Bauernproteste Generalkritik und Galgensymbolik schaden den Anliegen der Bauern

Die Landwirte sollten für sich sprechen und klare Forderungen stellen, statt zu behaupten, sie würden für alle Bürger demonstrieren. Kritik muss konkret sein, um etwas zu bewirken, meint Felix Gutschmidt.
10.01.2024, 14:13 Uhr
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Von Felix Gutschmidt

Den Bauernprotesten fehlt es gewiss nicht an Wucht, aber es fehlt ihnen an Präzision. Wer wissen will, warum die Landwirte auf die Straße gehen – oder besser gesagt: fahren –, findet viele Antworten. Während Verbandsvertreter wie der Verdener Kreislandwirt Jörn Ehlers fordern, die im Raum stehende Streichung der Subventionen beim Agrardiesel und die Befreiung von der Kfz-Steuer vollständig zurückzunehmen, geht es anderen Bauern um mehr: Sie erwarten eine Korrektur der Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte. Einige wollen gleich die ganze Bundesregierung loswerden.

Wie genau das vonstattengehen soll, sagen die Bauern nicht. Sie sprechen in Bildern. Auf Plakaten heißt es, dem Bündnis von SPD, Grünen und FDP müsse der Stecker gezogen werden. In Ottersberg haben Unbekannte einen Galgen aufgestellt und daran eine stilisierte Ampel aufgeknüpft. Während das eine legitimer Ausdruck von Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik ist, wird mit dem Galgen eine Grenze überschritten. Ob symbolisch oder nicht: Wer den politischen Gegner am Strick hängen sehen möchte, ist kein Demokrat. Völlig zu Recht ermittelt die Staatsanwaltschaft in der Angelegenheit.

Diskutieren und Differenzen akzeptieren

Streiks und Demonstrationen muss diese Gesellschaft aushalten. Jede Gruppe hat das Recht, für ihre Interessen zu streiten. Sind die Forderungen berechtigt? Sind die Proteste maßvoll? Auf diese Fragen müssen nicht alle dieselbe Antwort finden. Es ist völlig in Ordnung, unterschiedliche Ansichten zu haben. Es ist gut, darüber zu diskutieren. Es ist wichtig, Differenzen zu akzeptieren.

Das tun leider nicht alle. Gegner der Bauerndemos nehmen Aktionen wie die unsägliche Ampel am Galgen zum Anlass, die Legitimität der gesamten Proteste anzuzweifeln. Die Bauern würden von Rechts unterwandert, heißt es, obwohl es dafür im Kreis Verden keine Hinweise gibt. Sicherlich gibt es auch hier Landwirte, die politisch dem rechten Lager zuzuordnen sind. Das gilt aber auch für jede andere Berufsgruppe.

Applaus von der falschen Seite

Allerdings tun sich die Landwirte und deren Unterstützer keinen Gefallen, wenn sie den Protest zur Generalabrechnung mit der Bundesregierung hochjazzen. Kritik muss konkret sein, um etwas zu bewirken. Und bleiben die Bauern vage, bekommen sie auch Applaus von Leuten, die nicht nur diese Regierung, sondern diesen Staat ablehnen.

Es ist auch nicht im Sinne der Landwirte, zu behaupten, sie würden nicht nur für sich auf die Straße gehen, sondern für alle Bürger. Das mag rhetorisch geschickt sein, weil es der eigenen Position mehr Bedeutung verleiht. Aber es ist schlicht und ergreifend falsch. Die Bauern haben kein Mandat, um für alle Bürger zu sprechen. Das brauchen sie auch nicht. Es reicht völlig aus, wenn sie für ihre Interessen einstehen, klare Forderungen stellen und dafür gute Argumente liefern.

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