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Aufgesetztes Parken Wie breit ist breit genug?

Aufregung in der Lutherstraße in Walle: Auch dort sollen Autos zukünftig nicht mehr teilweise auf dem Gehweg geparkt werden. Und nun?
16.03.2023, 10:00 Uhr
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Wie breit ist breit genug?
Von Anne Gerling

Wohin mit den Autos, wenn sie nicht mehr teilweise auf dem Fußweg abgestellt werden dürfen? Diese Frage bewegt mittlerweile so gut wie überall in der Stadt die Gemüter. So auch in Walle, wo sich im September Anwohner aus der Gravensteiner Straße mit Beiratspolitikern und Ordnungsamtsleiter Uwe Papencord im Ortsamt trafen, um eine Sonderregelung für ihre Straße zu erwirken, nachdem sie ohne Vorwarnung für aufgesetztes Parken Knöllchen kassiert hatten (wir berichteten).

Nun hat es die Lutherstraße im Westend getroffen. Von dort haben sich Anwohner ans Ortsamt gewandt, die an einem Dienstag Ende Februar plötzlich gelbe Zettel an den Windschutzscheiben ihrer Fahrzeuge vorgefunden hatten. Noch waren es nur Verwarnungen, das Ordnungsamt kündigte darin allerdings Strafen an, falls weiterhin auf dem Fußweg geparkt werde.

Die Aktion sorgte aber nicht etwa für mehr Ordnung, sondern für reichlich Chaos, schildert Anwohner Marco Slawinski-Richter, der im Namen der Nachbarschaft in einem Bürgerantrag darum gebeten hat, das aufgesetzte Parken zu dulden und die Lutherstraße entsprechend zu beschildern: „Als ich abends dann nach Hause gekommen bin, sah man, wie vereinzelt Autos dann auf der Straße geparkt wurden. Einige parkten somit aufgesetzt, andere nicht, einige parkten auf der linken Seite, andere auf der rechten Seite. Was ist das Ergebnis? Autos müssen nun Slalom fahren, und teilweise ist es an manchen Stellen so eng, dass die Abfallentsorger und die Rettungswagen die Straße so nicht durchfahren können. Was hier vorher nie ein praktisches Problem dargestellt hat, wird nun zu einer großen Schwierigkeit.“

Er befahre den Gehweg selbst mit einem breiten Kinderwagen oder auch einem Bollerwagen und sei dabei noch nie durch die parkenden Autos behindert worden, sagt Slawinski-Richter. Und auch auf der Fahrbahn sei genügend Platz für den Straßenverkehr: „Niemand in der Straße hat was gegen das aufgesetzte Parken.“ Einmal allerdings, kurz bevor die gelben Zettel auftauchten, soll eine Dame mit Rollator sich lauthals schimpfend an den Mülltonnen auf dem Gehweg vorbeigezwängt haben: So schilderte es am Montag ein Nachbar im Verkehrsausschuss des Waller Beirats.

Ob sich diese Dame womöglich ans Ordnungsamt gewandt hat? „In unserer Straße geht es um circa 25 Autos, die weg müssen“, schildert jedenfalls Slawinski-Richter, der sich nun, ebenso wie seine Nachbarn, vor allem eine Frage stellt: „Wo sollen wir denn alle parken?“ Immerhin: In der unmittelbaren Umgebung gibt es beim Bunker an der Zütphenstraße  zwischen Zwingli- und Calvinstraße einen öffentlichen kostenfreien Parkplatz, der bislang Platz für etwa 45 Fahrzeuge bot. Mittlerweile sind es etwas weniger, die Bremer Firma Eulektro hat dort sechs Ladepunkte für Elektroautos installiert, wodurch mehrere Parkplätze für Verbrenner wegfallen.

„Alle, die in diesem Bereich des sogenannten Reformatoren-Viertels ein E-Auto haben, dürften sich darüber freuen“, sagt Anwohner Klaus-Peter Berg, „alle anderen weniger. Zumal der Platz auch gerne von auswärtigen Fahrzeugführern genutzt wird. Hier parkt man gerne und völlig kostenfrei, und mit den Straßenbahnlinien 2 oder 10 gelangt man schnell in die Innenstadt.“ Dazu, wie die Fläche mehr im Sinne der motorisierten Anwohnerschaft genutzt werden könnte, hat Berg kürzlich einen Vorschlag beim Ortsamt eingereicht: Warum nicht neben dem Bunker ein kleines Parkhaus für die Autos im Quartier errichten? „Es muss nicht groß sein. Ein Keller-, ein Erdgeschoss und eine oder auch zwei Etagen darüber: Das würde locker ausreichen, um die bisherigen Parkmöglichkeiten zu erhöhen. Und dem Stadtbild würde es nicht schaden“, ist Berg überzeugt.

Die Anwohner in der Lutherstraße sind mit ihrem Problem nicht allein. „Den Beirat Walle erreichen in den letzten Monaten viele derartige Bürgeranträge, in denen aufgesetztes Parken für bestimmte Bereiche gefordert wird“, sagt der im Ortsamt West für Walle verantwortliche Stadtteilsachgebietsleiter Leon Czyborr. Vielerorts seien die Anwohner außerdem unsicher, was die Parkregeln in den Straßen betreffe. Das Amt für Straßen und Verkehr (ASV), an das er in der Vergangenheit mehrere Bürgeranträge auf Duldung des aufgesetzten Parkens weitergeleitet habe, habe diese jeweils mit der Bemerkung abgewiesen, aufgesetztes Parken werde nicht mehr neu angeordnet.

Noch ist die Rechtslage uneindeutig, doch wie soll es nun speziell in Walle weitergehen? Auf jeden Fall wollen die Ortspolitiker prüfen lassen, ob beim Bunker eine Quartiersgarage gebaut werden könnte. „Ich möchte keine pauschale Ansage, sondern fallbezogen gucken“, sagt außerdem die Waller Beiratssprecherin Brigitte Grziwa-Pohlmann (SPD). Marco Juschkeit (FDP) plädiert für einen Vor-Ort-Termin mit ASV und Ordnungsamt: „Damit man gemeinsam gucken kann, was es für Lösungsmöglichkeiten gibt.“ Eine konkrete Empfehlung hat dazu Franz Roskosch (CDU): „Gerade weil die Rechtslage so unsicher ist, sollte man das Ordnungsamt bitten, sich bei Kontrollen vorerst auf klare Fälle wie zum Beispiel Eckenparker zu konzentrieren.“

Zur Sache

Die Rechtslage

Laut Straßenverkehrsordnung ist das Halten und Parken auf Gehwegen grundsätzlich verboten, sofern es nicht durch Verkehrszeichen oder durch Markierungen ausdrücklich erlaubt ist.  Anfang März hat das Bremer Oberverwaltungsgericht (OVG) dargelegt, wie Bremen in Zukunft mit dem jahrelang geduldeten aufgesetzten Parken umgehen soll. Dabei stellte das Gericht klar, dass die Behörden zwar grundsätzlich gegen diese Parkpraxis angehen müssen, dabei aber einen Ermessensspielraum haben. Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig; im Falle einer Revision würde die Angelegenheit vor das Bundesverwaltungsgericht gehen. Sowohl Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne) als auch Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sehen sich durch das Urteil in ihrer Position bestätigt. Schaefer ist überzeugt, dass aufgesetztes Parken illegal ist – Mäurer möchte mit einem (vom Findorffer Beirat mit knapper Mehrheit befürworteten) „Parkfrieden“-Konzept das Parken auf Gehwegen in einem begrenzten Umfang ermöglichen. Der Verein Klimazone-Findorff hatte außerdem ein Rechtsgutachten erstellen lassen, demzufolge Mäurers Konzept rechtswidrig ist.

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