Dass es in Koalitionsregierungen nicht immer schiedlich friedlich zugeht, sondern bisweilen jede Partei sich selbst am nächsten ist, ist nicht erst in der jetzigen Ampelregierung zu beobachten. Wer die Kunst der Selbstdarstellung nicht beherrscht, macht sich ein Stück weit unsichtbar. Und das ist im politischen Wettbewerb fatal.
Gerade die FDP kann davon ein Lied singen. 2009 startete sie mit einem Rekordergebnis in eine Koalition mit der CDU/CSU unter Angela Merkel. Doch nach vier Jahren wurden die Liberalen abgewählt – sie landeten sang- und klanglos in der außerparlamentarischen Opposition. Das Trauma der Liberalen.
Christian Lindner hat daraus Lehren gezogen. Eine lautet: Die FDP darf sich nicht zu billig verkaufen; selbst dann nicht, wenn es um die Teilhabe an der Macht geht. Das Ergebnis ist bekannt: 2017 ließ Lindner eine schon sicher geglaubte Jamaika-Koalition platzen, weil er befürchtete, zwischen Union und Grünen zerrieben zu werden.
Altbekannte liberale Ideologien
In die Ampel aber hat Lindner sich getraut, auch wenn er lieber mit der Union unter Armin Laschet mitregiert hätte. Nun muss es der FDP-Chef zwischen SPD-Kanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen aushalten – eine Aufgabe, der Lindner mit wachsender Angriffslust nachgeht. Altbekannte, aber eben durch den Koalitionsvertrag abgeräumte liberale Ideologien werden von ihm bemüht, wie der Wiedereinstieg in die Atomkraft oder die Verlängerung der Verbrennermotoren-Technik. Im so harmonisch gestarteten Dreierbündnis häufen sich die Streitthemen. Lindners Kalkül: Auffallen um jeden Preis. Nutzen tut es ihm gerade wenig – längst ist die FDP in Umfragen wieder einstellig.
Dabei war die FDP Punktsieger im Koalitionspoker, entpuppt sich in der vom Kanzler durch den Ukraine-Krieg und die massive Wirtschaftskrise ausgerufenen „Zeitenwende“ aber als erstaunlich unflexibel. Die SPD wirft ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik über den Haufen, die Grünen lassen Kohlekraftwerke länger laufen und gefährden ihre Klimapolitik. Und die FDP? Welche Zugeständnisse macht sie?