Die Zeiten, da Heinrich Focke und Gerd Achgelis in Hoykenkamp Lastenhubschrauber gebaut haben, sind lange vorbei. Doch auch heute noch zählt das Werksgelände, auf dem die Firma Palfinger Tail Lifts seit mehr als 50 Jahren Hubladebühnen für den Güterverkehr sowie Einstiegshilfen für mobilitätseingeschränkte Menschen fertigt, zu den wichtigsten Industriestandorten der Gemeinde Ganderkesee. Am Mittwoch gewährten Palfinger-Geschäftsführer Andreas Boch und Hendrik Pulmer, Bereichsleiter Produktion und Logistik, in einer Veranstaltung der Regio-VHS Interessierten einen Blick hinter die Kulissen des traditionsreichen Betriebs.
Zehntausende Lastwagen, die auf Deutschlands und Europas Straßen unterwegs sind, sind mit einer Heckklappe ausgestattet, die es den Spediteuren ermöglicht, die Ladung auf Straßenniveau auf eine Rampe zu fahren, die Rampe hydraulisch auf das Niveau der Ladefläche anzuheben und anschließend dort zu verstauen. Und genau diese Hubsysteme produziert die Palfinger-Crew in Hoykenkamp, und zwar mehrere Tausend Stück pro Jahr.
Jeder Auftrag individuell
Nachdem man die Herstellung von Zylindern vor einigen Jahren nach Bulgarien ausgelagert habe, konzentriert sich das Team inzwischen voll auf die Produktion und die Montage von Aluminiumplattformen. Dazu sucht ein Mitarbeiter aus dem Zentrallager zunächst die benötigten Teile zusammen, ehe diese weitgehend automatisiert montiert werden. Wirtschaftsingenieur Pulmer erläuterte den staunenden Gästen unter anderem die Tatsache, dass zwischen dem Eingang einer Bestellung und der Fertigstellung der entsprechenden Hubbühne mitunter nur zwei Stunden liegen würden. Und das trotz der Tatsache, dass alle Aufträge individuell abgearbeitet werden würden, auch wenn die Unterschiede teilweise nur im Millimeterbereich liegen würden.

Größere Schweißnähte erledigen Roboter, doch mitunter muss im Hoykenkamper Werk auch noch von Hand geschweißt werden.
Deshalb ist die Optimierung der Abläufe bei Palfinger auch immer ein großes Thema. "Auch in den Prozessen steckt spezifisches Know-how, denn die Produktion muss immer flexibel und wandlungsfähig bleiben", betonte Pulmer. Das gelte gerade für Zeiten wie diese, in denen die Vielfalt der Teile wachse, weil die Kundenwünsche immer individueller werden würden. "Die Geräte, die Maschinen und die gesamte Infrastruktur sind speziell auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten. Das gibt's nirgendwo so zu kaufen", erklärte der Produktionschef.
Neben den Hubladenbühnen fertigt das Werk in Hoykenkamp auch noch Einstiegssysteme für mobilitätseingeschränkte Personen, die rund zehn Prozent des Geschäfts ausmachen. Die Schwenk- oder Vertikallifte finden sich nicht nur in den ICE-Zügen der Deutschen Bahn, sondern auch in den Fahrzeugen der Bremer Straßenbahn AG (BSAG). Diese setze die entsprechenden Einstiegshilfen sowohl in ihren Bussen als auch in den Straßenbahnen ein, wie Boch erläuterte.
Über 50 Prozent für den Export
Mehr als jede zweite Hubladebühne liefert Palfinger inzwischen ins Ausland, wobei die Exportquote von mehr als 50 Prozent in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen sei, wie Boch verriet. Deshalb lassen die Palfinger-Verantwortlichen die Zoll-Kapriolen des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump auch keineswegs völlig kalt. "Als sich die EU für ihren 15-Prozent-Zoll-Deal mit den USA gefeiert hat, ist völlig untergegangen, dass für Stahl- und Aluminiumprodukte Zölle in Höhe von 50 Prozent gezahlt werden müssen", erklärte er. Dies habe unter anderem dazu geführt, dass die Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen stark eingebrochen seien und auch der US-Markt völlig verunsichert sei. "Und die Produktion von Laderampen kann eben nicht mal einfach so in die USA ausgelagert werden, weil es dort weder die benötigten Maschinen noch das entsprechend qualifizierte Personal gibt", gab der Geschäftsführer zu bedenken.
Die unmittelbare Nähe zur Bahn, die über Jahrzehnte ein wichtiger Standortfaktor für die Industriebetriebe in Hoykenkamp gewesen ist, hat derweil an Bedeutung verloren. "Für unsere Mitarbeiter ist das gut. Für die Produktion ist sie inzwischen völlig irrelevant", erklärte Boch.
Als Teil der international operierenden Palfinger AG mit Hauptsitz in der Nähe von Salzburg ist das Werk in Hoykenkamp einer von 31 Standorten weltweit. Insgesamt beschäftigt der Konzern 12.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von 2,36 Milliarden Euro. Am Standort Hoykenkamp stehen 220 Beschäftigte (darunter 23 Auszubildende) in Lohn und Brot, die mit den genannten Ladebühnen und Einstiegshilfen rund 60 Millionen Euro zum Jahresumsatz des Konzerns beitragen. Als Konzern der "Hebelösungen an Land und für die Marine" entwickelt, finden sich Palfinger-Produkte unter anderem auch in den Windparks in der Nordsee. Und auch die Rettungsboote auf einigen größeren Kreuzfahrtschiffen tragen das Palfinger-Logo.