Bruchhausen-Vilsen. "Im Exil lebende Journalisten sind besorgt über den Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten in ihrem Beruf", sagt Hedayatullah Zyarmal. Er ist Journalist und arbeitete 17 Jahre für eine Vielzahl an Medien im Norden seines Heimatlands Afghanistan. Für Zeitschriften und Zeitungen, Radio, Fernsehen und Nachrichtenagenturen recherchierte er Geschichten und schrieb Beiträge. Zu lesen und zu hören waren sie etwa in der Zeitung "Cherag Daily" oder im "Bayan Shamal Radio". Seit fast zwei Jahren kann Zyarmal die Berichterstattung aus seinem Heimatland nur aus der Ferne verfolgen, wenn überhaupt. Denn mit seiner Familie – seiner Frau und den Kindern – flüchtete er nach Deutschland und kam in Bruchhausen-Vilsen an.
Seit seiner Ankunft hat Zyarmal nicht nur die deutsche Sprache erlernt, sondern auch die Hürden und Herausforderungen des Übergangs in eine neue Medienlandschaft erlebt. "Einer meiner Wünsche ist es, meine Medienarbeit auch in Zukunft in Deutschland fortsetzen zu können", sagt er. Dafür arbeitet er beharrlich daran, seine Deutschkenntnisse auf ein höheres Niveau zu bringen. Unterstützung erhält er dabei vom Verein Lebenswege begleiten. Dort besucht er etwa regelmäßig das Sprachcafé im Haus am Markt. Stolz ist er auf sein Zertifikat, dass ihm seit Oktober 2023 seine Deutschkenntnisse auf Niveau B1 des Europäischen Referenzrahmens bescheinigt, also gute Sprachkenntnisse und eine selbstständige Sprachverwendung.
Reporter haben Verantwortung
Trotz der vielen Eindrücke und Veränderungen, die das neue Leben in Deutschland mit sich brachte, hängt ein Teil seines Herzens immer noch an seinem Beruf und seiner Heimat. Die Unterschiede zwischen der Arbeitsweise der deutschen Medien und seiner langjährigen journalistischen Tätigkeit in Afghanistan haben sein Interesse geweckt. "Um mein Deutsch zu verbessern, höre ich mehr Radionachrichten, weil ich dadurch besser verstehe, wie die deutschen Medien funktionieren", erklärt er, während der die Nuancen der Medienlandschaft in Deutschland für sich erforscht. Das Auseinandersetzen mit deutschen Medien, insbesondere Radio- und Fernsehnachrichten, helfe ihm aber auch, den Unterschied zwischen seiner Arbeit und denen seiner deutschen Berufskollegen zu erkennen.
"Ich begann, mich für diesen Beruf zu interessieren, als die Ungleichheit in unserer Gesellschaft zunahm. Männer und Frauen waren sich ihrer Grundrechte nicht bewusst, Probleme grassierten auf allen Ebenen", sagt Zyarmal über seine Berufswahl. Besonders deutlich wurden diese Probleme in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft, Wirtschaft und Kultur. Als Journalist in Afghanistan sah er es als seine Pflicht an, die Stimme der benachteiligten Teile der Gesellschaft widerzuspiegeln. "Meiner Meinung nach liegt das bei allen großen Gesellschaften in der Verantwortung des Reporters, solange er unparteiisch ist."
Unsicherheiten und Herausforderungen
In Afghanistan kann ein Reporter gleichzeitig in den verschiedenen Abteilungen von Radio, Fernsehen und Zeitung arbeiten – beispielsweise in einem Medienzentrum, das über alle drei Kanäle verfügt. "Der Reporter ist verpflichtet, Nachrichtendienste und Radiosendungen bereitzustellen oder die Fernsehdebatte gemäß dem Zeitplan im Fernsehen zu starten", erzählt Zyarmal.

Hedayatullah Zyarmal hat unter anderem für Printmedien in seinem Heimatland gearbeitet. Er hofft, diese Arbeit auch in Deutschland fortzuführen.
Im Bereich der Zeitung bereitete er aktuelle Ereignisse und analytische Artikel auf und reichte sie zur Veröffentlichung ein. Zyarmals Erfahrungen als Journalist in Afghanistan waren von Unsicherheiten und Herausforderungen geprägt, vornehmlich in einer Umgebung, in der die Pressefreiheit stark eingeschränkt war. "In unserem Land gibt es leider keine Pressefreiheit. Journalisten befürchten, dass sie wegen der Veröffentlichung ihrer Berichte schikaniert, gefoltert und sogar getötet werden und vermeiden daher die Veröffentlichung ihrer Nachrichten oder Berichte", berichtet er.
Verhaftet, verurteilt, getötet
Unter der vorherigen Regierung Afghanistans habe es zwar freie Meinungsäußerung gegeben, Journalisten konnten jedoch schwierige Ereignisse wie Mafia-Strukturen, Menschenhandel oder Korruption nicht weiterverfolgen. Reporter, die Korruptionsgeheimnisse enthüllten, mussten das Land verlassen oder ihre Tätigkeit aufgeben. In den vergangenen 20 Jahren der vorherigen afghanischen Regierung und zwei Jahre nach der Taliban-Regierung seien Dutzende afghanische Journalisten getötet worden.
Hunderte Reporter wurden verhaftet und vor Gericht gestellt. "Und diese Situation besteht weiterhin. Leider sind mit dem Sturz der vorherigen Regierung und der Rückkehr der Taliban alle Errungenschaften von 20 Jahren auf dem Gebiet der Meinungs- und Pressefreiheit in unserem Land verloren gegangen." Die Türen vieler Radios, Fernsehsender, Zeitungen und Online-Medien wurden geschlossen, Frauen aus dem Berufsfeld komplett verbannt.
Als die Arbeit als Journalist für ihn zu gefährlich wurde, beschloss Hedayatullah Zyarmal, mit seiner Familie auszuwandern. Eine neue Heimat fanden sie in Bruchhausen-Vilsen. Seine Kinder besuchen dort die Schule und den Kindergarten, während sich seine Frau derzeit um den jüngsten Familienzuwachs kümmert.
Berufseinstieg in Deutschland ist schwierig
Was die Pressefreiheit und die Arbeit von Journalisten angeht, herrscht hier eine andere Realität, hat Zyarmal festgestellt: "Hier in Deutschland herrscht Pressefreiheit, und alle Aktivitäten erfolgen nach den Regeln, das ist wirklich ermutigend." Nach wie vor hängt sein Herz auch in der neuen Heimat an seinem alten Beruf, er möchte in diesen wieder einsteigen. Doch trotz seiner reichen Erfahrung und Ausbildung sieht er sich mit den Hindernissen des Neuanfangs konfrontiert. Die deutsche Arbeitswelt verlange oft formelle Ausbildungen und Prozesse, die Hedayatullah als benachteiligend für Migranten ansieht. "Eines der Probleme der Einwanderung besteht darin, dass man in Deutschland alles von vorne beginnen muss, was ein langer und zeitaufwendiger Prozess ist", erklärt er.
In Afghanistan besuchte er die Universität, hat Journalismus und Sprachen studiert. "Ich habe 17 Jahre lang Zehntausende Nachrichtenbeiträge geschrieben. Ich sehe keine Notwendigkeit, eine Ausbildung zu beginnen, wenn ich von einem deutschen Medium eingestellt werde. Ich habe in diesem Bereich genügend Erfahrung, weil ich den Prozess in meinem Heimatland durchlaufen habe." Dennoch bleibt sein Wunsch, in Deutschland wieder journalistisch arbeiten zu können, ungebrochen – besonders im Print-Bereich.
Kontakt zu anderen afghanischen Journalisten
Die Vernetzung mit anderen afghanischen Journalisten im Exil ist ihm wichtig. "In den vergangenen zwei Jahren sind viele Journalisten aus Afghanistan in europäische und amerikanische Länder ausgewandert. Mit einigen von ihnen bin ich immer noch im Kontakt. Auch um herauszufinden, wie sie ihre Arbeit mit den Medien im Gastland beginnen." Es freut ihn sehr, dass es in Deutschland mehrere Medienorganisationen gibt, die Journalisten im Exil ihre Unterstützung anbieten. Zyarmal selbst stehe so mit dem JX Fund, dem Deutschen Journalistenverband Bremen oder der Initiative Kulturaustausch in Kontakt.

2012 wurde Zyarmal "Golden Reporter" des Radiosender Bayan-e-Shamal, ein Medienzentrum in Mazar-i-Sharif, das von der Bundeswehr unterstützt wurde.
So wurde er im Dezember 2023 zu einem Symposium in Berlin eingeladen. Dort trafen sich mehr als 150 afghanische Journalisten, die in Europa und Nordamerika leben. "Nach zwei Jahren traf ich meine Kollegen wieder", berichtet Zyarmal ganz bewegt.
Sollte sich Zyarmal die Möglichkeit bieten, eines Tages in Deutschland seinen Beruf fortzuführen, will er sich mit unvollendeten Themen und Berichten aus seinem Heimatland befassen. Aus seiner Sicht sind Journalisten die Brücke zwischen der Regierung und dem Volk. "Wenn in einer Region die Rechte einer Person verloren gehen oder den Menschen Unterdrückung auferlegt wird, ist es die Pflicht eines verantwortungsbewussten Journalisten, dieses Problem in seiner Grundform zu untersuchen." Aus diesem Grund spielen Medienschaffende eine große Rolle bei der Förderung von Verständnis und Toleranz zwischen verschiedenen Kulturen, "deshalb werden Journalisten immer als Botschafter des Friedens bezeichnet".