Für viele Branchen im Einzelhandel ist die Vorweihnachtszeit die wichtigste Zeit des Jahres. Doch diesmal war die Bilanz offensichtlich enttäuschend: Der Handelsverband Deutschland (HDE) berichtet von deutlich schlechteren Geschäften als im Vorjahr und von mehrheitlich unzufriedenen Händlern. Nachfragen in den Geschäften im Bremer Westen ergeben ein uneinheitliches Bild. Die Sparsamkeit der Kundschaft angesichts der politischen und wirtschaftlichen Lage spürt man auch in den Stadtteilen. Doch man hört auch von viel Dankbarkeit und von Zuversicht auf bessere Zeiten.
Spielwaren und Kinderkleidung
Bei den Kindern wurde nicht gespart: „Sehr zufrieden mit den Umsätzen“ äußert sich Mirko Sanders, Inhaber von Spielzeug Sanders und von Spielwaren Wichlein im Viertel: „Man merkt, dass die Menschen den Fachhandel und die Struktur im Stadtteil erhalten wollen“, sagt er – obwohl sie woanders womöglich günstiger hätten kaufen können. „Der Onlinehandel ist mit Sicherheit der größte Preistreiber. Dies ist leider den besseren Konditionen beim Einkauf geschuldet“, erklärt der Chef des Familienunternehmens, das vor fast 90 Jahren von seinem Großvater Gerhard gegründet wurde. „Hätten wir die gleichen Konditionen, wäre es für den stationären Handel leichter, die steigenden Kosten zu stemmen.“
Seine Kollegin Marcella Dammrat-Tiefensee nimmt deutlich wahr, „dass die Kundinnen und Kunden zurückhaltender und bewusster konsumieren“, so die Inhaberin der Boutique Sieben Sachen und des Kinderladens Sieben Zwerge an der Findorffer Hemmstraße. „Manche sagen sogar ganz klar, dass sie ihr Geld zusammenhalten müssen.“ Vieles sei erheblich teurer geworden. „Da überlegt man sich natürlich genau, ob das neue Kleid, die neue Jacke wirklich sein müssen.“ Dennoch habe sie die Umsatzzahlen des Vorjahres erreichen können, wenn auch „gerade eben mit Müh und Not“. Zu verdanken sei es den Kundinnen und Kunden, „die uns die Stange halten“, so die Vorsitzende des Vereins der Findorffer Geschäftsleute. „Ich habe sogar mehrfach gehört, dass sich Kunden vorgenommen hatten, wirklich alle Weihnachtseinkäufe und Geschenke im Stadtteil zu besorgen“, berichtet Dammrat-Tiefensee und ist darüber natürlich glücklich: „Das ist schon toll!“
Der Lebensmittelhandel
Gabriele Greger-Gleitze war nach den letzten Wochen des Jahres jedenfalls urlaubsreif: „Vor allem die letzten Tage bis Heiligabend waren brutal – aber auf eine nette Art und Weise“, berichtet die Findorffer Weinhändlerin. „Die Stimmung war schön, es hat uns viel Spaß gemacht.“ Vom Umsatzvolumen und der Kundenfrequenz sei die Weihnachtszeit 2023 vergleichbar mit dem Vorjahr. Auffallend diesmal: Die Zahl der Leute, die auf den letzten Drücker vor der Bescherung in den Laden kamen, und berichteten, dass ihre Online-Bestellungen nicht rechtzeitig mit der Paketpost angekommen waren, erzählt Greger-Gleitze: „Für sie waren wir eine Notlösung – aber davon haben wir dann profitiert.“ Ihre Kollegin Katrin Grosch hat gegenüber im Findorffer Käsekontor auch diesmal wieder fleißig Gutscheine ausgefüllt und Präsentkörbe gepackt – in etwa genau so viel wie 2022, sagt auch sie. Unterm Strich bleibe aber etwas weniger übrig, weil auch für die Händler alles teurer geworden sei – von den Produkten über die Verpackung bis zur Energie und den Gehältern der Mitarbeiter.
Die Einkaufszentren
Wer in den Wochen vor Weihnachten in eines der Einkaufszentren im Bremer Westen gekommen ist, wird festgestellt haben: Vor allem an den Wochenenden war dort ordentlich etwas los. Das kann auch Henrik Sander bestätigen. Alle Geschäfte im Sander Center waren gut besucht, „was daran liegen mag, das es sich vorwiegend um Anbieter im unteren bis mittleren Preisgefüge handelt.“ Mitunter kann aber auch er sich wundern: „Wenn ich sehe, wie die Besucher kartonweise Feuerwerksartikel aus den entsprechenden Geschäften herausgeschleppt haben, kann es mit der Geldknappheit bei vielen nicht so schlimm sein.“
Seinen Teil zur Frequenzsteigerung habe der neue Baumarkt beigetragen, der im Sommer auf dem Nachbargrundstück eröffnet wurde, so der Geschäftsführer des familiengeführten Zentrums in Oslebshausen. Einen weiteren Schub erwartet er sich von dem großen modernen Bowlingcenter, das am 15. Januar seine Türen öffnet.
Die Waterfront zieht noch eine durchwachsene Bilanz, sagt Center-Managerin Kirsten Jackenkroll: „Insbesondere angesagte Brands und Shops mit besonderen Highlights und Aktionen melden positive Ergebnisse. Bei anderen zeigt sich aktuell noch ein etwas schlechteres Ergebnis als im Vorjahr“, so Jackenkroll. „Abschließend wird dies erst in den kommenden Wochen zu bewerten sein, da bei vielen auch die aktuelle Ferienwoche und der Sale-Start noch sehr relevant sind.“
Insgesamt bleibe die Frequenzentwicklung derzeit noch hinter dem Vor-Pandemie-Niveau zurück. Nicht nur die Unsicherheit aufgrund der aktuellen weltpolitischen Lage, Rezession und Inflation wirke sich auf das Konsumverhalten aus, erklärt die Center-Managerin. Auch der Wintereinbruch Anfang Dezember habe sich bemerkbar gemacht. Aktuell haben viele Menschen aus dem Umland anderes zu tun als entspannt Shoppen zu fahren, weiß die Center-Managerin: „In Bremen und im Bremer Umland entspannt sich die Kauflaune aufgrund der Hochwasserlage in manchen Gebieten noch nicht.“
Der Buchhandel
Bücher sind ein klassisches Weihnachtsgeschenk, und die Buchhandlungen im Westen können darauf bauen, dass die Kundschaft den persönlichen Besuch noch immer dem Klick auf die Tastatur vorzieht. „Wir sind zufrieden. Nach einem verspäteten Start war das Weihnachtsgeschäft für uns vergleichbar mit dem des Vorjahres“, meldet Sabine Stiehler, Inhaberin der Waller Buchhandlung Logbuch. Generell habe sie beobachtet, dass das Weihnachtsgeschäft seit einigen Jahren immer später beginnt. Nachschub an Lektüre lässt sich ihre Kundschaft aber nicht versagen. „Bücher sind generell keine zu hochpreisige Anschaffung. Die Menschen verzichten zurzeit wohl eher auf größere Investitionen“, vermutet die Buchhändlerin.
Bio- und Fairtrade
Im Vergleich zu 2022 hat Georg Gersberg in den Monaten November und Dezember einen Umsatzverlust von knapp sechs Prozent errechnet – nach einem sogar zweistelligen Rückgang zwischen 2021 und 2022, erklärt der Inhaber von Georgs Fairkauf. „Seit Beginn des Russland-Ukraine-Konfliktes gibt es eine Kaufzurückhaltung, die auch die Bio- und Fairtradebranche schwer getroffen hat“, sagt Gersberg. Die wirtschaftliche Lage sei angespannt und sorge in der Gesellschaft für Verunsicherung, sagt der Findorffer Unternehmer. Dennoch werde er sich weiter dafür einsetzen, das Bewusstsein für nachhaltige und bio-faire Ware zu stärken, so Gersberg. Sein Wunsch: „Weitere Krisen werden hoffentlich die Welt und die Wirtschaft nicht erschüttern.“
Auch im Findorffer Unverpacktladen Füllerei verlief das Weihnachtsgeschäft etwas verhaltener als bisher, „allerdings nicht dramatisch“, berichtet Inhaberin Nora Osler. „Gefühlt waren etwas weniger Menschen explizit auf der Suche nach Geschenken, es gab weniger Anfragen dazu, und es wurden auch etwas weniger Gutscheine verkauft.“ Dennoch blickt die Geschäftsfrau mit Zuversicht in die Zukunft. Nach drei Krisenjahren in Folge und einem existenzbedrohenden Umsatzrückgang hatte sie vor einigen Monaten beschlossen, ihr Geschäft auf ein solidarisches Modell umzustellen (wir berichteten). Bislang haben sich 85 Kundinnen und Kunden dazu verpflichtet, die Füllerei mit festen monatlichen Einkaufsbeträgen auf solidere wirtschaftliche Füße zu stellen und damit zu retten, erzählt sie. „Das entlastet schon sehr, und nach dem sehr knappen Herbst ist nun ein leichtes Aufatmen möglich“, sagt Osler. „Mal sehen wie es jetzt im neuen Jahr weiter geht. Ich bin ganz optimistisch.“