Vom Star-Himmel blicken Marilyn Monroe, Elvis und James Dean auf die Szenerie zu ihren Füßen: Vor dem Fahrgeschäft "Disco Dance" haben sich Pastorin Ingrid Witte, Carlo Eickenberg mit seiner Frau Geraldine und den zwei Töchtern Jayda und Rachel versammelt. Ergriffen lauscht das junge Schausteller-Paar aus Rheine in Westfalen den Worten der Pastorin. Es ist ihnen anzusehen: Für sie es eine besondere Zeremonie, die sich an diesem nasskalten Wintertag auf dem Schützenplatz Schwanewede vollzieht. Ingrid Witte, im schwarzen Talar mit Stola, segnet das neue Fahrgeschäft der Eickenbergs und seine stolzen Besitzer.
Die Bremer Dompredigerin ist dafür extra nach Schwanewede gekommen. Sie ist beauftragte Zirkus- und Schaustellerseelsorgerin der Bremischen Evangelischen Kirche, hilft aber auch mal im benachbarten Umland aus. Beim Bremer Freimarkt hat Witte schon eine Geisterbahn und einen Süßwarenstand gesegt, auch mal einen Imbiss. Segnungen von Fahrgeschäften haben im Schausteller-Gewerbe eine lange Tradition. "Wir Schausteller sind sehr gläubig. Wir wollen Gottes Segen auf unserem Weg haben", sagt Geraldine Eickenberg. Sie stammt aus einer Schausteller-Familie, ihr Mann Carlo ist Schausteller in vierter Generation.
Bislang zog die Familie mit einem Wurfgeschäft von Markt zu Markt. Mit dem "Disco Dance" – auch als "Scheibenwischer" bekannt, weil es für bis zu 22 Fahrgäste entsprechend rund geht – sind sie jetzt in die Liga der Fahrgeschäfte aufgestiegen. Im Januar hat Carlo Eickenberg den 1995 erbauten "Disco Dance" gekauft, auf dem Schützenplatz in Schwanewede wird er ihn als neuer Besitzer an diesem Wochenende auf dem Rummelplatz im "Familienkirmes-Park" erstmals laufen lassen. Die Segnung ist dem 28-Jährigen und seiner 26-jährigen Frau wichtig: "Das bringt Glück", ist Carlo Eickenberg überzeugt. "Mit dem Fahrgeschäft beginnt für uns ein neuer Lebensabschnitt", ergänzt Geraldine Eickenberg. Davon hänge jetzt ihre Existenz ab.
Einweihung am Geburtstag der Tochter
Und dafür wollen sie Gottes Segen. Für den Termin haben sie sich den Geburtstag der jüngsten Tochter Rachel ausgesucht, die an diesem Tag fünf Jahre alt wird und mit "Happy Birthday"-Krönchen auf dem Haupt mit ihrer achtjährigen Schwester dabei ist. Die beide haben im "Disco Dance" schon die erste Probefahrt machen dürfen. Ihre Eltern haben sich für die Einsegnung herausgeputzt, sie im himmelblauen Boucléblazer und mit goldenen Ohrringen, er mit weißen Hemd und beigefarbenem Jacket.
Ingrid Witte hat den Psalm 104 ausgewählt und trägt ihn vor. "Er erzählt, wie unser Leben läuft. Gott gibt uns das, was wir brauchen", erklärt die Pastorin. Sie sei voller Hochachtung für Schausteller, die den Mut haben, ein Fahrgeschäft zu kaufen, so wie die Eickenbergs. "Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie immer am Ende einer Saison sagen können: Es ist gut, was wir machen und es gut, dass wir dieses Wagnis eingegangen sind", sagt sie zum Paar gewandt, bevor sie das Einsegnungsgebet spricht. "Möge Gott seine Hand schützend über eure Familie und eure Arbeit halten. Gott segne die Kinder, euer Fahrgeschäft und euren Wohnwagen."
Kreuz mit Weltkugel
Zur Segnung gehört traditionell auch das Schaustellergebet, das Ingrid Witte vor dem gemeinsamen Vater Unser spricht. "Lass mich bedenken, mein Vorrecht, als Schausteller Freude und Vergnügen zu bringen allen Menschen, besonders aber der Jugend, den Einsamen und denen, die von Glück benachteiligt sind", heißt es in einer Strophe.
Die Pastorin überreicht auch ein Kreuz mit einer Weltkugel. Die Erdkugel stehe dafür, dass Jesus die Schausteller-Familie auf ihrer Reise begleite, erläutert sie. Die Eickenbergs haben schon einen Platz für das Kreuz im Blick: "Das werden wir im Kassenhäuschen aufhängen", sagt Geraldine Eickenberg.