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Bürgermeister im Interview "Bei der Gewerbesteuer müssen wir uns Gedanken machen"

Wo kann gespart werden? Wird es Steuererhöhungen geben? Diese und viele andere Fragen für das Jahr 2024 beantwortet Bassums Bürgermeister Christian Porsch im Interview mit dem Weser-Kurier.
19.01.2024, 16:23 Uhr
Lesedauer: 6 Min
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Von Micha Bustian

Nahezu alle Kommunen in Deutschland haben Schulden, auch Bassum. Wann ist die Lindenstadt pleite?

Christian Porsch: Ein Unternehmen ist pleite, wenn es die Zinsen und Tilgungen über einen längeren Zeitraum nicht mehr aus den erwirtschafteten Geldern, aus dem normalen Haushalt bedienen kann. Wir stehen natürlich als Kommune in der Verantwortung, es so weit nicht kommen zu lassen. Darauf müssen wir ein ganz, ganz waches Auge haben. Die Herausforderung für uns ist natürlich, das ist dann eben auch anders als in Unternehmen, dass wir häufig auch Aufgaben von Bund und Land zugewiesen bekommen. Dagegen können wir uns nicht wehren. Und wir bekommen dafür keinen ausreichenden finanziellen Ausgleich. Wir bekommen für den Ganztagsbereich an drei Grundschulen 758.000 Euro. Damit die Erweiterung der Mensa und die Herstellung von weiteren Schulräumen darzustellen, das ist einfach nicht möglich. Das sind aber Pflichtaufgaben, die wir zu erfüllen haben. „Pleite“ sind wir aber glücklicherweise nicht. Und wir werden alles daransetzen, dass es in naher Zukunft nicht dazu kommt. Es ist ja auch noch die Kommunalaufsicht da, die auch ein Auge darauf hat.

Um die Schulden einzudämmen – woran wird zukünftig gespart?

Um die Schulden einzudämmen, haben wir ja nur einen Bereich: die freiwilligen Aufgaben wie Bäder, Vereinsförderung, die Dinge, die eine Stadt lebens- und liebenswert machen. Nur dort können wir Einsparungen machen, wenn wir es denn für richtig halten. Oder wir dürfen keine neuen freiwilligen Leistungen aufnehmen.

Liebäugelt die Stadtverwaltung mit Steuererhöhungen? Und wenn ja: mit welchen?

Liebäugeln impliziert, dass man das gerne tut. Natürlich erhöht man die Steuern nicht gerne. Aber es wird uns in der Zukunft nichts anderes übrig bleiben, als die Hebesätze anzuheben, also die Steuern anzupassen. Unsere letzte Anpassung war 2016, und wenn ich mir mal überlege, welche Preise noch so aussehen wie 2016 – ich glaube, der WESER-KURIER hat seitdem schon mehrfach die Abonnementspreise anpassen müssen. Das hat einfach zur Folge, dass auch wir unsere Einnahmenseite ins Auge nehmen müssen. Die Gewerbesteuer und die Hebesätze für die Grundsteuer – das sind die Einnahmen, die wir beeinflussen können. Bei der Grundsteuer dürfen wir zurzeit nicht erhöhen, aber bei der Gewerbesteuer werden wir uns dieses Jahr Gedanken machen müssen. Das werden wir der Politik auch so vorschlagen. 

Kann die Stadt Bassum den Umbau der Schulen für den Ganztag leisten?

Bei uns stellt sich nicht die Frage, ob die Stadt Bassum sich das leisten kann. Wir müssen es uns leisten. Die Aufgabe der Ganztagsbetreuung an den Grundschulen ist eine Pflichtaufgabe, die der Bundesgesetzgeber vorgegeben und zur Regelung an das Land Niedersachsen weitergegeben hat. Das Land hat das jetzt geregelt und gibt es nun an die Kommunen weiter. Wir müssen das machen, und wir machen das auch. Ärgerlich dabei ist, dass nicht der die Musik bestellt hat, der sie auch bezahlt. Ein Großteil der Kosten bleibt an uns hängen.

Ist die Eröffnung des Naturbades im Mai realistisch?

Es muss  klappen, das Naturbad zu eröffnen. Wir haben noch ein paar bauliche Restarbeiten zu tun. Ein großer Punkt ist dabei noch die Verlegung und das Anwachsen des Rollrasens. Eigentlich wollten wir ganz normalen Rasen säen, aber das klappt aufgrund der Witterung nicht mehr. Ich hoffe, dass sich die Witterung so entwickelt, dass der Rollrasen rechtzeitig zur Eröffnung angewachsen ist. Davon gehen wir alle aus – nicht nur wir aus der Verwaltung, sondern auch der Bäderverein, der sich mit seinen Mitgliedern sehr eingesetzt hat und mit dem wir zusammen auch die Werbung übernommen haben. Das ist doch bei jeder Baustelle so: Kurz vorher sieht es noch schlimm aus, aber am Ende ist es richtig fertig. Das muss es aber auch. Wir wollen den Leuten ein Bad präsentieren, das wirklich fertig ist.

Was wird aus dem Bassumer Krankenhaus, wenn das Zentralklinikum in Borwede öffnet?

Wir sind da eng im Kontakt mit dem Landkreis Diepholz , also dem Eigentümer des Krankenhausgebäudes. Je nachdem, welche Vorstellungen da noch an den Tag gelegt werden, machen wir uns noch Gedanken über die Bereiche, mit denen der Landkreis nichts mehr anfangen kann. In den Räumlichkeiten sind ja nagelneue Operationssäle, und ich kann mir nicht vorstellen, dass man die einfach so liegen lässt. Das Zentrum für seelische Gesundheit bleibt ja auf alle Fälle hier bei uns in Bassum, und auch die benötigen ja für ihre Patienten eine ordentliche medizinische Versorgung. Von daher gehe ich davon aus, dass wir eine sinnvolle und vernünftige Nachnutzung finden. Hier ist es auch so, dass alle Peripherie-Einrichtungen wie Dialyse, die Fachklinik, das Gesundheitszentrum und auch das Zentrum der seelischen Gesundheit am „Nabel“ des Bassumer Krankenhauses hängen. Nicht nur arbeitstechnisch, sondern auch wegen der Versorgungsleitungen. Ich gehe davon aus, dass der Standort Bassum vom Umzug nach Borwede profitieren wird. In Bassum könnten Reha Maßnahmen oder auch die Nachsorge von Patienten durchgeführt werden, falls in Borwede nicht ausreichend Platz dafür ist.

Denken Sie, die Politik wird sich mittelfristig mit der Schwammstadt Bassum abfinden?

Der Begriff Schwammstadt ist ein Begriff dafür, Wasser in einer Stadt zu halten, es versickern zu lassen oder damit Bewässerung vorzunehmen. Bei Starkregenereignissen soll das Wasser nicht einfach über die Kanalisation letztendlich ins Meer laufen. Das ist Sinn und Geist dieser Sache. Und wir machen ja auch schon Schwammstadtmaßnahmen. Wir bauen Rigolen, wo es sinnvoll ist. Wir werden natürlich auch an Zisternen denken. Und wenn ich tatsächlich auf Bassum heruntergucke, dann sind wir schon recht grün, rings um die Innenstadt sehr, sehr grün. Das Szenario, die Leute würden vor lauter Hitze einen Herzinfarkt bekommen, wenn sie durchs Zentrum gehen, ist auch ein bisschen bei den Haaren herbeigezogen. Manche Maßnahmen einer Schwammstadt, die machen wir sowieso. Die Aufgabe haben wir einfach.

Zu den schönen Themen: Wen würden Sie sich als Interpreten beim Bassum Open Air wünschen?

Da habe ich wirklich lange drüber nachgedacht. Ich bin musikalisch ziemlich breit aufgestellt und habe da keine spezielle Richtung. Von daher finde ich das, was Oliver Launer da bisher auf die Bühne geholt hat, zum Beispiel Saga, einfach super. Das gilt auch für dieses Jahr, beispielsweise für Boss Hoss. Aber da bin ich leider nicht zu Hause. Oliver trifft den Geschmack der Leute, und die Besucherzahlen geben ihm ja auch größtenteils recht. Das ist alles Musik, die man sich toll anhören kann.

B.O.A., Mittelaltermarkt, Piazzetta – mausert sich Bassum zur Kulturkreisstadt? Und: Wie könnte die Lindenstadt diesen Status noch ausbauen?

Ich bin eigentlich gar kein Freund von immer höher, schneller weiter. Ich bin zufrieden mit dem, wie's gerade läuft – sowohl mit der Anzahl als auch mit der Breite des kulturellen Angebots. Was mich im letzten Jahr auch sehr gefreut hat, war das Bambi-Bambini-Festival, weil es mal wirklich etwas Spezielles  für Kinder war. Wir haben gerade in den letzten Tagen mit Marcello Monaco und Daniela Franzen die Piazzetta besprochen. Und wir haben auch darüber nachgedacht, mal etwas extra für Senioren zu machen. Aber insgesamt sind wir hervorragend, breit und vielseitig aufgestellt. Wichtig ist, dass es ausgewogen ist, dass für jeden etwas dabei ist. 

Das Kaufhaus „Emma 2.0“ sorgt in Neubruchhausen für die Möglichkeit, 24 Stunden am Tag einzukaufen. Wäre das auch etwas für Bassum?

Ich sehe so etwas eher in den kleinen Ortschaften, wo kein Ladengeschäft mit Bedienung mehr vorhanden ist. Es gab ja auch schon Märkte in Bassum, die schonmal bis Mitternacht geöffnet hatten. Das hat sich anscheinend nicht bewährt. Dieses Modell mit dem begehbaren Warenregal finde ich für die Ortschaften toll, das ist das ein zukunftsträchtiges Modell.

Stand heute: Würden Sie sich ein weiteres Mal als Bürgermeister zur Wahl stellen?

Selbst wenn ich's wollte, würde es nicht mehr gehen, weil ich mit Ablauf meiner jetzigen Amtszeit im Jahre 2026 die Altersgrenze erreicht habe. 

Aber Lust hätten Sie noch einmal?

Nein. Für mich war von Anfang an klar, dass es bei zwei Amtszeiten bleibt. Ich bin dann 67. Ich möchte die Zeit nach der Arbeit auch noch ein bisschen genießen können. Und es müssen dann auch junge Leute mit neuen Ideen und hoffentlich mehr Glück mit Krisen ran. 

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