Ritterhude. Eigentlich war es eine Notlösung – und am Ende doch ganz im Sinne der Fans. Ursprünglich sollte Rodger Hodgson, einst Frontmann der legendären Band Supertram, zur 15. Ausgabe der Ritterhuder Torfnacht am Hammeforum am Sonnabend auf der Bühne stehen. Doch nach zweimaliger Verschiebung wegen der Corona-Pandemie war der Mann, den immer noch eine leicht mystische Aura umgibt, nicht mehr zu bekommen.
Also hatten die Torfnacht-Macher um Regine Schäfer, Chefin des Hamme-Forums und Geschäftsführerin der Ritterhuder Tourismus und Veranstaltung GmbH, in ihre Schatztruhe gegriffen und Bewährtes hervorgeholt: Torfrock als Headliner und Afterburner als Support. Die Besucher sollten denn auch nicht enttäuscht werden. Für die nach Veranstalterangaben 800 Menschen auf dem Gelände hinter dem Hamme-Forum war es ein rundherum gelungener Abend, hielten beide Bands doch bis zum Ende, was Schäfer und ihr Team versprochen hatten.

Fans mit Wikingerhelmen gehören bei Torfrock ebenso dazu wie manch gut eingespieltes Ritual.
Die Jungs um Sänger Tjalf Hoyer breiteten den Kollegen um Torfrock-Frontmann Klaus Büchner mit einem sauber gespielten, genau eine Stunde dauernden Set den roten Teppich aus. Zugabe, nein, die gab es an diesem Abend nicht – so ist es, wenn eine Band als Support gebucht ist. Da kann diese noch so beliebt und bekannt sein. Mehr als eine Stunde ist nicht drin – das wussten auch die Fans, die sehnlichst auf ihre Heroen warteten.
Programm wie in Wacken
Und dann standen sie auf der Bühne: Sänger Klaus Büchner, Gitarrist Volker Schmidt, Bassist Sven Berger und Schlagzeuger Stefan Lehmann. Sie blickten auf gut und gerne 500 Fans herunter. In der ersten Reihe gleich vor der Bühne stehen die harten, die eingefleischten Torfrocker, manche stilecht mit Wikingerhelm auf dem Kopf. Es sind jene, die jede Zeile der unzähligen eigenen und gecoverten Songs mitsingen oder auch -gröhlen können. Es sind die, die meinen, von unzähligen Litern Bier die abgehärtetste Leber zu haben, und die am Ende eher wanken als aufrecht gehen. Und die Fans, die scheinbar gerne den einen oder anderen Joint durchziehen – zumindest ließ der schwere, süßliche Geruch dieses vermuten.
Torfrock feiert in diesem Jahr den 45. Geburtstag ihrer Bandgründung und den 15. Geburtstag der Torfnacht. Ersteres fiel eigentlich nur am Merchandise-Stand ins Auge, wo es die entsprechenden T-Shirts mit der großen „45“ darauf gab – natürlich für 45 Euro pro Shirt. Klaus Büchner indes konzentrierte sich in seiner kurzen Begrüßung lieber auf den Geburtstag der Torfnacht: „Kaum sind 15 Jahre vergangenen, sind wir schon wieder hier.“ Die ersten Songs waren Programm: „Feste“ und „Freie Bahn mit Marzipan.“ Es war genau das Programm, mit dem die Band zwei Tage zuvor auch bei Festival in Wacken auftrumpfte und das sowieso seit vielen Jahren nahezu unverändert besteht. Natürlich darf zwischen den Songs die spezielle Torfrock-Fan-Kommunikation nicht fehlen. Klaus Büchner: „Viele, vielen Danke!“ Die Fans: „Vielen, vielen Bidde!“

Sänger Klaus Büchner präsentierte sich nicht in Bestform.
Soweit ist alles normal im Torfrock-Universum. Und doch war vieles anders. Hierzu gehören die Bierzelt-Garnituren in Bühnennähe – schließlich werden die Fans mit der Band älter, und das eine oder andere Zipperlein plagt dann doch schon. Aber es war nicht nur das, was den Auftritt der Nordfriesen anders anmuten ließ. Wer wie die meisten Menschen in Ritterhude mit Raymond Voß als Gitarrist und zweiten Sänger und groß geworden ist, dürfte das letzte Gründungsmitglied der Band neben Büchner noch immer schmerzlich vermissen. Gitarrist Volker Schmidt versuchte zwar auch am Sonnabend, die einzigartige Stimme von Raymond Voß zu ersetzen. Jedoch: Dies ist ein schwieriges Unterfangen, Schmidt ist da in sehr große Fußstapfen getreten.
Sorgen um Klaus Büchner
Am Sonnabend gab es indes noch einen anderen Punkt zur Sorge: Klaus Büchner selbst. Der Frontmann, den die Konzertbesucher als agilen Entertainer kennen, stand augenscheinlich ein wenig neben sich. Schon von Weitem betrachtet traf der Sänger nicht immer den richtigen Ton. Wenn es in die etwas höheren Stimmlagen ging, musste er ein ums andere Mal passen. Wer nah genug an der Bühne stand, konnte feststellen: Während der Rest der Band auf den Punkt spielte, stand der Sänger daneben und schaute, was seine Mitstreiter so machten. Zwar kamen seine Einsätze ebenso auf den Punkt, doch der Frontmann, der Brösels „Werner“ dereinst die markante Stimme gegeben hatte, schien immer wieder in sich zu versinken. Die Mütze tief ins Gesicht gezogen schien es fast, als brauche er das Mikrofonstativ zum Festhalten.
Auch einigen Zuschauern fiel auf, dass es um die Bühnenpräsenz des Cheftorfrockers am Sonnabend nicht zum Besten bestellt war. „Das sind keine guten Zeichen“, meinte ein altgedienter Fan der Band. Und doch ist Klaus Büchner Profi genug, jeden Auftritt seit nunmehr 45 Jahren durchzuziehen – ganz nach dem Motto einer ihrer Songs: „Freie Bahn mit Marzipan, Schokolade an Languste (...) ohne Rücksicht auf Verluste.“