Den Namen der ersten Fregatte 126 will zumindest von den abergläubischen Marinesoldaten vor der offiziellen Schiffstaufe noch niemand nennen. Das bringe Pech. Die Bundeswehr selbst ist da rationaler. Bei der Kiellegung vor mehr als einem Jahr durch Verteidigungsminister Boris Pistorius stand der Name “Niedersachsen” schon fest. Ein Jahr später gibt es wenig gute Laune, um das Projekt. Wann die Taufe stattfindet, weiß niemand.
Die sogenannte “Niedersachsen-Klasse”, also insgesamt sechs hochgerüstete Zerstörer, mit einem Kaufpreis von rund neun Milliarden Euro droht für die Bundeswehr zum Desaster zu werden. Bis zur Auslieferung des ersten Schiffes könnte es schon jetzt rund vier Jahre länger dauern als geplant. Die beauftragte Damen-Werft steht vor der Pleite, die Vorgänger-Schiffe F123 haben ihren Zenit längst überschritten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Großprojekt.
Was ist die Fregatte 126 für ein Schiff?
Mit 166 Metern Länge und Platz für knapp 200 Soldaten werden sie die größten Kriegsschiffe der Bundeswehr sein. Die Vorgänger Schiffe, die Fregatten F123, Beiname “Brandenburg-Klasse”, sind bereits seit knapp 30 Jahren im Einsatz. Die Beschaffung und Technik auf der F126 soll nicht nur moderner sein, die alten Fregatten haben auch ihren Zenit erreicht. “Spätestens nach 15 Jahren steigen die Instandhaltungskosten exponentiell an”, sagt Fregattenkapitän Marco Thiele, der beim Bundeswehrverband für die Marine zuständig ist.
Die F126 sollte hingegen nicht weniger als eines der modernsten Kriegsschiffe auf den Weltmeeren sein. Dank “Missionsmodulen”, eine Art Baukastensystem, kann das Schiff für ganz unterschiedliche Aufgaben ausgerüstet werden, teilt die Marine selbst mit. Theoretisch kann sie Ziele in der Luft, auf dem Wasser und unter Wasser bekämpfen, so die Bundeswehr. Fregattenkapitän Thiele verdeutlicht. ”Sie kann sich auch gegen Flugzeuge verteidigen. Aber Hauptaufgabe der F126 bleiben die U-Bootjagd und die Seeraumüberwachung.”
Wie lief das Projekt bislang?
2015 hat die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Fregatten europaweit ausgeschrieben. So etwas gab es bei Marine-Projekten dieser Größenordnung vorher kaum. Die europaweite Ausschreibung gilt auch heute noch als eine Art Denkzettel für die deutschen Werften, die Projekte als zu teuer veranschlagen würden. Den Zuschlag für zunächst vier Schiffe bekam das niederländische Unternehmen Damen Schelde Naval Shipbuilding B.V., das als Generalunternehmer fungiert. Insgesamt sollen laut Verteidigungsministerium rund 150 Firmen direkt oder indirekt beteiligt sein. Die Schiffbaufertigung findet in Wolgast, Kiel und Hamburg statt. Stahlarbeiten und Vorausrüstung für das Hinterschiff erfolgen auf der zur Naval Vessel Lürssen (NVL) Group gehörenden Peene-Werft in Wolgast. Das Vorschiff wird bei German Naval Yards in Kiel gefertigt, dort mit dem Hinterschiff verbunden und auf dem Seeweg zum NVL-Standort Blohm+Voss nach Hamburg geschleppt. Ein Großteil der Wertschöpfung wird dennoch in Deutschland liegen, unter anderem in Hamburg, in Wilhelmshaven, Kiel und Mecklenburg sind Werften mit dem Bau beteiligt. In Wilhelmshaven wird das Marinearsenal zudem um rund 340.000 Quadratmeter vergrößert - vor allem, um künftig den Besatzungen der F126 Platz zu bieten.
Die Kosten sind bereits deutlich gestiegen, liegen mittlerweile bei rund 1,5 Milliarden Euro pro Schiff. Nach Kritik vom Bundesrechnungshof hatte die ehemalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) eine Nachbestellung zunächst auf Eis gelegt. Boris Pistorius zog die Option auf zwei weitere Fregatten 2024 dann doch.
Welche Probleme gibt es derzeit?
Das Verteidigungsministerium gibt seit Monaten gebetsmühlenartig eine Standard-Antwort: “Der Auftragnehmer hat eine verspätete Ablieferung der Schiffe F126 aufgrund von Problemen mit IT-Schnittstellen bei der firmeneigenen Konstruktions- und Fertigungssoftware angezeigt”. Klingt technisch, ist aber ein großes Problem. Denn gebaut werden die Schiffe ausschließlich in Deutschland. Wenn aus den Niederlanden nicht die notwendigen Konstruktionsdaten kommen, wird das jedoch schwierig. Die Software-Probleme waren allerdings schon 2024 bekannt, werden im Rüstungsbericht 2024 erwähnt. Mittlerweile ist klar, dass es sich offenbar nicht schnell lösen lässt.
Die Folge: Statt 2028 das erste der sechs Schiffe auszuliefern, könnte es frühestens 2031 so weit sein. Mit 43 Monaten Verzögerungen wird aktuell gerechnet. “Falls die Nachrüstung zum Milliardengrab wird, werden wir den Rückhalt in der Bevölkerung verlieren”, mahnt Verteidigungspolitiker Robin Wagener (Bündnis 90/Die Grünen).

Die Fregatte ”Bayern” gehört zur sogenannten Brandenburg-Klasse, die durch neuen Fregatten ersetzt werden soll.
Insider sagen: Als die Damen-Werft sich für das Bundeswehr-Projekt bewarb, bot sie preislich an, was deutsche Werften nicht anbieten wollten - und hat sich damit übernommen. “Ich persönlich denke, die Werft war sich der Tragweite und der Komplexität des Projekts nicht bewusst”, sagt der niedersächsische Haushaltspolitiker Andreas Mattfeldt (CDU), der für die Union besonders den Wehretat unter die Lupe nimmt. Mittlerweile gelte es zudem als offenes Geheimnis, dass das Unternehmen finanziell angeschlagen ist. Die niederländische Regierung hat kurzfristig einen Überbrückungskredit in Höhe von kolportierten 270 Millionen Euro gewährt. Nicht nur, um das Bundeswehrvorhaben zu stützen. Damen baut unter anderem derzeit auch U-Boot-Jäger-Fregatten für die Niederlande und Belgien.
Welche Alternativen gibt es?
Politiker wie der Delmenhorster Marine-Experte Bastian Ernst (CDU) fordern längst, das Projekt abzubrechen und an deutsche Werften zu geben. “Die Damen Werft hat mich nicht überzeugen können, dass sie die aktuellen Probleme in den Griff bekommt”, sagt er. Nur hätte eine solche Maßnahme womöglich noch größere Verzögerungen zu Folge. Und auch andere Staaten wären betroffen. Verliert die Damen Werft den Bundeswehr-Auftrag, wäre sie finanziell wohl nicht mehr zu retten. Und die niederländischen-belgischen Rüstungsprojekte stünden ebenfalls vor dem Aus.
Militärisch würde im wenig vielfältigen Kriegsschiff-Markt der Kauf der Fregatte “Meko A200” wohl am meisten Sinn ergeben. Die Schiffe des Kieler Rüstungsunternehmens TKMS könnte relativ schnell gebaut werden, wären eine Art Zwischenlösung. Und gewissermaßen der “Kauf von der Stange”, den Verteidigungsminister Pistorius ohnehin eigentlich bevorzugt.
Wie geht es jetzt weiter?
Im Verteidigungsministerium wurde laut CDU-Mann Ernst wegen des F126-Problems bereits eine Task Force gegründet, auf deren Ergebnisse Verteidigungspolitiker aber noch warten. “Inakzeptabel” nennt das auch Oppositionspolitiker Robin Wagener. Die Unternehmensberatung Porsche Consulting nimmt parallel die Damen Werft in den Niederlanden unter die Lupe. Auch hier stehen die Ergebnisse noch aus. Das Verteidigungsministerium würde zu der Geschichte am liebsten gar nichts sagen, um dann zumindest zu verraten, dass man im ständigen Austausch stehe, um die “Überarbeitung der Gesamtprojektplanung zu unterstützen und gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu identifizieren”.
Irgendwann in diesem Herbst könnte eine Entscheidung fallen, wie es mit dem Projekt weiter geht. So lange bleibt den Soldaten der Marine nicht viel mehr, als mit der alten Ausrüstung umzugehen. Fregattenkapitän Marco Thiele sagt dazu: “Aus Sicht des Bundeswehrverbandes ist es vollkommen egal, wer die Schiffe herstellt. Hauptsache, es geht so schnell wie möglich und ist das Beste, was auf dem Markt verfügbar ist. Wir dürfen unsere Soldaten nicht in einen Einsatz schicken, wenn diese sich nicht richtig verteidigen können”.