Lemwerder. 100 Minuten hitziger Debatte über die Zukunft des Bahndamms zwischen Lemwerder und Delmenhorst lag hinter ihnen, als UWL-Ratsherr Sven Schröder die Mitglieder der SPD/CDU-Mehrheitsgruppe im Gemeinderat am Donnerstagabend fragte: "Warum müssen wir heute beschließen? Das ist doch schon."
Allerdings schwebt noch das Damoklesschwert über der Entscheidung des Verwaltungsausschusses (VA). Dieser hatte mit den Stimmen von SPD und CDU hinter verschlossener Tür beschlossen, dass auf dem ehemaligen Bahndamm kein Radweg gebaut wird, dass die Verwaltung die Kosten für einen Rückbau ermittelt und mit den Anliegern über einen Rückkauf verhandelt. Die Kommunalaufsicht prüft derzeit, ob die Behandlung des Themas in nicht-öffentlicher Sitzung rechtens war.
Um die Entscheidung rechtssicher zu machen, hatte Bürgermeisterin Christina Winkelmann trotz bereits begonnener Sommerferien kurzfristig eine Sondersitzung des Rates einberufen. Mehr als 30 Bürgerinnen und Bürger verfolgten die Sitzung in der Ernst-Rodiek-Halle.
FDP-Chef Harald Schöne warf der SPD/CDU-Mehrheitsgruppe vor, die Entscheidung über die Zukunft des Bahndamms bewusst aus der öffentlichen Diskussion herausgehalten zu haben. Deshalb sei der Antrag sowohl am 8. Juli im Finanz- und Planungsausschuss als auch am 15. Juli im VA nicht-öffentlich beraten worden. "Wir hatten uns im Fachausschuss schon umfassend mit dem Thema beschäftigt", entgegnete CDU-Chef Wolf Rosenhagen. "Grundstücksverhandlungen sind nicht-öffentlich zu behandeln", belehrte er die Kritiker. Er sei sicher, dass die Kommunalaufsicht nicht im Sinne der UWL entscheiden werde. Nachdem sich der VA mit dem Thema "vorbefasst" habe, sei es nun ja konsequenterweise im Rat gelandet, beschied Rosenhagen.
Der vom Ratsvorsitzenden Ewald Helmerichs (SPD) zum Ende des Tagesordnungspunktes verlesene SPD/CDU-Antrag, der in großen Teilen wie die von der Verwaltung verfasste Sitzungsvorlage daherkam, endete ebenfalls mit dem Hinweis, dass der VA "vorberaten" habe. Von Beschluss keine Rede. Im Ursprungsantrag der Mehrheitsgruppe vom 30. Mai wurde der Gemeinderat als Entscheidungsträger hingegen noch nicht erwähnt.
Vor dem Beschluss über den SPD/CDU-Antrag debattierten die Ratsmitglieder über zwei weitere Anträge. Die UWL wünschte, den im VA erteilten Verhandlungsauftrag an die Bürgermeisterin aufzuheben und eine Einwohnerbefragung zu initiieren, ob die Gemeinde die Bahndamm-Grundstücke in ihrem Eigentum behalten sollte oder nicht. "Ich lasse mir lieber von den Bürgern vorschreiben, dass dort kein Radweg gebaut wird, als von der großen Gruppe Kraft ihrer Mehrheit", sagte Sven Schröder von der UWL. Grünen-Vertreterin Brigitta Rosenow plädierte für einen Radweg, um Menschen zu bewegen. Sie sei sicher, dass Kompromisse mit den Landwirten gefunden werden könnten. Diese befürchten allerdings existenbedrohende wirtschaftliche Einschnitte, wenn ein Radweg ihre Betriebe durchschneidet.
Die UWL und die FDP/Grünen-Gruppe beantragten zudem, die Entscheidung über den Antrag der Mehrheitsgruppe auszusetzen. Abgestimmt werden solle erst, wenn vom Arbeitskreis Radwegenetz ein schlüssiges Konzept erarbeitet wurde. "Die FDP hat Zweifel am Bedarf des Radwegs", gab Harald Schöne zu. "Aber wir gönnen dem Arbeitskreis das Wort." Er bedauerte, dass es keinen Runden Tisch mit den Landwirten gibt. Schröder räumte ein, dass ein vom Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen erarbeitetes überregionales Radwegkonzept keine Verbindung zwischen Lemwerder und Delmenhorst über den ehemaligen Bahndamm vorsieht. "Aber darf ich deshalb die Idee nicht denken?" Beide Anträge wurden mit den Stimmen von CDU und SPD abgelehnt.
Günter Naujoks (SPD) berichtete, er habe sich existierende Radwege von Lemwerder nach Delmenhorst angeschaut. Um vom Bund gefördert zu werden, müsse ein neuer Weg drei bis vier Meter breit sein (was in die Biotope neben dem Damm eingreifen würde), beleuchtet (was für Lichtverschmutzung sorge) und gereinigt werden. Daten zu Pendlerströmen zeigten ferner, "dass sich Berufspendler und Touristen in der Regel nicht treffen." Beide Nutzergruppen könnten ungestört den Radweg entlang der Weser nutzen. Harald Schöne bat darum, die Zahlen dem Arbeitskreis vorzulegen, der bereits dreimal getagt habe.
Schröder beklagte, dass jetzt Ratsmitglieder über die Zukunft der Gemeinde entscheiden würden, die dem Rat nach der Kommunalwahl im September nicht mehr angehören werden. Ratsvorsitzender Helmerichs meinte, dass es nichts zu planen gebe, da Delmenhorst in den nächsten zehn Jahren "garantiert keinen Radweg baut. Die wollen nur die Strecke zurückbauen." So beschlossen SPD und CDU nun noch einmal öffentlich, dass auf dem ehemaligen Bahndamm kein Radweg gebaut wird, die Kosten für den Rückbau des Dammes ermittelt und Verhandlungen mit den Landwirten aufgenommen werden.
Der Rat wird sich nach der Sitzung am Donnerstagabend nochmal mit dem Thema beschäftigen. Das Gremium wird in einer der nächsten Sitzungen öffentlich darüber abstimmen, ob die Bahndamm-Grundstücke tatsächlich veräußert werden sollen. Lautet die Antwort "Ja", wird gesetzeskonform hinter verschlossenen Türen über Preise beraten.