Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

"SY"-Kennzeichen Mit "SY-LT" wollen viele fahren

Seit drei Jahren darf das "SY" im Landkreis Diepholz wieder vorn stehen. Viele Menschen nutzen diese Möglichkeit. Besonders beliebt ist die Kombination mit "LT", denn das ergibt den Namen der bekannten Insel.
14.06.2021, 13:48 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Karsten Bödeker / kbö

Syke. Mit Autokennzeichen drücken viele Menschen ihre Individualität aus. Seit drei Jahren sind die Möglichkeiten im Landkreis Diepholz größer geworden, denn seitdem darf auch das „SY" wieder vorne stehen. Eines der rund 17.000 Fahrzeuge mit „SY“ fährt Simone Böhme. Nicht nur für sie war es eine bewusste und persönliche Wahl. Denn: Simone Böhme ist Sykerin und war einige Jahre Sylterin.

Kein Wunder also, dass ihr Autonummernschild "SY–LT" lautet. „Als ich von einer Bekannten hörte, dass das geht, war die Entscheidung für mich klar.“ Flugs ging der Weg zur Zulassungsstelle, und dass die Ziffern 2005 auch noch frei waren, ließ die sowieso vor Fröhlichkeit strotzende Mittvierzigerin noch mehr strahlen. In dem Jahr nämlich war sie nach Sylt gezogen, auf das Eiland, das viele als „Die Insel“ bezeichnen. Für Böhme sind die Buchstaben "LT" hingegen mehr Erinnerung denn Prestige.

Eine Nordseeinsel sei ihr Mädchentraum gewesen, damals in Rheinland-Pfalz, zu ihrer Kinderzeit in der Nähe von Speyer. „Eigentlich wollte ich nach Amrum.“ Da ihr Mann aber beruflich nach Sylt wechseln sollte, wurde es eben eine Insel weiter nördlich. „Es war eine super Zeit mit unseren kleinen Kindern am Strand. Und am Meer ist das Wetter immer toll“, erinnert sie sich. Der Alltag dort war normal für eine kleine Familie. „Von dem Leben der Reichen bekommt man als Normalo nichts mit. Außer, wenn man in Kampen die lustigen Zahlen auf den Preisschildern in den Schaufenstern sieht", schmunzelt sie angesichts der der Klientel und keinesfalls dem realen Wert angepassten Preise.

Rätselspaß muss sein

Langfristig sei Sylt jedoch ein goldener Käfig gewesen. „Besuche sind nicht so einfach möglich, man musste sich immer nach den Fahrplänen der Züge richten. Außerdem muss man Geld dafür bezahlen, wenn man mal einen Ausflug von der Insel machen wollte. Nach sechs Jahren zog es Familie Böhme berufsbedingt in den Bremer Raum, seit neun Jahren lebt Simone Böhme mit den Kindern in Syke. Kontakte nach Sylt habe sie nicht mehr. Und auch ihr Auto mit dem "SY–LT" war noch nicht auf der Insel. "Wäre ja mal interessant zu wissen, ob da Autos mit dem Kennzeichen rumfahren."

Der Blick auf Kennzeichen gehört für Simone Böhme unterwegs dazu. „Tatsächlich mache ich das auch und frage mich oft, was könnte das bedeuten?“ Es können Initialen sein, die Anfangsbuchstaben der Kindernamen, die Zahlen können Geburtstag, Geburtsjahr oder auch das Hochzeitsdatum sein. Ein bisschen Rätselspaß darf sein.

Lesen Sie auch

Den Eindruck, dass vor allem in Syke das „SY“ der neue Trend ist, bestätigen die Statistiken der Kreisverwaltung. Von den seit 2018 rund 16.500 ausgegebenen SY-Kennzeichen fahren knapp 6.000 in Syke. In Weyhe und Stuhr sind es jeweils rund 2.500, Bassum und Bruchhausen sind im sicheren vierstelligen Bereich, und je weiter es Richtung Nordrhein-Westfalen geht, liegen die Zahlen um 100. Die Zahl der SY-Neuzulassungen steigt kontinuierlich, in 2018 waren es 2700 und in 2020 schon 6.700. Das ist ein Viertel aller Neuzulassungen. Es habe viele positive Rückmeldungen zu „SY“ gegeben, teilt die Kreisverwaltung mit. Vor allem stünden begehrte und vergebene Zahlenfolgen wie die 100 oder Schnapszahlen durch „SY“ wieder zu Verfügung. Von Marketing in eigener Sache ist beim Kennzeichen die Rede, was auch einige Firmen auf ihren Kennzeichen umsetzen.

Ersten Zugriff auf „SY“ hatte natürlich die Stadt Syke. Die Kombination „SY-KE 1" bis 100 sind ebenso für die Stadtverwaltung reserviert wie „SY–FF“ mit einigen Zahlen für die Freiwillige Feuerwehr. Ein früher Verwaltungsmitarbeiter, der sich, wie viele andere auch, Hoffnung auf eine einstellige SY-KE-Kombi gemacht hatte, kommentierte mit einem Augenzwinkern: „Jetzt fährt da so 'ne alte Kutsche mit meiner Zahl rum."

Lesen Sie auch

Keine alte Kutsche, sondern ein schickes repräsentatives Auto ist der weiße Dienstwagen der Bürgermeisterin Suse Laue, der jeden Morgen durchs Friedeholz in die Syker City rollt. Den ziert nämlich nicht nur der „gute Stern auf allen Wegen“, sondern auch die 1 hinter "SY-KE". Wer mag es ihr verdenken? Die wahre Nummer eins, nämlich "SY-NR 1", ist an ein zufälligerweise ebenfalls weißes Auto in Ristedt vergeben. Dort prangt das Nummernschild auch noch am Parkplatz vor dem Haus. Ob die Kombination „SY–CE“ oder „SY–K“ Ersatzlösungen fürs nicht bekommene „SY–KE“ sind, bleibt der Spekulationsfreude von Menschen wie Simone Böhme oder dem Verfasser dieses Berichts überlassen.

Rund 140.000 Kombinationen gesperrt

Wer jetzt aber „SY–LT 1“ oder ähnlich prestigeträchtige Zahlen sucht, der wird nicht fündig – weder auf der Insel der Reichen und Schönen noch im idyllischen Mittelzentrum Syke. Hintergrund ist, dass nicht mit Reservierungen spekuliert werden solle. Ein verständlicher Wunsch der Verwaltung, sodass rund 250 SY–LT-Kombinationen nicht auf den Markt kommen.

Hinzu kommen die gesetzlich gesperrten Buchstabenfolgen wie HJ, KZ, SS, SA und NS. Auch die als Nazisymbole missbrauchten Zahlen 18 und 88 werden nicht vergeben. Die Kreisverwaltung hat gerechnet: Zirka 140.000 Kombination sind gesperrt, was angesichts von zwölf Millionen Kennzeichen für DH und SY zu verkraften sein sollte. Bei 142.000 zugelassenen Fahrzeugen im Landkreis sind noch viele Zeichen frei.

Fun facts am Rande: Ob der Landrat am Privatauto auf "DH" oder "SY" setzt, wurde auf Nachfrage vom Landkreis nicht beantwortet. Die ersten Buchstaben am Fahrzeug des ehemaligen Syker Bürgermeisters Harald Behrens, der engagiert für das „SY“ gekämpft hatte, sind übrigens noch immer "DH". Aber das kann ja auch eine Abkürzung sein für "Dr. Harald".

Zur Sache

SY oder nicht SY? Das war die Frage

Der Aufkleber war groß wie eine Postkarte, leuchtend gelb mit rotem Rand. Von rechts schaute ein auf den Hinterbeinen stehender Bär neben einem Wappen mit zwei Bärentatzen auf die Schrift: „Erhaltet den Landkreis Grafschaft Hoya.“ Der Aufkleber zierte ab 1977 so manches Auto, nicht nur, weil in den 1970er-Jahren Aufkleber auf Autos noch so richtig „in“ waren. Auch die Botschaft war "in". Denn die Kreisreform in Niedersachsen war aus Gründen der Effektivität der Verwaltung zwar sinnvoll. Aus Gründen des Lokalkolorits war sie aber – vorsichtig gesagt – umstritten.

In Syke und umzu war die Reform ein großes Thema, denn es drohte nicht nur die Zusammenlegung mit dem Landkreis Grafschaft Diepholz, sondern vor allem noch der Verlust des Kreissitzes und des Autokennzeichens "SY". Doch Protest und Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung zählten nicht, ab 1. August 1977 war Syke keine Kreisstadt mehr, und ab April 1978 musste jedes neu zugelassene Fahrzeug „DH“ tragen. Im Laufe der Jahre, quasi mit jedem abgemeldetem Auto, sank der Anteil des schwarzen "SY" auf weißem Grund.

Ganz verschwand Syke aber nicht, denn einzelne Trecker und landwirtschaftliche Anhänger und tatsächlich auch einzelne Pkw trotzten der Zeit und dem Rost. Sie durften ihr altes Kennzeichen behalten. Die Entscheidungsträger, denen der Wunsch nach „SY“ suspekt vorkam, hatten lange Jahre leichtes Spiel: Ein weiteres oder gar anderes Kennzeichen war schlicht und einfach nicht erlaubt. Doch ganz aus dem Bewusstsein der Bevölkerung verschwand „SY“ trotzdem nicht.

2012 entschied der Bundestag dann parteiübergreifend nahezu einheitlich, dass historische Kennzeichen wieder vergeben werden dürften. Die Entscheidung freilich blieb den einzelnen Landkreisen überlassen. Während die Kennzeichen-Alternativen in vielen anderen Teilen Deutschlands unproblematisch eingeführt wurden, wurde zwischen Brinkum und Lembruch erneut ein zeitweise bizarres Schauspiel aufgeführt.

Der Syker Stadtrat hatte sich dafür ausgesprochen, den Fahrzeughaltern neben „DH“ auch „SY“ zur Auswahl zu stellen. Das sorgte beim Landkreis für Reaktionen. „Syker würden zu Ausländern im Landkreis“, meinte ein Kreistagsabgeordneter im Fachausschuss. Tatsächlich schienen einige zu befürchten, dass sich irgendwo zwischen Syke und Twistringen ein großer Graben auftun würde, der den Landkreis unrettbar spalten würde. Von einem „Keil“ war die Rede, den „SY“ in den Landkreis treiben würde. Echte Argumente gegen das „SY“ gab es nicht.

Damit wurde der Willen vieler Bürger ignoriert und offenbar wollten einige im Landkreis dem Syker Bürgermeister Harald Behrens einen Strich durch die Rechnung machen. Der hatte sich an die Spitze der Befürworter gestellt und war öffentlichkeitswirksam mit einem alten Traktor mit grünem „SY"-Kennzeichen zur Kreistagssitzung nach Neubruchhausen gekommen. Doch die Mehrheit im Kreistag lehnte ab, viele Abgeordnete enthielten sich auch.

2017 versuchte es der Syker Markus Reimann mit einer Petition für „SY“ erneut. Sie fand viele Unterstützer. Wer nun Landrat Cord Bockhop, Jahre zuvor ein Gegner des „SY“, genau zuhörte, konnte zwischen den Zeilen hören, warum er 2013 sein Veto eingelegt hatte. Wenn es diesmal „unaufgeregt“ abliefe, so Bockhop, könne aus „SY“ doch noch etwas werden, meinte er. „Unaufgeregt“ übersetzte Sykes Bürgermeisterin Suse Laue als dringende Bitte an ihren Stadtrat, dass er diesmal das Thema nicht aufgreifen solle.

Offiziell hieß es etwas später, dass der 40. Geburtstag des Landkreises Diepholz der richtige Zeitpunkt sei, ein alternatives Kennzeichen zuzulassen. Und so verkündete der Landrat im Herbst 2017 das „SY“-Comeback. Und diesmal spielte auch der Kreistag mit: Fast alle Abgeordneten waren nun dafür.

Zur Startseite
Mehr zum Thema
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)