Ein Atemstoß, und der Pfeil aus dem Blasrohr zischt schnurgerade durch den Raum. "Tock". Das Ziel ist getroffen. Was wie eine Jagdszene anmutet, ist eine Sportart, die immer mehr Menschen ausprobieren und die als neuer Trend gilt. In der Borgfelder Schützengilde trainieren die ersten Sportler für Meisterschaften im Blasrohrschießen.
Ursprünglich eine Jagdwaffe
"Das Blasrohr ist eine der ältesten Jagdwaffen, die Ursprünge reichen bis in die Steinzeit zurück", sagt Marco Tutzek. Der 1. Sportleiter der Borgfelder Schützengilde organisiert den Blasrohrsport im Verein. Vorsitzender Ingo Buchenau fügt hinzu: "Auch heute noch werden im Amazonasgebiet Vögel und Affen mit dem Blasrohr gejagt." Die Jäger dort allerdings präparierten ihre Pfeile mit Gift.
In der Schützengilde haben sie damit nichts am Hut. "Blasrohrschießen ist eine Sportart, die durch alle Altersklassen hinweg machbar ist", sagt Marco Tutzek. Mitmachen könne jeder, der das Rohr aus Metall, Holz oder Kunststoff halten und "durch ein Rohr blasen kann, ohne dabei umzufallen", so Tutzek. "Das geht bis ins hohe Alter". Weil die Sportart auch im Sitzen oder mit Handicap ausgeführt werden kann, ohne dass dem Sportler dadurch Nachteile entstehen, spricht der Deutsche Schützenbund (DSB) vom Blasrohrschießen als einer der "fairsten und sozialsten Sportarten unserer Zeit".

Ein Pfeilnadeln und ein Blasrohr - viel mehr braucht es für den Anfang nicht, um zu üben.
Um die Sportart auszuführen, brauche es nur wenig Platz, sagt Marco Tutzek, "man kann es theoretisch überall ausführen". Außerdem ist dieser Sport vergleichsweise kostengünstig, sagt Marco Tutzek. Eine Erstausstattung aus Blasrohr, Pfeilnadeln und Auflage sei für höchstens 250 Euro zu haben, während die Investition im originären Schießsport schnell mehrere tausend Euro betragen könne. Spezielle rechtliche Vorschriften gibt es Tutzek zufolge nicht. "Das Blasrohrschießen unterliegt nicht den Waffengesetzen", sagt er.
Leicht zu erlernen
Zeit für einen Selbstversuch. Das 1,20 Meter lange Metallrohr liegt leicht in der Hand, ein Schaumstoffring bietet Halt. Ich stelle mich im Schießstand am Hamfhofsweg Rund fünf Meter vor drei Zielscheiben auf, richte das Rohr aus. Mit zwei Augen ein Ziel zu fixieren, ist nicht so einfach. Zielhilfsmittel wie Kimme und Korn sind laut Sportordnung nicht erlaubt. Ingo Buchenau gibt Tipps, wie das Zielen leichter fällt. Das Rohr wackelt leicht, tief Luft holen und dann ein kräftiger Atemstoß. Der erste Pfeil trifft immerhin die Zielanlage, der zweite erreicht die Höchstpunktzahl und der dritte Pfeil landet im Aus. Mit jedem Versuch macht das Blasrohrschießen ein bisschen mehr Spaß.
Unter anderem das unterscheidet Laien von einem trainierten Blasrohrsportler: Die Wiederholbarkeit sehr guter Ergebnisse. Marco Tutzek erklärt, bei diesem Sport sei innere Ruhe und Konzentration gefragt. Und Ingo Buchenau macht Mut: "Um zu treffen, braucht es immer wieder den gleichen Blasdruck, das kann man trainieren." Fast meditativ wiederholen die Sportler den Ablauf. Möglichst jeder Schuss muss die höchste Ringzahl erreichen. Bei Meisterschaften tickt im Hintergrund außerdem die Uhr. Innerhalb von 180 Sekunden müssen 60 Schuss abgegeben werden, so Tutzek.
Für die Zukunft der Schützenvereine
Die sportlichen Erfolge sind das eine, das andere ist die Bedeutung des Blasrohrsports für die Zukunft der Schützenvereine. Mit Alternativangeboten versucht die Borgfelder Schützengilde, vor allem mehr junge Menschen auch für den Schießsport zu begeistern. Hartmut Suhling, der Präsident des Bezirksschützenverbands Osterholz, in dem die Borgfelder Schützengilde Mitglied ist, glaubt: "Angebote wie der Blasrohrsport helfen den Vereinen auf jeden Fall, ihre Strukturen zu verjüngen und den Fortbestand zu sichern."
Neue Mitglieder hat die Borgfelder Schützengilde laut Buchenau in den vergangenen Monaten noch nicht gewonnen. Das Interesse innerhalb des Vereins am Blasrohrschießen aber sei groß, sagt Buchenau. Drei Blasrohre besitzt der Verein, sie werden nach jedem Gebrauch desinfiziert. Vier Sportler bringen ihre eigenen Blasrohre mit. Was bringt einen Schützen dazu, die Pistole oder das Gewehr gegen ein Blasrohr einzutauschen? "Die Neugier", sagt Ingo Buchenau. Einige sind ehrgeizig und wollen auch in dieser Disziplin erfolgreich sein.