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Grasberger Hof "Ich kann die Gäste nicht einsperren"

Der geplanten Wohnbebauung gegenüber dem Grasberger Hof steht Wirt Johann Lütjen skeptisch gegenüber. Er sieht Konfliktpotenzial zwischen Anwohnern und seinem Betrieb.
16.05.2022, 08:00 Uhr
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Von Sandra Bischoff

Grasberg. Kohlfahrten und Hochzeiten auf der einen Straßenseite, Wohnbebauung auf der anderen - das passt nach dem Dafürhalten von Gastwirt Johann Lütjen nicht zusammen. Mit Sorge verfolgt der Betreiber des Grasberger Hofs die Pläne, auf dem Gelände des ehemaligen NP-Markts an der Speckmannstraße zwei Mehrfamilienhäuser mit jeweils sechs Wohnungen zu errichten.  "Ich bin skeptisch, dass das auf die Dauer gutgeht", sagt er. Für das Vorhaben soll nun der Bebauungsplan von einem Mischgebiet in ein allgemeines Wohngebiet geändert werden.

Für Gastwirt Johann Lütjen und seine Familie bleibt das Problem jedoch bestehen. "Dort Wohnungen zu bauen ist nicht unbedingt förderlich für uns und unseren Betrieb, auch wenn ein Schallschutzgutachten angefertigt wird." Lärm sei ein nicht zu unterschätzender Faktor. Zum einen durch den Verkehr. Denn auch am Wochenende würden Lastwagen den Grasberger Hof mit Waren beliefern. Hinzu kämen die Autos der Gäste, die die Anwohner stören könnten. "Motoren werden angelassen, Türen auf- und zugeklappt, das Scheinwerferlicht blendet in die Wohnungen." Und nicht zuletzt der Geräuschpegel, der von feiernden Gästen ausgehe, wenn diese vor der Tür mal frische Luft schnappten oder auf das Taxi warteten.

Wieder mehr Feiern

Der Familienbetrieb lebe nicht nur von Restaurant- und Hotelgästen, sondern vor allem von großen Feiern wie Hochzeiten oder Kohlfahrten. Nach der langen Corona-Pause stiegen nun die Buchungen. "Die Gäste, aber auch meine Mitarbeiter und ich brennen darauf, endlich wieder loszulegen. Und langsam kommen auch wieder die großen Feiern mit mehr als 100 Leuten", sagt der Wirt.  In regulären Zeiten bedeutet das: "Von Freitag bis Sonntag geht es bei uns richtig zur Sache." Und das, so die Bedenken Lütjens, könnte durchaus Konfliktpotenzial beinhalten, wenn auf der gegenüberliegenden Straßenseite Anwohner schlafen möchten. Denn er könne die Gäste weder im Saal einsperren noch ihnen verbieten, sich draußen zu unterhalten. "Ich sage den DJs schon jetzt immer, dass sie die Musik ab einer gewissen Uhrzeit nicht mehr so laut aufdrehen sollen."

Bei Kohlfahrten beispielsweise können sich bis zu 400 Menschen im großen Saal vergnügen, der kleine Saal bietet Platz für etwa 80 bis 90 Personen. Hinzu kommen der Wintergarten und zwei Tagungsräume sowie acht Kegelbahnen. Für die Hotelgäste stehen 27 Zimmer bereit. Ein Teil davon ist gerade fertig renoviert worden, der Rest soll folgen. Die Toiletten im Gastronomiebereich hat Johann Lütjen sanieren lassen, und die Theke wurde ebenfalls erneuert. Auch der Flur zu den Tagungsräumen habe eine Verjüngungskur erhalten. Derzeit spielt der Wirt mit dem Gedanken, die Hälfte der Kegelbahnen wegzunehmen, um dort eventuell Bowlingbahnen oder vielleicht auch etwas ganz anderes aufzubauen. Mit einer knappen Million Euro schlagen die gesamten Investitionen zu Buche. "Es liegt ja immer etwas an, das man machen kann. Aber im Moment wissen wir nicht, was auf der anderen Straßenseite auf uns zukommt." Schließlich müsse er die Kosten für die Sanierungen auch wieder erwirtschaften, erklärt Lütjen und findet klare Worte: "Wenn mir die Hände gebunden sind, weil ich Ruhezeiten vorgesetzt bekomme, dann ist irgendwann Schluss. Dann muss ich hier keine Kohlfahrten oder Hochzeiten mehr ausrichten."

Grasberger Hof wird 50

Im Herbst dieses Jahres besteht der Grasberger Hof 50 Jahre. Lütjens Eltern hatten das damals kleine Gasthaus 1972 gekauft. Über die Jahre wurde das Gebäude nach und nach erweitert, und in den 1990er-Jahren kam der Hotelbetrieb hinzu. Heute beschäftigt der Familienbetrieb zehn fest angestellte  Mitarbeiter und etwa 40 bis 50 Teilzeitkräfte und Minijobber.

"Ich bin der festen Überzeugung, dass es früher oder später zu Konflikten mit den neuen Nachbarn kommen wird", sagt Johann Lütjen. Schließlich trennten sein Gasthaus und die neuen beiden Mehrfamilienhäuser keine 20 Meter. "Ich kann die Gäste nicht einsperren", und das wolle er auch nicht. Sollte regelmäßig Polizei aufkreuzen, weil sich Anwohner über den Lärm beschwerten, sei das  kein gutes Zeugnis für sein Geschäft. "Das spricht sich doch ganz schnell herum, dass man da nicht mehr hingehen kann. Und ich bin dann derjenige, der sich mit der Sache auseinandersetzen muss, auch wenn es ein Schallschutzgutachten gibt." Der Gastwirt befürchtet, dass er den Standort an der Speckmannstraße irgendwann aufgeben muss. "Das habe ich auch der Bürgermeisterin gesagt." Er habe auch schon einige Ratsleute auf das Vorhaben angesprochen und ihnen seine Bedenken erläutert. Ob das Vorhaben dadurch abgewendet werde ? Johann Lütjen zuckt mit den Schultern.

Drogeriemarkt als Alternative

Einen Gastronomiebetrieb zu führen, bedeute zudem schon so genügend Stress. Das Tagesgeschäft sei fordernd, die Pandemie habe ebenfalls ihre Spuren hinterlassen, und es sei ebenfalls nicht leicht, Personal zu finden. "Wenn jetzt diese Lärmgeschichte noch dazukommt, dann kann man am Feierabend den Kopf gar nicht freikriegen." Johann Lütjen hätte es gut gefunden, wenn sich die Politik im Vorfeld an ihn gewendet und nicht gleich auf Wohnungen festgelegt hätte. "Man hätte doch auch prüfen können, ob da vielleicht ein anderes Gewerbe einziehen kann, ein Drogeriemarkt zum Beispiel." Der würde abends schließen, und feiernde Gäste seien kein Problem.

Zur Sache

Der Bebauungsplan Nr. 19 "Speckmannstr. II (Ortsmitte)“ soll von einem Mischgebiet in ein allgemeines Wohngebiet geändert werden. Die Politik verspricht sich Vorteile, weil ein Mischgebiet immer auch mit 50 Prozent Gewerbe bestückt werden müsse. Findet sich kein Gewerbe für die Flächen, droht Leerstand. Für ein allgemeines Wohngebiet gelte dies nicht, allerdings dürfe sich dort auch sogenanntes stilles Gewerbe wie Anwaltskanzleien, Arztpraxen, Physiotherapeuten oder Friseure niederlassen. Der zuständige Fachausschuss hatte der Änderung in seiner Sitzung Ende April zugestimmt. Der Grasberger Hof ist nicht Teil dieses Bebauungsplans. "Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, was die schalltechnische Untersuchung ergibt", sagt Stefan Ritthaler, Allgemeiner Vertreter der Bürgermeisterin, auf Nachfrage. In das Gutachten soll der Lärmpegel, der sowohl tagsüber als auch in der Nacht von dem Gastronomiebetrieb ausgeht, Eingang finden. Laut Ritthaler kann die Untersuchung auch zu dem Schluss kommen, dass eine Wohnbebauung an der Stelle nicht sinnvoll sei. Die Gemeinde habe Verständnis für die Bedenken der Gastwirtsfamilie. Die Bürgermeisterin und er hätten ihr geraten, im Rahmen der Beteiligung während des Planverfahrens Stellung zu beziehen, so Ritthaler. 

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