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Mobilitätsausschuss Mitte Wallanlagen: Wie gefährlich ist die Bremer Bischofsnadel?

Zwei Petitionen wollten 2022 erreichen, dass das Radfahren über die Brücke, den Bürgermeisterin-Mevissen-Weg, in den Wallanlagen verboten wird. Mögliche Lösungen wurden im Mobilitätsausschuss diskutiert.
23.03.2023, 05:00 Uhr
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Wallanlagen: Wie gefährlich ist die Bremer Bischofsnadel?
Von Sigrid Schuer

Tatort Bischofsnadel am Wochenende. In der ersten warmen Frühlingsnacht sind auf der kleinen Brücke am Bürgermeisterin-Mevissen-Weg noch viele Menschen unterwegs. Plötzlich zischt aus Richtung Fedelhören ein Radfahrer mit hohem Tempo heran und prescht durch die Flanierenden, die erschrocken zur Seite springen müssen, um nicht umgefahren zu werden. Kein Einzelfall, wie Jutta Wohlers, die für die SPD als sachkundige Bürgerin im Mobilitätsausschuss des Beirates Mitte sitzt, festgestellt hat. "Ich bin da jeden Morgen als Fußgängerin unterwegs und es brutal, was da passiert. Da gibt es viele Kampfradler, die da ohne Rücksicht auf Verluste durchheizen", hat sie beobachtet. Für sie stellt sich die Frage: Wer haftet eigentlich, wenn es an diesem Nadelöhr zu einem Unfall kommen sollte? "Der jeweilige Radfahrer", warf Joachim Musch (Grüne) auf der jüngsten Sitzung des Mobilitätsausschusses ein. Doch wenn der über alle Berge ist, wie in der geschilderten Nacht, dann ist guter Rat teuer.

Wo liegt das Problem?

Schon im vergangenen Jahr hatten genervte Bürgerinnen und Bürger beim Petitionsausschuss der Bremischen Bürgerschaft gleich zwei Petitionen eingereicht, mit dem Ziel, ein Radfahrverbot am Bürgermeisterin-Mevissen-Weg in Höhe Bischofsnadel durchzusetzen. Hauptkritikpunkt: Besonders aus Richtung Zentralbibliothek radelten Radfahrer in den Wallanlagen den Hügel Richtung Bischofsnadel mit großer Geschwindigkeit herunter, um dann so gut wie ungebremst über die kleine Brücke über den Wallgraben zu brettern. Es folgte ein Ortstermin, an dem auch Beiratsmitglieder teilnahmen. Bevor der Petitionsausschuss wegen dieser Beschwerdelage eine Handlungsempfehlung gibt, referierte Timo Rauch, Referent für strategischen Radverkehr beim Mobilitätsressort, noch einmal den Sachverhalt vor dem Mobilitätsausschuss, mit der Bitte um einen Beschluss beziehungsweise eine Empfehlung.

Wo sieht das Mobilitätsressort Lösungsansätze?

Eine zweite, architektonisch designte Brücke nach Kopenhagener Vorbild in Höhe des Präsident-Kennedy-Platzes über den Wallgraben zu bauen, würde die Situation soweit entzerren, dass sich Fuß- und Radverkehr nicht mehr ins Gehege kämen, so lautet der Vorschlag aus dem Ressort. Rauch brachte das Reizwort "Machbarkeitsstudie" ins Spiel, auf das die Stadtteilparlamentarier schon im Zusammenhang mit der Innenstadt-Entwicklung allergisch reagiert hatten. Eines schließt das Mobilitätsressort jedoch aus: "Wir werden nicht den Rad- gegen den Fußverkehr ausspielen", betonte Timo Rauch.

Wie ist die Haltung der Beiratsmitglieder?

Dirk Paulmann (CDU) hält eine solche Machbarkeitsstudie für "rausgeschmissenes Geld". Denn es liege doch auf der Hand, wie Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki den Plan, eine weitere Brücke im Gartendenkmal zu errichten, bescheiden würde: Nämlich negativ. Paulmanns Plädoyer: Das Radfahren an dieser neuralgischen Stelle verbieten oder zumindest die Radfahrer dazu zu bringen, abzusteigen. Das funktioniere inzwischen ja auch in der Fußgängerzone oberhalb und in der Ladenpassage an der Bischofsnadel. Möglich geworden sei das aber durch die konsequenten Kontrollen durch Polizeibeamte. Paulmanns Beobachtung deckt sich mit der von Jutta Wohlers: Der Radverkehr wird am Nadelöhr Bürgermeisterin-Mevissen-Weg als dominant empfunden, nicht zuletzt wegen der Zunahme der Lastenräder, die dort unterwegs sind. Paulmann: "Einige davon sehen aus, als ob es Kleinwagen wären. Die Konflikte nehmen zu". Jan Strauß (Linke) und Peter Bollhagen (FDP) können sich für eine neue Brücke zwischen Kennedy-Platz und Theaterberg erwärmen. Der Vorsitzende des Bauausschusses, Joachim Musch (Grüne) und Dirk Paulmann machten den Vorschlag, den Radverkehr von der Zentralbibliothek am Wall über die Contrescarpe weiter in Richtung Richtweg zu leiten. Ihr Fazit: Dessen Kapazitäten und die des Herdentores könnten ja für den Radverkehr ausgebaut werden. Timo Rauch gab zu bedenken, dass das einen Umweg von 400 Metern bedeuten würde.

Was brächte ein Radfahrverbot?

Sebastian Gerke vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) zufolge bringe ein Verbot für den Radverkehr so gut wie nichts. Das könne er täglich am Wandrahm beobachten, an dem er wohne. Hier würde das durch entsprechende Schilder ausgewiesene Radfahrverbot konsequent nicht eingehalten. Bis auf dieses Teilstück ist rücksichtsvolles Radfahren sonst in den Wallanlagen erlaubt. Stichwort Gemeingebrauch laut Paragraf 29 des bremischen Naturschutzgesetzes, führte Rauch aus. Aber: Der Fußverkehr habe Vorrang. Am Wandrahm kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen Senioren, die mit dem Rollator zur DKV-Residenz unterwegs sind und Radfahrern. Auch ein Treffen mit der Polizei und dem Amt für Straßen und Verkehr habe ergeben, dass die daran Beteiligten ein Radfahrverbot am Bürgermeisterin-Mevissen-Weg für nicht durchsetzbar erachten, weil es nicht konsequent genug kontrolliert werden könne, sagte Manuela Jagemann vom Ortsamt Mitte. Ein Konsens, mit dem schließlich alle Anwesenden leben konnten: Die Beiratsmitglieder empfehlen konsequente Rücksichts- und Aufklärungskampagnen an diesem Nadelöhr. Ein sogenannter shared space, also ein geteilter Platz, müsse geschickt zwischen Rad- und Fußverkehr aufgeteilt werden, beispielsweise mithilfe von Piktogrammen und einer besonderen Beschilderung.

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