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Optik des Essighauses anders als gedacht Essighaus ohne rekonstruierte Renaissance-Fassade

Das Essighaus, das in der Langenstraße neu entstehen soll, wird doch eine andere Optik haben als bislang geplant. Statt der Rekonstruktion der Renaissance-Fassade soll es eine historische Verschattung geben.
07.07.2021, 18:35 Uhr
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Essighaus ohne rekonstruierte Renaissance-Fassade
Von Sigrid Schuer

Den Neubau des Essighauses in der Langenstraße wird nicht, wie ursprünglich geplant, die Rekonstruktion der Renaissance-Fassade zieren, sondern nur noch ein historischer Schattenwurf. Das erläuterte Jean Jacques de Chapeaurouge, Geschäftsführer der Hanseatische Projektentwicklung, auf der jüngsten, virtuellen Sitzung des Beirates Mitte mit angeschlossener Einwohnerversammlung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan VEP 155.

Die Enttäuschung darüber, dass Investor Christian Jacobs bei diesem entscheidenden Baustein von seinen ursprünglichen Plänen zur Umgestaltung des Balgequartiers abgerückt ist, stand einigen Beiratsmitgliedern deutlich ins Gesicht geschrieben. So betonte Astrid Selle (Grüne), dass sie die Rekonstruktion der Renaissance-Fassade viel schöner gefunden hätte. Und Dirk Paulmann (CDU) wähnte in dem dreigliedrigen Gebäude gar "einen weiteren, emotionslosen, viereckigen Klotz, wie er auch in Berlin-Marzahn stehen könnte". Und er fügte hinzu: "Ich glaube schon, dass es in der Bevölkerung ein Bedürfnis nach der Rekonstruktion der Renaissance-Fassade gibt".

Projektentwickler de Chapeaurouge verteidigte die Umplanung des Neubaues ein wenig konsterniert, aber auch sehr entschieden. Das beauftragte Architektur-Büro von Quintus Miller und Paola Maranta habe sich viele Gedanken zu dem Bau eines nachhaltigen, flexibel nutzbaren Hauses gemacht. "Das war der Familie Jacobs schon sehr wichtig, genauso wie die klimafreundliche, energetisch nachhaltige Ausstattung, beispielsweise mit begrüntem Dach", betonte de Chapeaurouge. Miller ist in der Schweiz immerhin Professor für Architektur-Geschichte.

Letztendlich hätten auch wirtschaftliche Beweggründe eine Rolle gespielt, aber auch die Einsicht, dass "wir heute im 21. Jahrhundert nicht mehr bauen können wie im 16. Jahrhundert. Es ist ja so, dass wir uns dagegen entschieden haben, hier eine Plastik-Imitation zu implementieren, wie es sie in der neuen Frankfurter Altstadt gibt", betonte der Projektentwickler. Als deutschlandweit einzigartig bezeichnete er den Bau eines modernen Geschäfts- und Bürogebäudes unter Einhaltung der Denkmalschutzvorgaben: "Das ist ein Spiel mit der Geschichte und das nicht zuletzt eine intellektuell sehr komplexe Aufgabe". Ähnlich wie das benachbarte Jacobs-Haus soll es aus Backstein erbaut werden. Ganz oben sollen in moderner Architektursprache interpretierte, drei Giebel-Anmutungen thronen. Zumindest ein Gebäude soll nach oben hin zurück gestaffelt werden.

Entscheidend ist für Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki, dass zumindest die noch vorhandenen Versatzstücke der Utluchten aus der Renaissance des jetzigen Gebäudes erhalten bleiben und an der Fassade sogenannte Schattenwürfe mit historischen Versatzstücken angebracht werden. Entscheidend war für Skalecki auch, dass der original erhaltene Giebel der einstmals in der Sögestraße ansässigen Sonnen-Apotheke von 1770 an einer Seite des dreigliedrigen Gebäudes angebracht wird. Auch das war eine Forderung des Landesdenkmalpflegers, genauso wie die Erhaltung und Wiederverwendung von Türstürzen und Statuetten im Inneren, die auch gewährleistet werden soll. "Die jetzt geplante Version ist ein Stück weit ehrlicher in der Anmutung an die historische Situation. Insofern sind wir gar nicht so unglücklich damit", unterstrich Skalecki.

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Einige Beirats-Mitglieder kritisierten, dass die Hanseatische Projektentwicklung in keinem der drei Häuser die Möglichkeit für Wohnraum in der Innenstadt geschaffen habe. Der neue Essighaus-Gebäudekomplex sieht einen Nutzungs-Mix aus Gastronomie, Handel und Büros vor. Der Projektentwickler entgegnete, dass die Schaffung von Wohnraum von Anfang an nicht geplant gewesen sei. Ein weiteres gastronomisches Angebot hin zum Jacobs-Hof soll nach den Worten von de Chapeaurouge für eine erhöhte Verweildauer im Balgequartier sorgen. Die Fenster des Gebäudes sollen durchschnittlich eine Breite von 1,35 Meter haben. Der Projektentwickler betonte den aus seiner Sicht "demokratischen Anspruch" des barrierefreien und behindertengerecht konzipierten dreigliedrigen Gebäudes, das so konzipiert sei, dass es nach hinten abfalle und eben ebenerdig begehbar sei. Auch das Durchgangsrecht zur Obernstraße werde gewährleistet.

Noch ist der Entwurf allerdings nicht in Stein gemeißelt. Hinzu kommt, dass das neue Essighaus mit 25,50 Meter rund zwei Meter kleiner als ursprünglich geplant ausfallen soll, um die architektonische Harmonie der Langenstraße nicht zu stören. Der Projektentwickler betonte, dass es durch den Neubau zu keiner zusätzlichen Verschattung komme. Und auch die Bedenken von Optiker Carsten Frenz, der in unmittelbarer Nachbarschaft sein Geschäft hat hinsichtlich möglicher Beeinträchtigungen, wusste der Projektentwickler zu entkräften. Eines bleibe indes oberstes Ziel, so Senatsbaudirektorin Iris Reuther: Der Stadt-Dialog über die städtebaulichen Entwicklungen solle weiter offen und konstruktiv geführt werden.

Zur Sache

Blick auf den Zeitplan

Der Zeitplan sieht wie folgt aus: der Abbruch der alten Gebäudesubstanz soll Anfang des nächsten Jahres erfolgen. Bis Herbst 2022 soll die Baugrube für das Essighaus fertig gestellt sein, sodass dann der Beton gegossen werden kann. Projektentwickler Jean Jacques de Chapeaurouge betont, dass auf dem Grundstück nicht gerammt, sondern gebohrt werden soll. Zudem solle ein stetiger, einvernehmlicher Austausch mit der Nachbarschaft erfolgen. Sein Fazit: "Wir werden jederzeit erreichbar sein". de Chapeaurouge rechnet mit einer Bauzeit von rund zwei Jahren. Das gesamte Balge-Quartier soll dann, wenn alles nach Plan läuft, 2024 fertig entwickelt sein.

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