Der runde Tisch im Esszimmer, an dem Jane Austen (1775-1817) ihre Romane schrieb, hat noch heute etwas Geheimnisvolles an sich. Die Schriftstellerin wählte das Kaminzimmer, weil dessen Tür knarrte – für sie ein Signal, sich ihre Manuskripte schnell in den Ausschnitt zu stopfen. Jane Austen, seinerzeit als „die Lady, die schrieb“ bekannt, wird zu ihrem 200. Todestag am Dienstag, 18. Juli, weltweit geehrt.
Heute heißt ihr Wohnhaus in Hampshire, Südengland, wo sie lebte und schrieb, „Jane Austen‘s House Museum“. Jane Austen hatte das Glück aus einer Familie zu stammen, die als überdurchschnittlich gebildet galt; es gab eine große Bibliothek im Haus. Die wurde offenbar zu einem Rückzugsort, denn Jane und ihre Schwester Cassandra erhielten nach ihrem elften Lebensjahr keine nennenswerte Schulbildung mehr. Der Vater, ein anglikanischer Landpfarrer, förderte seine acht Kinder – und zwar nicht nur die Söhne, sondern auch die Töchter. Er starb früh. Es sollte an Janes Bruder Edward sein, die Mutter und die beiden unverheirateten Schwestern finanziell zu unterhalten. Edward war von einem reichen Verwandten adoptiert worden, dessen Geld er erbte.
Bescheidene Verhältnisse
Jane lebte also in bescheidenen, aber gesicherten Verhältnissen und konnte sich in dem Haus in der Ortschaft Chawton dem Schreiben widmen. Hier entstanden „Sense and Sensibility“ („Verstand und Gefühl“, auch "Sinn und Sinnlichkeit" übersetzt), „Pride and Prejudice“ („Stolz und Vorurteil“) und „Northanger Abbey“ („Kloster Northanger“) sowie „Mansfield Park“, „Emma“ und „Persuasion“ („Überredung“). „Ich glaube, ich kann von mir sagen, mit aller möglichen Eitelkeit, das am wenigsten gebildete und informierte weibliche Wesen zu sein, das es jemals wagte, Schriftstellerin zu werden“, schrieb Austen in einem ihrer zahlreichen Briefe mit dem für sie typischen Understatement.
Denn ihre Rolle als analytische Gesellschaftskritikerin des georgianischen England um 1800 ist nicht zu unterschätzen. Ihre Werke handeln vordergründig von Liebe, Anstand und Geld, gleichzeitig legt Jane Austen Abhängigkeiten offen, macht sich über Dünkel und Heuchelei lustig. Ihre Werke gehören allesamt zu den Klassikern der englischsprachigen Literatur und wurden mehrfach verfilmt, vor allem seit den 1980er-Jahren wurden die Austen-Romane in schöner Regelmäßigkeit für die Leinwand oder das Fernsehen adaptiert. Am schwierigsten zu transportieren war dabei in allen Produktionen die überaus feine Ironie und der leichtfüßige Witz der Sprache. Zuletzt gelang dies im vergangenen Jahr Whit Stillman, der den früh entstandenen Briefroman „Lady Susan“ mit Kate Beckinsale in der Hauptrolle als „Love & Friendship“ auf die Leinwand brachte. Ebenfalls 2016 kam die schräge Hommage „Stolz und Vorurteil und Zombies“ nach dem parodistischen Roman von Seth Graham-Smith in die Kinos und hat Jane Austen vielleicht noch einmal ein ganz anderes Publikum erschlossen.

Dieser undatierte Holzschnitt zeigt die englische Schriftstellerin Jane Austen.
Austens 200. Todestag wird, was sonst, mit zahlreichen Neuerscheinungen und Sonderausgaben ihrer Romane und Briefe gewürdigt. In Deutschland hat der Reclam-Verlag ihre Romane mit Titelbildern in floralem Design neu aufgelegt. Das Futter für ihre Bücher fand Austen übrigens in ihrem direkten Umfeld. Andrew Constantine, der durch ihr ehemaliges Wohnhaus führt, beschreibt das so: „Sie kannte einfach jeden und verpasste keine einzige Unterhaltung unter Erwachsenen oder mit ihren älteren Brüdern. Dann ging sie auf ihr Zimmer und schrieb die Geschichten auf.“ So entstanden Charaktere wie Mr. Darcy, Elizabeth Bennet und Emma Woodhouse. In der Chawton House Library, dem Herrenhaus von Bruder Edward, wo heute das Werk von Austen archiviert ist, versucht Direktorin Gillian Dow derweil, mit einem Mythos aufzuräumen. Sie präsentiert Manuskripte von frühen Theaterstücken, die durchgestrichen, korrigiert und mit Anmerkungen versehen waren. „Die Familie hat verbreitet, dass sie eine höchst perfekte Schreiberin war und fließend schrieb, aber sie hat an allen Texten hart gearbeitet und herumgefeilt.“
Das galt wohl auch für die Charaktere, in denen man auch heute noch zeitlose Typen wiedererkennt. Trotzdem geriet Austen während des 19. Jahrhunderts aus der Mode. Sie verdankt es einer anderen großen englischen Autorin, im 20. Jahrhundert wiederentdeckt zu werden. Virginia Woolf machte Austens Werk zum Thema literarischer Essays. Heute sei die Autorin „beliebter als je seit ihrem Tod“, konstatiert Gillian Dow.
Das findet auch Louise Wes, die in Winchester die Ausstellung „The Mysterious Miss Austen“ kuratiert hat. „Es war damals für Frauen keineswegs ungewöhnlich zu schreiben. Aber Austen war ein Genie, ihre Kenntnis der menschlichen Psyche war phänomenal – und das lange vor Sigmund Freud.“ Jane Austen starb im Alter von nur 41 Jahren. In diesem Herbst wird einer der bedeutendsten englischen Autorinnen endlich eine angemessene Ehrung zuteil: Ihr Abbild wird auf den neuen Zehn-Pfundscheinen und Zwei-Pfundmünzen zu sehen sein.