die Acht ist das Ziel eines Sportkeglers, die Sieben ist Schnitt" - nachgeht. Er hat mich offenbar (so ganz nebenbei) weiter beobachtet. Pudel. Drei. Vier. Pudel - in der Tat geht mein bis dahin noch ganz passabler Holzschnitt gerade in den Keller. Recht hat er ja. Die Konzentration ist die halbe Miete, doch um den Wurf wirklich gut auszuführen, muss auch der Bewegungsablauf stimmen. Und gerade an der Gleichmäßigkeit hapert es jetzt. Meine Oberschenkel beginnen zu schmerzen, es tut weh, immer wieder richtig tief runter zu gehen. Man will die Kugel ja nicht einfach fallen lassen, doch...

Ich beiße auf die Zähne, ja Herr Merdes: Ich reiße mich nochmal zusammen. Gleich ist auch die letzte 25er-Serie beendet - übrigens mit einem Resultat unter dem erforderlichen Schnitt. Doch in der Summe aller 100 Würfe habe ich es geschafft. Ich habe die Marke von 620 Holz geknackt. Echte Freude darüber empfinde ich aber nicht. Ich bin einfach nur kaputt. Anstatt der guten halben Stunde, die Vereinskegler für dieses Pensum benötigen, habe ich inklusive Probezeit fast eine Stunde gebraucht. Ich habe Kraft und auch eine Menge Adrenalin gelassen. Letzteres vor allem dann, wenn die Kugel an der Kante kratzte, darauf tanzte und dann (zum Glück!) doch noch den Weg zurück auf die Bahn und schließlich in die Kegel fand. Glückshormone - angesichts weniger Neunen recht spärlich dosiert - wurden auch mal frei.

Muskelkater im Anmarsch

"Sie haben Potenzial, das ist durchaus ausbaufähig", gratuliert Sportwart Heinz-Otto Grunst. "Wollen Sie gleich noch mal auf die Bahn und das Silberabzeichen in Angriff nehmen?" Nein, will ich nicht! Auf wackligen Beinen strebe ich einem Stuhl entgegen und lasse mich darauf fallen. In diesem Moment habe ich allergrößten Respekt vor all den Sportkeglern, die an Wettkampfwochenenden zweimal 100 Wurf und mehr absolvieren und dabei Leistungen auf konstant hohem Niveau erbringen.

"Das Schöne an diesem Sport", hat Günter Dökel betont, "das Schöne ist, dass man ihn bis ins hohe Alter ausüben kann." Im Moment fühle ich mich einfach nur alt - und ein heftiger Muskelkater ist bereits im Anmarsch. Mit Grausen denke ich an die Treppen im Pressehaus - ich muss gleich noch rauf in den dritten Stock. "Locker bleiben - auch in den Beinen", denke ich grinsend und beschließe, ausnahmsweise mal den Fahrstuhl zu nehmen...

Das Freizeit- und Kegelsportcenter in der Duckwitzstraße 71 hat werktags ab 16 Uhr geöffnet. Interessierte können einfach vorbeikommen oder sich vorab telefonisch beim Bremer Kegler-Verein unter der Rufnummer 511282 informieren. Die nächste Gelegenheit, das Bundeskegelsportabzeichen abzulegen, bietet der BKV vom 8. bis zum 13. September 2011.

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