Wer kennt nicht die so liebenswert von Walt Disney adaptierte Geschichte von Rudyard Kiplings „Das Dschungelbuch“, in der Bär Balu sich mit dem kleinen, von Wölfen aufgezogenen Menschenjungen Mogli anfreundet und ihn mit den Spielregeln des Dschungels vertraut macht?
Auf diesem Prinzip der beschützenden Freundschaft, die der Bär Balu seinem kleinen Menschenkind-Freund Mogli angedeihen lässt, basiert auch das Mentorinnen-Programm „Balu und Du“ für Kinder im Grundschulalter. Konzipiert wurde das Projekt 2008 vom Verein Balu und Du, der es auch bundesweit koordiniert. „Inzwischen gibt es ‚Balu und Du' an 88 Standorten“, sagt Claudia Fantz von der Freiwilligen Agentur Bremen, die als Kooperationspartnerin das Projekt „Balu und Du“ in Bremen leitet. „Das Ziel ist dabei, soziale Isolation der Kinder aufzubrechen, ungünstige Entwicklungsaussichten positiv umwandeln und Entwicklungschancen zu ermöglichen“.
Mentoren suchen ihre Balus
Die Balus sind dabei junge Freiwillige beiderlei Geschlechts, die sich engagieren wollen. Etwa wie die 17-jährige Malin Lehmhus. „Ich interessiere mich für Menschen“, sagt die Gymnasiastin lachend, die gerade aus einem Auslandsjahr an ihre Schule zurückgekehrt ist. Nach dem Abitur möchte Malin auch noch nicht gleich an die Uni, sondern lieber ein Soziales Jahr machen, oder gar als Au-Pair ins Ausland gehen. Und dann vielleicht Soziologie studieren. „Das weiß ich aber noch nicht so genau, es kann sich ja vielleicht auch noch ändern!“

Claudia Fantz isr die Projektleiterin von Balu und Du bei der Freiwilligen-Agentur Bremen.
Seit einigen Wochen ist die neunjährige Zora Malins Mogli-Kind. Kennengelernt haben sich die beiden in der Grundschule, die Zora im Viertel besucht. „Bei uns suchen sich die Mentoren oder Mentorinnen, unsere Balus, die Schulen aus, um dort dann die Kinder kennenzulernen, die sie begleiten möchten“, erklärt Claudia Fantz. Derzeit gäbe es überwiegend weibliche Mentorinnen, sagt Fantz und hofft, dass sich vielleicht noch mehr männliche Freiwillige für diese Tätigkeit entscheiden.
Weil sich die Mentoren und Mentorinnen ihre „Moglis“ selbst aussuchen könnten, habe das Projekt auch von Seiten der „Balus“ keine Abbrecher-Quoten. Ein Jahr lang treffen sich die Balu-Mentoren und Mentorinnen mit ihren Mogli-Kindern einmal in der Woche, um gemeinsam etwas zu unternehmen. „Wir gehen gern auf den Spielplatz“, sagt Zora, allerdings fühle sich Malin auf manchen Spielgeräten nicht so wohl. „Ich glaube, Malin hat Höhenangst“, diagnostiziert die Neunjährige.
Erfolgreiche Bilanz
Zora findet es großartig, dass sie mit Malin so gut reden kann. „Malin ist immer lieb, ich kenne viele Leute, die nicht gern reden, aber ich rede gern!“ Mit Malin habe sie einmal in der Woche eine Schwester, das sei großartig. Die beiden treffen sich meistens am Montag zwischen 16.30 und 19 Uhr. Malin holt Zora dann von zuhause ab, und die beiden ziehen los. Zoras Mutter wisse immer Bescheid, wohin die beiden gehen und habe auch die Handy-Nummer.
Außer auf Spielplätze, die auch Malin gern besucht, wie sie eingesteht, waren die beiden schon gemeinsam auf dem Schulfest an Malins Schule. „Wir finden eigentlich immer etwas, was uns interessiert“, stellen die beiden fest. Gerade probieren sie in den Räumen der Freiwilligen Agentur verschiedene Früchtetees aus. „Hier, probier' mal, meiner schmeckt nach Gummibärchen!“ lädt Zora ihre Freundin ein.
Tatsächlich kann das Projekt „Balu und Du“ eine erfolgreiche Bilanz ziehen, bestätigt Claudia Fantz. „Seit der Gründung im Jahr 2008 sind daraus bereits über 440 Freundschaften entstanden.“
Gerade nach der Corona-Zeit sei der Bedarf an Mentorinnen wie Malin gestiegen, die Kinder wieder aus der Pandemie-Vereinsamung herausholen, ist Claudia Fantz überzeugt. „Ein Fünftel aller Kinder haben durch Corona psychische Probleme davongetragen“.
Von ihren Balus höre sie immer, dass auch sie erheblich profitierten, erklärt Fantz. „Die Balu-Mentoren und Mentorinnen erzählen, dass sie eine andere Herangehensweise zu Menschen entwickelten und nun den ganzen Menschen mit seiner Geschichte wahrnehmen würden, anstatt ihn wie vorher in Schubladen zu sortieren“.
Malin ergänzt, sie erlebe durch ihren „Mogli“ Zora einen ganz anderen Blickwinkel auf die Welt, nämlich aus der Perspektive von Zora. „Das ist ein besonderes Geschenk!“ Zora wiederum genießt die Zeit, in der sie mit Malin reden kann, die so ganz anders als die anderen Großen zuhört. „Jeder sollte einen Balu haben“, findet sie. Noch ist das gemeinsame Jahr der beiden nicht zu Ende. Die Regeln besagen, dass die Zeit nicht beim Mogli-Kind zuhause verbracht werden darf, wohl aber der „Balu“ besucht werden kann. „Vielleicht können wir dann mal bei dir Kekse backen“, regt Zora an.
Claudia Fantz würde gern noch mehr Kindern in Bremen die Gelegenheit bieten, mit einer großen Freundin oder Schwester, einem großen Freund oder Bruder Abenteuer zu erleben. Wir können noch jede Menge Balus gebrauchen“, sagt die Leiterin des Balu und Du-Projektes.