Das Haus an der Lindenhofstraße 46 steckt voller Geschichte und Geschichten. In den kommenden Monaten werden noch einige mehr dazu kommen. In der vergangenen Woche wurde die erste Ausstellung im „Masters of Pure Art“ eröffnet. Im „Mopa" werden mindestens ein halbes Jahr lang junge Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten zeigen. Genauer: Sie haben den Auftrag, sich den Raum auf ihre Art zu eigen machen. Den Anfang machte Anna Huhn, die die leere weiße Leinwand des Raumes in einen künstlerischen Orbit mit eigener Geografie verwandelte.
Der Eröffnungstermin war eine Vernissage im echten Wortsinn. Die Farbe an den Wänden war kaum getrocknet, die Utensilien kaum weggeräumt: In den vergangenen Wochen war der rund 60 Quadratmeter große Kellerraum komplett saniert worden, und bis fast zur letzten Minute hatte die Künstlerin an ihren Werken gearbeitet, die exklusiv für diesen Ort und für diese Zeit entstanden sind – ein Konventionen sprengendes Genre, das als Rauminstallation oder „3-D-Malerei" bezeichnet wird, erklärt sie. Sie führt kunstinteressierte Reisende in eine ganz andere Welt, nur ein paar Schritte entfernt vom Alltag der Straße vor der Tür.
Das Mehrfamilienhaus steht auf historischem Gelände – dort befand sich einst das Landgut, das dem Gröpelinger Ortsteil seinen Namen gab. Erinnern werden sich vielleicht aber manche Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils an die „Goldene Grotte“: Und manche können wohl noch eigene Geschichten erzählen, wie es im Tanzlokal in unmittelbarer Nähe von Werft und Hafen einst zuging. Das geschwungene Gewölbe, die massiven Pfeiler, die Empore, auf der geschwoft wurde, der geflieste Bereich, in dem sich wohl die Bar befand, und die Löcher im Boden, in denen die Barhocker befestigt wurden, sind Zeugen dieser Vergangenheit. Nun sind sie Elemente eines Gesamtkunstwerks, das den Raum und seine Besucherinnen und Besucher einbezieht: Sie sollen auf eine Entdeckungsreise gehen, wünscht sich die Absolventin der Bremer Hochschule für Künste, Jahrgang 1988, die aus Braunschweig stammt und ihr Atelier auf dem ehemaligen Kellogg'-Gelände führt.
Huhn arbeitet mit Keramik, Sand, Steinen, Farbe, Bauschaum, Salzteig, Blumensteckmasse und allerlei anderen ungewöhnlichen Materialien, und baut daraus konkrete, greif- und sichtbare Wegmarken innerer Landschaften. Das kann auf den ersten Blick mitunter kindlich-spielerisch erscheinen – so wie die funktionsfähige „Wassermelonenkernrutsche". Man kann darin aber auch ein Sinnbild des ewigen Kreislaufs vom Werden und Vergehen sehen. Der Tod sei ein Thema, mit dem sie sich in den vergangenen Monaten intensiv auseinandergesetzt habe, erklärt die Künstlerin. Man muss es aber durchaus nicht so betrachten, sondern ist eingeladen, mit Neugier und Offenheit den eigenen Zugang zu finden.
Der Verein Kultur vor Ort hatte das leer stehende Objekt in Sichtweite des Bibliotheksplatzes schon lange im Blick, und auch die Idee, die zentrale Ecke mit Kunst jenseits des Mainstream zu beleben, berichtet Geschäftsführerin Christiane Gartner. Beides fand auch das Wohlwollen der Bremer Wirtschaftssenatorin, deren Förderung das „Mopa"-Projekt ermöglichte. Pläne, auch die ehemalige Ladenfläche auf der Straßenseite zu renovieren, und künstlerisch zu bespielen, gibt es bereits.
Mit der Kuratierung wurde der Künstler Daniel von Bothmer beauftragt, der in Gröpelingen Zuhause ist. „Unser Wunsch ist es, einen Ort zu schaffen, der es jungen Künstlerinnen und Künstlern ermöglicht, ihre Arbeiten und Arbeitsweise einem Publikum zugänglich zu machen“, erklärt von Bothmer. „Das Masters of Pure Art wird ein Ort zum Ausprobieren und sich Austoben und des Austauschs mit dem interessierten Publikum, setzt neue Impulse für den Stadtteil, fördert das kulturelle Angebot und bewegt Menschen aus anderen Bremer Stadtteilen oder dem Umland dazu, Gröpelingen neu oder besser kennenzulernen.“
Persönlich sei er besonders stolz darauf, dass die öffentliche Förderung ermögliche, den Ausstellenden Honorare zu zahlen. Akademisch beurkundete „Masters of Fine Art" sind sie alle bereits. Mit ihren Werkschauen in Gröpelingen verdienen sie sich darüber hinaus das zwar nicht staatlich anerkannte, aber dafür wohl einmalige Privileg, sich als Meisterinnen und Meister „reiner Kunst" bezeichnen zu dürfen.