Im Sommer werden sie den runden Geburtstag feiern: zehn Jahre Palliativstation im Delmenhorster Krankenhaus. Was ihnen am Josef-Hospital Delmenhorst (JHD) ganz recht kommt, denn in den vergangenen Jahren wurde zwar viel über das Krankenhaus geredet – wegen der Insolvenz, wegen der 15 Jahre zurückliegenden Mordserie von Niels Högel –, aber aus Sicht der Geschäftsführung war die Medizin zu selten ein Thema. Dabei sei zum Beispiel die Palliativ- und Schmerzmedizin selbst mit Blick auf Bremen und Oldenburg fast ein Alleinstellungsmerkmal. Deswegen wird es im August auch eine Themenwoche geben, in der sich alles um die palliative Versorgung dreht.
"Palliativmedizin bieten meines Wissens nach insgesamt nur drei Häuser in Bremen und Oldenburg an", sagt Ales Stanek, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Palliativmedizin und Schmerztherapie. Und auch andere Kliniken, die sich die Multimodale Schmerztherapie auf ihre Fahne geschrieben, sind laut Stanek selten in der Region, gerade einmal zwei Häuser in Bremen habe er bei seinen Recherchen gefunden. Allerdings gibt es darüber hinaus mittlerweile einige Kliniken, die sich dem Thema chronische Schmerzen angenommen haben, wenn auch mit anderen Therapie-Ansätzen.
Los ging es mit der Palliativmedizin in Delmenhorst schon 2007, mit drei Betten. Aber schon damals gab es Unterstützung des Landes beim Ausbau, sodass das JHD mittlerweile eine kleine Station mit sieben Palliativbetten betreibt. Dort werden die Patienten versorgt, die an einer unheilbaren Krankheit leiden, die schon weit fortgeschritten ist. Sie werden dort so versorgt, dass ihre massiven Beschwerden Linderung erfahren. Wozu eine Vielzahl von Disziplinen zusammenarbeiten, nicht nur Medizin und Pflege, sondern auch Psychologen, Sozialarbeiter, Seelsorger. Es geht nicht nur um den Körper, auch um die Psyche. Aber die Station ist nicht zum Sterben da, sie ist kein Hospiz.
Aber genau der Gedanke ans Sterben hat sich in vielen Köpfen festgesetzt, deswegen wollen einige Patienten auch partout nicht auf die Station 33 verlegt werden. Deswegen, und auch um den Vorgaben des Hospiz- und Palliativgesetzes gerecht zu werden, wurde vor anderthalb Jahren ein Palliativmedizinischer Dienst (PMD) im JHD installiert, die Palliativ-Experten kommen also zu den betroffenen Patienten direkt auf die Station. Dass diese Hilfe bei einigen Patienten eine große Hilfe ist, musste sich aber auch erst in den Köpfen der anderen Ärzte festsetzen.
Doch so langsam wird das Angebot immer stärker in Anspruch genommen. "Im ersten Jahr wurde der PMD zu 100 Patienten gerufen, diese Zahl haben wir jetzt, in Jahr zwei, schon überschritten", erklärt Stanek. "Wir bitten die Kollegen, sich eine sogenannten Surprise Question zu stellen: Würde es Sie wundern, wenn der Patient innerhalb des nächsten halben Jahres verstirbt?" Wenn die Kollegen innerlich verneinen, wissen sie, dass der Zeitpunkt für die Palliativmediziner gekommen ist.
Der richtige Zeitpunkt für den Palliativmediziner
"Wir bekommen gerade auf die Palliativmedizin immer sehr positive Rückmeldungen von Patienten und Angehörigen", sagt Krankenhaus-Geschäftsführer Florian Friedel. Allerdings ist ein Angebot, für das so viele Spezialisten unterschiedlichster Disziplinen vorgehalten werden müssen, teuer. "Wir befinden uns zum PMD in Diskussionen mit den Kostenträgern", sagt Friedel, was wohl bedeutet, dass die Vergütung nicht ausreicht, um kostendeckend zu arbeiten. "Sagen wir es mal so: Die Vergütung in Niedersachsen liegt derzeit noch hinter der in anderen Bundesländern zurück."
Trotzdem stehe das Angebot hausintern nicht zur Debatte, auch weil es gut angenommen werde. "Es denken derzeit auch alle, dass wir im Rahmen unserer Sanierung an der Medizin sparen, aber das ist falsch", betont Friedel. "Wenn man ein Krankenhaus betreibt, kann man sowieso nur eine Strategie fahren: das ist eine gute Qualität in der Patientenversorgung."
Dafür spricht auch, dass das Palliativteam kürzlich um eine weitere Disziplin erweitert wurde, nämlich Clowns. Wobei sie erst unsicher waren: Kann man das machen? "Aber der Effekt ist unglaublich", sagt Stanek. Dabei wurde die Idee eher aus Zufall geboren. Normalerweise besuchen die Clowns die Kinderklinik, doch da war gerade nichts zu tun. Also kamen sie auf die Palliativstation. "Die Patienten sprechen noch Tage später von den Clown-Besuchen. Und wenn sie einen Luftballon bekommen haben, geben sie den auch nicht wieder her."
Die Palliativwoche findet vom 14. bis 18. August statt, unter anderem wird es einen Tag der offenen Tür geben, eine Letzte-Hilfe-Schulung, Fortbildungen für Mediziner, aber auch ein Fest mit allen Akteuren des Palliativ-Netzes in Delmenhorst.