Sie laufen wieder: Heidi Klums Kandidatinnen bei „Germany’s Next Topmodel“. Und allen Kritikern, die bereits ihre Stifte gezückt hatten, um zu notieren, was in der Show alles schiefläuft, nahm Klum gleich zu Beginn den Wind aus den Segeln. Oder sagen wir besser: Sie hat es versucht.
Denn die neue und mittlerweile 18. Staffel von „GNTM“, wie Fans sagen, startete mit ernsten Worten: Klum bezog in einer direkten Ansprache ans Publikum Stellung zu fast jedem Vorwurf, der ihr oder der Show in den vergangenen Jahren gemacht wurde: fragwürdige Frauenbilder, Manipulation, Falschdarstellung ...
Erfolglose Schadensbegrenzung
Peyman Amin, ehemaliger Juror der Sendung, sieht darin den Versuch, „einen Scherbenhaufen zusammenzukehren“. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nennt Klums Ansprache eine „schadensbegrenzende Rehabilitierungs-Doku“. Mit Blick auf die sinkenden Einschaltquoten scheint das nicht aus der Luft gegriffen.
Erfolgreich war Klum mit ihren Rechtfertigungsversuchen nicht. Wenn die Kritik an „GNTM“ eine Rauchbombe ist, dann war Klums Reaktion nicht viel mehr als eine Knallerbse.
Aber trotz allem Verständnis an den Vorwürfen gegenüber „GNTM“ bringt es nichts, eine einzelne Frau zum Sündenbock einer von Eitelkeiten geprägten Branche zu machen. Es verwundert nicht, dass Klum zu ihrer Verteidigung Parallelen zu den Anfängen ihrer eigenen Karriere zieht, um klarzumachen: Früher war das alles noch viel schlimmer! Denn man kann ohne Zweifel sagen: Ja, das war es. Klum selbst wurde, wie sie sagt, häufig nach Hause geschickt, weil sie nicht in Größe 34 passte. Willkommen in der Welt der Magermodels. Doch die 49-Jährige gesteht ein, dass auch ihre Show sich weiterentwickelt hat, sprich: dass auch sie in der Vergangenheit Fehler gemacht hat.
Dieser Prozess des Dazulernens ist aber noch lange nicht abgeschlossen – auch wenn Klum vermutlich widersprechen würde. Denn: Sie setzt jetzt auf Vielfältigkeit. Und nicht nur das. „Wo Diversity bei anderen aufhört, machen wir ein ganzes Stück weiter“, behauptet sie in ihrer Ansprache.
Damit wären wir beim Klumschen Zauberwort angekommen. Es soll zeigen, dass heute alles anders ist. „GNTM“ ist seit einigen Jahren divers, sprich: Das Feld der Teilnehmerinnen ist vielfältiger. Während früher alle Frauen, die Kurven hatten, kleiner als 1,70 Meter oder älter als 30 waren, nichts auf den Laufstegen dieser Welt zu suchen hatten, findet in der Branche gerade ein Umdenken statt.
Vielfalt darf nicht Dauerthema sein
An Klums Show nehmen mittlerweile Transgender, Frauen im Rentenalter, mit größeren Kleidergrößen oder mit anderen bisher selten gezeigten Attributen teil. Allerdings wird nie versäumt, genau das zu erwähnen: Wie toll es ist, dass sie dabei sind und dass sie trotz ihres Alters, trotz Mehrgewichts, trotz Narbe irgendwie schön sind.
Und genau bei diesem „trotz“ und beim steten Erwähnen des „Anderen“ liegt das Problem: Solange Vielfalt thematisiert werden muss, sind TV-Formate noch weit davon entfernt, tatsächlich vielfältig zu sein. Vielfalt darf nicht das Dauerthema sein. Große, kleine, schwarze, kurvige oder ältere Frauen dürfen nicht als Aushängeschild missbraucht werden, um sich reinzuwaschen. Hätte man mitgezählt, wie oft in der ersten Folge erwähnt wurde, dass Teilnehmerin Emilia 1,94 Meter groß ist, hätten zehn Finger nicht gereicht. So wird das vermeintlich Andere nie normal. Das Wort „trotzdem“ in dem Satz „auch du bist schön“ wird immer mitgedacht werden.
Dennoch ist es in jedem Berufsfeld so: Für bestimmte Tätigkeiten sollte man bestimmte Voraussetzungen mitbringen. Und in der Modelwelt sind diese vor allem äußerlicher Natur. Wer ein Teil dieser Welt sein will, muss sich dessen bewusst sein, denn daran wird sich grundsätzlich nichts ändern.
Woran man aber etwas ändern kann, ist die Vorstellung, was Schönheit bedeutet. Wenn Designer Wolfgang Joop im Interview mit dem „Spiegel“ über die neue Diversität bei „GNTM“ Dinge sagt wie „Nicht alles, was schief und krumm ist, ist erfolgreich“, lässt sich erahnen, wie weit der Weg noch ist, der hier gegangen werden muss.