Bisweilen scheinen höhere Mächte Einfluss auf ein Fußballspiel zu nehmen. Mit diesem Eindruck dürften jedenfalls Spieler und Trainer des ESC Geestemünde am Sonnabend das Vegesacker Stadion verlassen haben. Die Seestädter hatten die Bremen-Liga-Partie auf dem neuen Kunstrasen über weite Strecken dominiert, mussten aber mit einer 1:4-Niederlage die Heimreise antreten. Ein Ergebnis, das vor allem die Vegesacker Defensivkünstler ermöglichten, das aber nach übereinstimmender Bewertung von SAV-Coach Markus Werle und seinem Kollegen Andree Wölm nicht den gezeigten Leistungen beider Mannschaft entsprach.
Die Zuschauer werden sich denn auch nach Spielende gefragt haben, wie es die SAV eine Woche zuvor geschafft hatte, dem Tabellenführer FC Oberneuland die Grenzen aufzuzeigen und ihn im eigenen Stadion mit 3:0 abzufertigen. Allzu fehlerhaft war ihre Vorstellung im Vergleich zum Kombinationsfußball der Gäste. Dennoch halfen den Nordbremern insbesondere in der ersten Halbzeit die Momente, die eine Spitzenmannschaft auszeichnet. Alle drei Treffer zur 3:0-Führung entsprangen klugen Kontern nach Balleroberung aus der tief stehenden Defensive heraus.
Die ersten 120 Sekunden waren noch gar nicht vorbei, da führten die Gastgeber bereits mit 1:0. Nach einem Freistoß von Lennart Kettner rauschte der Ball durch die Beine von Freund und Feind ins Netz und soll nach Beobachtung des Unparteiischen zuvor noch den Fuß des Geestemünders Seli Qorri berührt haben.
Seitfallzieher von Kurkiewicz
Bei den Gästen erhöhte dieser Treffer den Adrenalinspiegel. Sie bestimmten fortan den Spielrhythmus, brachten ein ums andere Mal auch die Abwehrachse der SAV um Mario Vukoja, Lokman Abdi und Dean Hannawald in Verlegenheit, ihren Torschüssen fehlte es allerdings an Präzision. Und die Abwehr wirkte bei schnellen Kontern der Vegesacker über die Außenbahnen nicht immer sattelfest. So in der 28. Minute, als Sebastian Kurkiewcz Marin Vukoja auf die Reise schickte, dessen präzises Zuspiel Lennart Kettner verwertete. Nur vier Minuten später lagen die Seestädter nach dem schönsten Tor des Tages mit 0:3 im Rückstand. Eine Flanke von Kettner wuchtete Kurkiewicz per Seitfallzieher unhaltbar für ESC-Keeper Mitja Marius Bieren ins rechte Toreck (32.). Zwischenfazit: Geestemünde machte das Spiel, SAV die Tore.
Unmittelbar nach der Kurkiewicz-Gala aber setzten die Bremerhavener ein Ausrufezeichen: Mittelfeld-Dauerläufer Vedat Atilgan narrte die SAV-Abwehr einmal mehr und spitzelte den Ball zum 1:3 über die Torlinie (33.). Ein Treffer, der den Geestemündern Mut machte. Jedenfalls erhöhten sie nach dem Wiederanpfiff die Schlagzahl, die Begegnung wurde kampfbetonter und litt zunehmend unter Unterbrechungen, weil sich ein Protagonist behandeln lassen musste. Die entscheidende Szene für die vergeblichen Versuche des ESC Geestemünde, die Wende herbeizuführen, ereignete sich in der 65. Minute. Da parierte SAV-Schlussmann Dähne mit glänzender Reaktion die Torschüsse von Florian Beck und Jannis Leu aus Nahdistanz. ESC-Trainer Andree Wölm nach dem Abpfiff: „Hätten wir auf 2:3 verkürzt, wären wir als Sieger vom Platz gegangen.“
Doch es sollte anders kommen, weil sich die SAV in der Schlussphase vom Druck befreite und sogar auf 4:1 erhöhte. Als Abdullah Basdas im Strafraum von den Beinen geholt wurde, ließ Schiedsrichter Jamil Mousavi das Spiel zunächst weiterlaufen, und der eingewechselte Fahrudin Ramic brachte den Ball im Tor unter. SAV-Trainer Markus Merle hielt nach dem Schlusspfiff gleichwohl nicht mit seiner Kritik hinterm Berg: „Das war schlicht zu wenig an Intensität und Laufbereitschaft. Das Spiel hätte auch leicht zu unseren Ungunsten kippen können.“