Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Auszeichnung Eugen Drewermann erhält den Habenhauser Friedenspreis

Der Habenhauser Friedenspreis wird seit 15 Jahren vergeben. In diesem Jahr ist die Auszeichnung an Eugen Drewermann verliehen worden. Darum erhält der Theologe, Psychoanalytiker und Publizist den Preis.
17.11.2023, 18:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Matthias Holthaus

Streitbar wird er mitunter genannt, unbequem und polarisierend: Und doch immer auch als ein unbedingter Verfechter für Frieden. Nun ist der 1940 geborene Theologe, Psychoanalytiker und Schriftsteller Eugen Drewermann mit dem Habenhauser Friedenspreis 2023 ausgezeichnet worden.

„Wer zum Frieden rät, wird Freude erfahren“, so beginnt Pastor Jens Lohse seine Grußworte zu Beginn der Preisverleihung, doch er meint auch: „In unseren Tagen kommen leider andere Ratschläge. Wir haben wieder einen Verteidigungsminister, der Deutschland kriegsfähig machen möchte.“ Auch erinnert er an die Äußerungen des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), der auf einer Wahlkampfveranstaltung in München im August im Hinblick auf Menschen mit Friedenstauben sagte, es seien „vielleicht gefallene Engel, die aus der Hölle kommen“: „Wir aber“, so Lohse, „tun etwas völlig Verrücktes: Wir lauschen auf Worte der Bibel und vernehmen da im Buch der Sprüche: ,Wer zum Frieden rät, wird Freude erfahren‘.“

Eugen Drewermann trete der Eskalation entgegen

Seit nunmehr 15 Jahren werde der Habenhauser Friedenspreis verliehen, an Personen oder Einrichtungen, „die durch ihr integratives, Menschen, Völker, Religionen und Kulturen verbindendes Engagement dem Frieden dienen“. In diesem Jahr also gehe der Preis an Eugen Drewermann: „Dafür, dass er unablässig die wichtige Stimme des Pazifismus in konfliktreichen Zeiten hat vernehmen lassen und vielen Menschen die Hoffnung gegeben hat, dass Auseinandersetzungen zwischen Staaten und Machtblöcken anders als nur militärisch gelöst werden können.“ Insbesondere in der Zeit des Ukrainekrieges gehöre er zu den unüberhörbaren Stimmen, die einer immer weitergehenden Eskalation des Krieges entgegentreten und sich entschieden gegen die deutschen Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet aussprechen. „Da er dafür vielfach angefeindet und kritisiert worden ist, wollen wir ihm mit der Preisverleihung ausdrücklich danken und ihn auch unserer Solidarität versichern.“

Laudator Ekkehard Lentz ist Sprecher des Bremer Friedensforums und erinnert ebenfalls an den Ausspruch der „gefallenen Engel“ des Bundeskanzlers: „Ein weiterer Tiefpunkt der deutschen Friedensdiskussion“, sagt er. Auch sieht er die Äußerungen des Verteidigungsministers Boris Pistorius (SPD) kritisch, der in einem Interview in der ARD eine neue Mentalität in der deutschen Gesellschaft forderte und meinte, sie müsse kriegstüchtig werden. „Nein“, sagt Ekkehard Lentz daraufhin, „wir wollen, dass Deutschland friedenstüchtiger wird und dass die Bundesregierung für Diplomatie und Verhandlungen steht.“ Krieg sei kein Spiel, sondern tödliche Wirklichkeit: „Er muss sofort beendet werden“, ruft er aus, „gegen allen Widerstand der Kriegsbefürworter.“

Man kann das Böse nicht bekämpfen, wenn man mit denselben Mitteln antwortet.
Eugen Drewermann, Friedenspreisträger

Eugen Drewermann sei dabei dem klaren Friedensgebot der Bibel treu geblieben – „in unserer von Kriegspropaganda beherrschten Zeit bringt ihm dies viel Kritik und Häme ein.“ Doch Lentz stellt sogleich klar: „Wir sind froh, dass es Menschen wie Eugen Drewermann gibt, die unbeirrt einen klaren Blick bewahren.“ Seine Reden seien von seltener Klarheit und bestechender Logik, „sein Verantwortungsgefühl für unsere Welt und seine Verbundenheit mit der christlichen Botschaft lassen ihn nicht zur Ruhe kommen.“ Er habe vielen Aktiven Mut gemacht, nicht zu resignieren, und er finde Worte, „die sachlich nicht zu widerlegen sind.“

Pazifist wäre er auch ohne Preise und öffentliche Anerkennung, sagt Eugen Drewermann daraufhin in seiner Dankesrede, und besonders glücklich sei er, dass er in der Simon-Petrus-Kirche über die Bergpredigt, „die eigentliche Zeitenwende“, sprechen dürfe. „Steck das Schwert dahin, wohin es gehört“, zitiert er Jesus, „den Weg zu Christus findet man nur, wenn man die Werte Jesu als Rettung aus einem nie aufhörenden Wahnsinn begreift.“ Und Frieden, so seine Überzeugung, „Frieden komme aus Kompromissfähigkeit.“

Kritik an Verteidigungsminister Boris Pistorius

Er empfiehlt Pistorius, der zwischen 2006 und 2013 Oberbürgermeister von Osnabrück war, den Besuch des Erich-Maria-Remarque-Friedenszentrums und die Lektüre dessen Buches „Im Westen nichts Neues“. „Herr Pistorius: Wollen wir wirklich, dass Offiziere 16-Jährigen erzählen, was Krieg ist?“ Und er erinnert Bundeskanzler Scholz, der die Erhöhung der Militärhilfe für die Ukraine von vier auf acht Milliarden Euro verkündet. „Welch ein Wahn“, sagt Drewermann, zitiert stattdessen Jesus, der sagte: „Leistet dem Bösen keinen Widerstand.“ Es scheine paradox, meint Drewermann, „liebet eure Feinde“, doch: „Kann man Krieg mit den Worten Jesu rechtfertigen?“ Seine Antwort: „Man kann das Böse nicht bekämpfen, wenn man mit denselben Mitteln antwortet.“

Er spricht von den Bombennächten in Hamburg von 1943 mit Blick auf die Ukraine von heute und fragt: „Wann soll Schluss sein? Begreifen Sie, dass wir uns selbst verlieren?“ Es müsse vielmehr Schluss sein, wenn festgestellt werde, dass man das Böse nicht bekämpfen könne. „Ist es nicht vernünftiger, miteinander zu reden?“, fragt er. „Das Böse überwinden mit Güte? Kann man damit Politik machen?“ Man müsse es sogar machen, denn: „Wie lange wollen wir weitermachen mit dem Massenmord?“ Alles, was dem Bürger verboten werde, sei das Gebot auf dem Kasernenhof. „Und die Wahrheit ist: Man kann das Böse nur verstehen, wenn man den Gründen nachgeht.“

Geld sei der wichtigste Kriegsgrund

Für Eugen Drewermann steht fest: „Der wichtigste Kriegsgrund ist das Geld. Ein ganzes Wirtschaftssystem basiert auf Konkurrenz und Wachstum.“ Doch für ihn sei Geld kein Besitz, sondern ein Geschenk, „dazu bestimmt, es weiterzugeben an die, die es brauchen.“ Und: „Wir brauchen für den Fortschritt ein ,Nein' auf dem Kasernenhof.“

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)