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Pastor Lohse im Ruhestand Das Habenhauser Schaffermahl im Umbruch

Das Habenhauser Schaffermahl und der ehemalige Pastor Jens Lohse sind eng miteinander verwoben. Was eine Wehrdienstverweigerung mit Lohses späterem Wirken als Seelsorger zu tun hat.
19.02.2024, 05:00 Uhr
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Das Habenhauser Schaffermahl im Umbruch
Von Karin Mörtel
Inhaltsverzeichnis

"Diesmal ist es wirklich das letzte Mal", sagt Jens Lohse und lacht. Lohse hat sich bereits im vergangenen Jahr als Pastor der Gemeinde Arsten-Habenhausen in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet. Und jetzt soll es definitiv das letzte Habenhauser Schaffermahl in der Simon-Petrus-Kirche sein, bei dem der 64-Jährige als erster Schaffer durch den Abend mit Vorträgen und Musik sowie Kohl und Pinkel führt. "Das hatte ich letztes Jahr schon vollmundig behauptet und jetzt tauche ich hier einfach wieder auf", sagt der ehemalige Pastor und wirkt dabei sehr vergnügt. 

Im kommenden Jahr werde die neue Pastorin Julia Winter auch sein Amt als erste Schafferin übernehmen, sagt Lohse. Und er klingt dabei wehmütig. Dass ihm die Trennung von Gemeinde und Schaffermahl nicht leicht fällt, ist nach 28 Jahren gemeinsamer Geschichte in Habenhausen verständlich.

Vom Wehrdienstverweigerer zum Pastor

Dabei war es entweder göttliche Fügung oder reiner Zufall, dass er überhaupt den Weg als Pastor eingeschlagen hat. Eigentlich habe er als frisch verliebter junger Mann nur nach einem Grund gesucht, den Wehrdienst verweigern und in Bremen bleiben zu können, erzählt Lohse. Glaubensgründe anzugeben erschien ihm erfolgversprechend, aber wie sollte er das anstellen ohne festen Glauben? Er sucht Rat bei Pastor Joachim Stoevesandt in Osterholz – seinem späteren Vorgesetzten an seiner ersten beruflichen Station in Arsten. Er solle die Bergpredigt lesen, bekommt er von Stoevesandt mit auf den Weg.

Lohse ist skeptisch, geht aber in einen Buchladen, kauft sich eine einfache Bibel und liest. "Es hat mich umgehauen, ich fand die Bergpredigt überragend und war danach quasi ein bekehrter Christ", so schildert Lohse das Ereignis, das sein Leben verändern sollte. Er brennt darauf, sich für Menschen einzusetzen, die am Rande der Gesellschaft leben.

In einer christlichen Teestube engagiert er sich für Alkoholkranke und Drogensüchtige. Auch seinen Zivildienst absolviert im Zeichen seines neu gewonnenen Glaubens: in der Mathias-Claudius-Gemeinde, die heute zur Gemeinde Bremen-Neustadt gehört. Dann folgen das Theologie-Studium und sein Vikariat in Huchting an der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde

Als Stadtmensch im Dorf

Wenn er gefragt wird, ob er Arsten oder Habenhausen lieber mag, kann er sich nicht entscheiden. "Ich liebte die Arster sehr, aber auch die Habenhauser sind mir sehr ans Herz gewachsen", sagt Lohse. Er startet 1989 in Arsten als Hilfsprediger und lernt als in der Neustadt aufgewachsener Stadtmensch den bäuerlich geprägten Ortsteil schätzen: Dass der Küster und viele im Ort noch Arster Plattdeutsch sprachen zum Beispiel. "Eine ganz intime Dorfgemeinschaft mit ihren Eigenarten", beschreibt Lohse seinen damaligen Eindruck.

Dann wird er nach Habenhausen entsandt, nachdem dort 1995 eine neue Kirche gebaut worden war. Ein Jahr später wird er offiziell zum Pastor gewählt und merkt schnell, dass die Menschen dort etwas anders als die Arster ticken. "Der Ortsteil ist vom Mittelstand geprägt und hat seinen ganz eigenen Charme, aber ich fürchte, ich habe mit meinen Ansichten auch für Irritationen gesorgt", sagt Lohse. Mit seinem Pazifismus, seinem Hang zum Kommunismus und seiner Haltung zu vielen Dingen, die stets vielschichtig ist und keine einfachen Antworten bietet. Auch in Habenhausen packt er sofort mit an "und ich habe mich mit ganz viel Herzblut in die Arbeit gestürzt", sagt der ehemalige Pastor rückblickend. Die Essenz seiner Arbeit beschreibt er so: "Das Erbarmen Gottes ist es, das ich vermitteln möchte."

Idee für Kirchenausbau gefragt

Vor allem die Kirche bereitet ihm in den Anfangsjahren Sorgen: "Ein Rohbau mit Fußbodenheizung" sei es gewesen, beschreibt er den Zustand, den er gemeinsam mit anderen schnellstens ändern wollte. Fenster, Orgel, Turm, Glocken, Ornamente und vieles mehr fehlte noch und musste finanziert werden – aber wie?

Zum Teil stellte die Gemeinde Arsten-Habenhausen Geld für den Ausbau zur Verfügung. "Und dann kam die Idee auf, ein Schaffermahl zu veranstalten, um mit den Spenden die Gesamtgemeinde finanziell zu entlasten und diese Baustelle zu bewältigen", sagt Lohse.

2006 gründet er schließlich mit sechs weiteren Personen die Habenhauser Schaffergesellschaft mit dem Hauptzweck, das Schaffermahl zu veranstalten und Spenden zu sammeln. Aber auch den Habenhauser Friedenspreis bringt die Schaffergesellschaft auf den Weg sowie zwei monatliche Konzertreihen für klassische Musik und für Jazz in der Simon-Petrus-Kirche. Auf diesem Weg ist eine ganz besondere Kirche in Bremen entstanden: unter anderem mit einer sehr guten Akustik, dimmbarem Licht und dem größten Glockenspiel der Stadt, auf dem auch per Hand musiziert werden kann.

Aktuelles Schaffermahl mit Motto "Bremen kann Zukunft"

An diesem grauen Tag im Februar speisen und spenden die Schafferinnen und Schaffer bereits zum 22. Mal gemeinsam mit ihren Gästen. Das Motto: "Bremen kann Zukunft" – mit Wortbeiträgen vom Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Bremen, Oliver Rau, und vom Unternehmer und Projektinvestor Klaus Meier (Kellogg’s-Gelände). Eine Rekordsumme wird gespendet: Rund 31.000 Euro kommen von den 158 Frauen und Männern zusammen zugunsten des weiteren Kirchenausbaus und der kirchlichen, sozialen und kulturellen Arbeit an der Simon-Petrus-Kirche.

Kann auch die Schaffergesellschaft Zukunft? Zwischen Kohl und Pinkel wird auch diese bange Frage diskutiert. Auch ohne Jens Lohse wird es weitergehen, wenn auch anders. Aber bereits in diesem Jahr gelten erschwerte Bedingungen, denn das Essen für das Schaffermahl musste erstmals eingekauft werden. Zuvor hatte die ortsansässige Schlachterei Kurt und Ingo Rasch 20 Jahre lang den Braunkohl samt Fleisch und Pinkel gespendet. Nun hat der Betrieb geschlossen.

Die Schaffergesellschaft wird sich gemeinsam mit Pastorin Julia Winter die Frage stellen müssen, "ob das Schaffermahl nun überhaupt noch genügend Ertrag abwirft für die vielen Spendenzwecke", so heißt es offiziell auf der Internetseite des Vereins. "Oder man kommt zu dem Schluss, dass das Beisammensein ein Wert an sich ist, für den es den Aufwand lohnt, weiterzumachen", überlegt Lohse.

Weiter aktiv im Ruhestand

In die Zukunftsplanung wird Lohse aber nicht mehr in der ersten Reihe, sondern als sogenannter Alt-Schaffer eingebunden sein, die noch beratend den Aktiven zur Seite stehen. Und das ist gut so, findet er. Nach seinem Schlaganfall im Jahr 2018 hatte er sich zwar wieder recht schnell erholt, doch nun merkt er, dass es gut ist, kürzerzutreten.

Die Verbindung zu seiner Gemeinde will Lohse auch im Ruhestand aufrecht erhalten. Dabei ist ihm aber wichtig, sein künftiges Tun in Habenhausen eng mit der neuen Pastorin abzustimmen. Um den Friedenspark Habenhausen will er sich weiterhin kümmern und vielleicht hin und wieder einen Gottesdienst übernehmen. "Aber auf gar keinen Fall mehr an Weihnachten", sagt er entschieden. "Da kann ich mich jetzt endlich um meine Kinder und mein Enkelkind kümmern, das konnte ich ja all die Jahre nie."

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