Wie geht es nach der Schule weiter? Wie kann ich mich über attraktive Berufe informieren, was passt den überhaupt zu mir? Auch die Eltern können oft nicht helfen, besonders dann, wenn sie selbst noch nicht so lange in Deutschland leben.
Auf einem Berufsparcours, wie er jetzt an der Oberschule Roter Sand an der Butjadinger Straße in Woltmershausen veranstaltet wurde, hatten die Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Klassenstufe – auch der umliegenden Schulen – Gelegenheit, direkt mit Arbeitgebern in Kontakt zu treten und anhand von Gewerbe-typischen Aufgaben festzustellen, ob der angebotene Beruf interessant ist. Gleichzeitig ist der Berufsparcours auch eine gute Gelegenheit für kleine und mittelständische Unternehmen, geeigneten Ausbildungsnachwuchs zu finden.
Zwölf Firmen präsentierten sich den Jugendlichen an diesem Vormittag und boten Einblicke in 18 Ausbildungsberufe – von Fachlagerist oder Fachkraft für Lagerlogistik bei der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft, Fachangestellte bei der Bremer Bäder GmbH, Hochbaufacharbeiter bei der CCD Diamanttechnik oder Gesundheitsberufe, die die Gesundheit Nord gGmbH vorstellte.
Berufe gegreifbar machen
Karin Ressel vom Technik-Zentrum Minden berät seit mehr als 20 Jahren Unternehmen bei der Suche nach Auszubildenden und hatte den Berufsparcours organisiert. „90 Prozent der heutigen Jugendlichen können sich weder unter den Berufsbezeichnungen noch unter den Berufsinhalten etwas vorstellen, deshalb bewerben sie sich nicht auf Stellenausschreibungen der Arbeitgeber, obwohl sie eine Begabung für den einen oder anderen Beruf haben. Daher bringen wir Jugendliche und Unternehmen zusammen, um Berufe erlebbar und begreifbar zu machen“, erklärt Ressel die Idee hinter dem Berufsparcours.
In einer Art „Minipraktikum“ testen jeweils etwa acht Jugendliche gleichzeitig für zehn Minuten eine für diesen Beruf typische Arbeitsprobe. Die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge neun und zehn werden in drei Gruppen aufgeteilt, die nacheinander den Parcours absolvieren. Jede Gruppe hat dann die Möglichkeit, in 90 Minuten die Berufe auszuprobieren. Die Unternehmen entscheiden dann, welche Jugendlichen zu einem Schnuppertag oder Praktikum eingeladen werden oder gar schon eine Ausbildungsplatz-Zusage erhalten.
„Im Vorfeld schulen wir aber auch die Ausbildungsbetriebe, wie sie sich den Jugendlichen am besten präsentieren können, denn die Jugendlichen heute stellen andere Anforderungen und haben andere Erwartungen an einen Ausbildungsbetrieb, als noch vor fünf, zehn Jahren“, erläutert Karin Reese.
Erkennen, sortieren, wiederfinden
Am Tisch der Firma Actega haben Bruno und Mahdi, beide 14 Jahre alt, gerade verschiedenfarbige Kügelchen nach Gewicht in Reagenzgläser sortiert und dann alphabetisch in einem Ständer eingeordnet. „Wir bilden Lagerlogistiker aus“, sagt Heide Barwich, die die Aufgabe beaufsichtigt. „Um Waren in unseren Lagerhallen einlagern, aber auch wieder abrufen zu können, müssen unsere Lagermitarbeiter Waren erkennen und einsortieren und dann anhand von alphabetischen und numerischen Bezeichnungen wiederfinden können“.
„Ihr braucht keine superguten Zeugnisse zu haben, um den Beruf zu erlernen“, versichert Heide Barwich den jungen Leuten, „aber wir legen Wert auf Zuverlässigkeit – wer also zu viele Fehlstunden im Zeugnis aufweist, den können wir nicht aufnehmen.“
Für Mahdi ist diese Information allerdings nicht so relevant. Er hat bereits ein Berufsziel im Auge: Er ist gut in Mathe und möchte einmal Steuerberater werden.
Lillenne und Rebecca haben gerade den Tisch gewechselt. Eben noch hatten sie die Aufgabe, am Tisch der Firma Lenderoth Glasscheiben in einen Rahmen einzukitten. Das hat den beiden aber nicht so gut gefallen. „Der Ausbilder hat uns eigentlich zu wenig erzählt“, bedauern sie, „und wir hatten auch keine wirkliche Aufgabe.“
Doch bis dahin habe der Berufsparcours Spaß gemacht. „Ich habe eine ganze Menge interessanter neuer Berufe kennengelernt, die ich vorher gar nicht kannte“, lobt etwa Rebecca.
Fingerfertigkeit gefragt
Hardi Jack, Glaser-Ausbilder bei Lenderoth, hat dagegen festgestellt, dass einige der Jugendlichen kaum noch wissen, wie aus Knetmasse kleine Rollen gefertigt werden. „Ich habe den Eindruck, dass manche Fingerfertigkeiten verloren gegangen sind, die die Jugendlichen vor einigen Jahren noch hatten."
Sharon Kunze, Bäckerei-Fachverkäuferin, ist für die Bäckerei Rolf aus Ritterhude nach Woltmershausen gekommen – und enttäuscht. „Wenn die Jugendlichen hören, dass sie für den Beruf des Bäckers früh aufstehen müssen, ist es schon aus“, sagt sie. Auch das Interesse am Beruf des Fachverkäufers war verhalten. „Wir haben Proben von Getreidearten mitgebracht, die in unseren Backwaren verarbeitet werden. Aber viele der Teilnehmer haben nur herumgealbert, das war schade.“
Ganz andere Erfahrungen macht dagegen Rieke Persson, die für die Gesundheit Nord gGmbH Pflegeberufe vorstellt. „Die Jugendlichen waren sehr interessiert – vor allem die Messung des Blutzucker-Spiegels hat sie fasziniert“, erzählt sie mit einem Lachen. „Wir haben sehr viele Bewerber-Karten erhalten, das ist sehr erfreulich, denn wegen der Pandemie konnten wir fast drei Jahre lang keine Praktika anbieten. Nun überlegen wir, in unseren Skills-Labs im Klinikum Sankt-Jürgen-Straße einen Schnuppertag anzubieten. Genügend Bewerber haben wir ja heute gefunden.“